Jātakam, Wiedergeburtsgeschichten

179. Die Erzählung von Satadhamma (Satadhamma-Jataka)

Das wen'ge Weggeworfene“

 

§A. Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf die einundzwanzig Arten des unrechten Erwerbs. Zu einer Zeit nämlich verschafften sich viele Mönche ihren Lebensunterhalt durch ärztliche Tätigkeit, durch Botendienste, durch Besorgen von Aufträgen [1], durch Läuferdienste, durch gegenseitiges Almosen Geben und durch noch andere von den einundzwanzig Arten des unrechten Erwerbs.

§D. Davon wird im Saketa-Jataka [2] gesprochen werden.

Als aber der Meister erfuhr, dass sie auf diese Weise sich ihren Lebensunterhalt erwarben, dachte er: „Jetzt verschaffen sich viele Mönche durch unrechten Erwerb ihren Lebensunterhalt. Wenn sie sich aber auf diese Weise ihren Lebensunterhalt verschaffen, werden sie von der Existenz als Dämon oder als büßender Geist nicht loskommen, als Lasttiere werden sie wiedergeboren werden, in der Hölle werden sie ihre Wiedergeburt finden. Zu ihrem Glücke, zu ihrem Heile muss ich ihnen eine Lehrunterweisung geben, die von sich aus verständlich und erklärlich ist.“ — Und er ließ die Gemeinde der Mönche zusammenrufen und sprach: „Ihr Mönche, ihr dürft nicht durch die einundzwanzig Arten unrechten Erwerbs euch die Hilfsmittel [3] verschaffen. Ein Almosen nämlich, das durch unrechten Erwerb einem zuteil wird, gleicht einer glühenden Eisenkugel; es ist dem Halahala-Gift ähnlich. Dieser unrechte Erwerb ist doch für die Schüler der Buddhas und der Paccekabuddhas tadelnswert und verächtlich. Ein Almosen, das durch unrechten Erwerb einem zuteil wird, bringt keine Freude und keine Befriedigung. — Ein auf solche Weise erworbenes Almosen gleicht in meiner Lehre einer Speise, die ein Candala [4] weggeworfen, sein Genuss ist wie der Genuss der von dem Candala weggeworfenen Speise durch den jungen Brahmanen Satadhamma.“ Darauf erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

 

§B. Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, wurde der Bodhisattva in der Klasse der Candalas wiedergeboren. Als er herangewachsen war, machte er einmal aus irgendeinem Grunde eine Reise, wobei er Reiskörner als Proviant und einen Speisekorb mitnahm. — Zu dieser Zeit lebte zu Benares ein junger Brahmane, Satadhamma mit Namen, der aus einer begüterten Brahmanenfamilie des Nordens stammte. Auch er machte aus irgendeinem Grunde eine Reise, nahm jedoch weder Reiskörner noch einen Speisekorb mit. Die beiden trafen auf der Heerstrasse zusammen. Der junge Brahmane fragte den Bodhisattva: „Aus welcher Kaste bist du?“ Er antwortete: „Ich bin ein Candala“ und fragte den jungen Brahmanen: „Aus welcher Kaste bist denn du?“ Der andre erwiderte: „Ich bin aus einer Brahmanenfamilie des Nordens.“ „Gut, gehen wir“, sagten sie und setzten zusammen den Weg fort.

Zur Zeit des Frühmahls setzte sich der Bodhisattva an einer Stelle, wo Wasser bequem zur Hand war, nieder, wusch sich die Hände, öffnete den Speisekorb und sprach zu dem jungen Brahmanen: „Iss von der Speise!“ Doch der andre sagte: „He, du Candala, ich brauche keine Speise.“ Der Bodhisattva versetzte: „Gut“; darauf tat er, ohne die Speise aus dem Speisekorb auszuschütten, soviel, wie er selbst verzehren wollte, auf ein Blatt, band den Speisekorb wieder zu und stellte ihn beiseite. Dann aß er, trank Wasser, wusch sich Hände und Füße und sagte darauf, indem er die Reiskörner und den Rest der Speise mitnahm: „Wir wollen gehen, junger Brahmane.“ Damit machten sie sich auf den Weg.

