Jātakam, Wiedergeburtsgeschichten

171. Die Erzählung von dem heiligen Wort (Kalyanadhamma-Jataka)

„Sobald, o Völkerfürst, ein heilig' Wort“

 

§A. Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf eine taube Schwiegermutter. Zu Savatthi nämlich war ein Gutsbesitzer; der war gläubig, bekehrt, hatte zur Dreiheit seine Zuflucht genommen und beobachtete die fünf Gebote. Eines Tages nahm er viele Hilfsmittel wie zerlassene Butter u. dgl., sowie Blumen, Parfüms, Gewänder u. dgl. mit und ging weg, um im Jetavana bei dem Meister die Lehre zu hören. — Als er dorthin gegangen war, nahm seine Schwiegermutter feste und flüssige Speise und ging in sein Haus, da sie ihre Tochter besuchen wollte. Sie war aber etwas taub von Natur. Als sie mit ihrer Tochter zusammen gespeist hatte, bekämpfte sie die nach dem Mahle entstehende Müdigkeit und fragte ihre Tochter: „Liebe, lebt dein Gatte in Eintracht und Liebe mit dir?“ Jene antwortete: „Mutter, was sagt Ihr? Wie Euer Schwiegersohn in seinem Wandel und in seinem Benehmen ist, von solcher Beschaffenheit ist selbst ein Mönch schwer zu finden.“

Die Laienschwester verstand aber die Antwort ihrer Tochter nicht richtig, sondern erfasste nur das Wort „Mönch“ und sie fing an, laut zu schreien: „Liebe, warum ist dein Gatte Mönch geworden?“ Die Bewohner des Hauses hörten sie und riefen alle: „Ach, unser Gutsherr ist Mönch geworden.“ Als die Vorübergehenden ihre Stimme hörten, fragten sie an der Tür: „Was ist denn dies?“ Sie erhielten zur Antwort: „In diesem Hause ist der Besitzer Mönch geworden.“

Als aber jener Gutsbesitzer die Lehre des mit den zehn Kräften Ausgestatteten angehört hatte, hatte er das Kloster verlassen und war in die Stadt zurückgekehrt. Unterwegs sah ihn ein Mann und sagte: „Lieber, du bist ja Mönch geworden; in deinem Hause jammert darüber dein Weib und Kind und dein ganzes Gesinde.“ Da kam jenem folgender Gedanke: „Dieser sagt zu mir, der ich nicht Mönch bin, ich sei Mönch geworden. Ein heiliges Wort ist mir geworden; das darf ich nicht ungültig machen. Heute noch kommt es mir zu, Mönch zu werden.“ Und er kehrte von dort zurück zum Meister. Als dieser ihn fragte: „Warum, Laienbruder, kommst du wieder, nachdem du die Buddha-Aufwartung gemacht und weggegangen bist?“, erzählte er ihm diese Begebenheit und fügte hinzu: „Herr, ein heiliges Wort ist mir geworden; das darf ich nicht ungültig machen. Darum komme ich zurück und möchte Mönch werden.“ Darauf wurde er in den Mönchsstand aufgenommen und empfing die Weihe; und da er rechten Wandel führte, gelangte er bald darauf zur Heiligkeit.

Dies Ereignis wurde aber unter der Mönchsgemeinde bekannt. Eines Tages begannen die Mönche in der Lehrhalle folgendes Gespräch: „Freund, der Gutsbesitzer so und so wurde Mönch, da er dachte, das ihm gewordene heilige Wort dürfe nicht ungültig gemacht werden, und jetzt ist er zur Heiligkeit gelangt.“ Da kam der Meister und fragte: „Zu welcher Unterhaltung, ihr Mönche, habt ihr euch jetzt hier versammelt?“ Als sie antworteten: „Zu der und der“, sprach er: „Ihr Mönche, auch in der Vorzeit schon dachten Weise: ‘Das uns zuteil gewordene heilige Wort darf nicht zunichte werden’, und verließen darum die Welt.“ Nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

 

§B. Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, wurde der Bodhisattva in der Familie des Großkaufmanns wiedergeboren. Nachdem er herangewachsen war, gelangte er nach dem Tode seines Vaters zu der Großkaufmannsstelle. Eines Tages verließ er sein Haus und ging weg, um dem Könige seine Aufwartung zu machen. Seine Schwiegermutter aber kam inzwischen in sein Haus, um ihre Tochter zu besuchen. Sie war aber von Natur etwas schwerhörig und so weiter gerade wie in der Erzählung aus der Gegenwart. —

Als er aber, nachdem er dem Könige seine Aufwartung gemacht hatte, nach Hause zurückkehrte, sah ihn ein Mann und sagte: „Ihr habt ja die Welt verlassen; in Eurem Hause herrscht darob großer Jammer.“

Da dachte der Bodhisattva: „Das mir gewordene heilige Wort darf ich nicht ungültig machen.“ Und er kehrte von dort um und kam zum Könige zurück. Als dieser ihn fragte: „Wie, o Großkaufmann, nachdem du eben weggegangen, bist du wiedergekommen?“, antwortete er: „O Fürst, in meinem Hause jammern die Leute über mich, dass ich, der ich doch nicht die Welt verließ, die Welt verlassen habe. Das mir zuteil gewordene heilige Wort aber darf ich nicht ungültig machen. Ich will die Welt verlassen; gib mir die Erlaubnis dazu.“ Und indem er diese Sache verkündete, sprach er folgende Strophen:

§1. „Sobald, o Völkerfürst, ein heilig Wort

auf dieser Welt in aller Ohren dringt,

schreckt nicht davor zurück ein weiser Mann;

aus Scham die Weisen nehmen an das Joch.

 

§2. Dies wurde heute hier von mir bekannt;

ein heilig Wort, o Fürst, ist hier erklungen.

Mit Rücksicht darauf möchte Mönch ich werden;

denn nicht hab ich Gefallen mehr an Lüsten.“

Nachdem der Bodhisattva mit diesen Worten von dem König die Erlaubnis zum Verlassen der Welt erbeten, begab er sich nach dem Himalaya und betätigte die Weltflucht der Weisen. Er erlangte die Erkenntnisse und die Vollkommenheiten und ging darauf in die Brahma-Welt ein.

 

§C. Nachdem der Meister diese Lehrunterweisung beschlossen hatte, verband er das Jataka mit folgenden Worten: „Damals war der König Ananda, der Großkaufmann von Benares aber war ich.“

Ende der Erzählung von dem heiligen Wort


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