Nachdem sie den ganzen Tag gegangen waren, badeten sie beide am Abend an einer Stelle, wo das Wasser bequem zu erreichen war, und stiegen dann wieder aus dem Wasser. Der Bodhisattva ließ sich an einer passenden Stelle nieder, öffnete seinen Reisekorb und begann zu essen, ohne erst den jungen Brahmanen zu fragen. Der junge Brahmane, der durch den Marsch während des ganzen Tages müde und hungrig geworden war, stand wartend dabei, indem er dachte: „Wenn er mir Speise gibt, werde ich essen.“ Der andre aber aß immer zu, ohne ein Wort zu sagen. Nun kam dem jungen Brahmanen folgender Gedanke: „Dieser Candala isst alles auf, ohne mir etwas zu sagen. Ich muss ihn anbetteln, dann von dem erhaltenen Almosen das Äußere der übriggelassenen Speise entfernen und den Rest verzehren.“

So tat er und verzehrte die übriggebliebene Speise. Sobald er sie aber verzehrt hatte, dachte er: „Ich habe etwas getan, das meiner Kaste, meiner Herkunft, meiner Familie, meinem Range nicht entspricht; ich habe die von einem Angehörigen der untersten Kaste übriggelassene Speise verzehrt.“ Und es befielen ihn schwere Gewissensbisse. Sogleich kam ihm die Speise mit Blut vermischt wieder zum Munde heraus. In seinem großen Schmerze klagte er: „Ach um einer Kleinigkeit willen habe ich eine unziemliche Tat begangen“; und er sprach folgende erste Strophe:

§1. „Das wen'ge Weggeworfene,

auch das gab er uns nur mit Mühe.

Aus der Brahmanenkaste stamm ich;

was ich verzehrt, musst' ich erbrechen.“

Nachdem der junge Brahmane so gejammert, dachte er: „Was soll ich noch am Leben bleiben, da ich eine solch unziemliche Tat begangen?“ Und er ging in den Wald, zeigte sich vor niemand mehr und starb in der Verlassenheit.

 

§A2. Nachdem der Meister diese Begebenheit aus der Vergangenheit erzählt hatte, fuhr er fort: „Gerade so wie, ihr Mönche, der junge Brahmane Satadhamma, als er das von dem Candala Weggeworfene verzehrte, keine Freude und keine Befriedigung dadurch fand, weil er eine für ihn unpassende Speise verzehrt hatte, so findet auch der, welcher in dieser meiner Lehre Mönch geworden ist, wenn er durch unrechten Erwerb sich den Lebensunterhalt verschafft und die Hilfsmittel genießt, so wie er sie erhält, dadurch keine Freude und keine Befriedigung, weil er eine von Buddha verworfene und tadelnswerte Lebensweise hat.“ Nach diesen Worten sprach er, der völlig Erleuchtete, folgende zweite Strophe:

§2. „Wer so zuwider lebt der Lehre,

wer gegen die Bestimmung lebt,

der freuet sich wie Satadhamma

der Gabe nicht, die er erhält.“

 

§C. Nachdem der Meister so diese Lehrunterweisung beendigt und die vier Wahrheiten verkündigt hatte, verband er das Jataka mit folgenden Worten (am Ende der Verkündigung der Wahrheiten aber gelangten viele Mönche zur Frucht der Bekehrung usw.): „Damals war ich dieser Candala-Sohn.“

Ende der Erzählung von Satadhamma


[1] Das Wort „pahena“ kann hier nicht die gewöhnliche Bedeutung „Geschenk“ haben, sondern es muss einen ähnlichen Sinn geben wie die Wörter vor und nach ihm, Rouse lässt das Wort unübersetzt.

[2] Diesen Namen führt das 68. und das 237. Jataka. Doch fehlt in beiden eine Beziehung auf  diese Geschichte.

[3] Vgl. Jataka 73 Anm. 4. [Die vier Hilfsmittel sind: Kleidung, Nahrung, Sitzgelegenheit, Arznei.]

[4] So heißen in den buddhistischen Texten die Angehörigen der niedrigsten Kaste.


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