Jātakam, Wiedergeburtsgeschichten

137. Die Erzählung von der Katze (Babbu-Jataka)

„Wo eine Katze etwas kriegt“

 

§A. Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Bezug auf die Lehrvorschrift wegen der Kana-Mutter [1]. Zu Savatthi nämlich lebte eine Laienschwester namens Kana-Mutter [1a], nur bekannt durch ihre Tochter [2]; sie war bekehrt und eine edle Schülerin. Diese gab ihre Tochter Kana einem Manne von gleichem Range in einem Dörfchen zur Frau. —

Kana besuchte einmal aus irgend einem Grunde das Haus ihrer Mutter. Nach einigen Tagen schickte ihr Gemahl einen Boten: „Kana soll kommen; ich wünsche, dass Kana kommt.“ Als Kana die Worte des Boten vernommen, fragte sie ihre Mutter: „Mutter, soll ich gehen?“ Die Kana-Mutter erwiderte: „Warum sollst du, nachdem du so lange Zeit hier verweilt, nicht befriedigten Herzens gehen?“ Und sie backte Kuchen.

In diesem Augenblicke kam ein Mönch auf seinem Almosengange in ihr Haus. Die Laienschwester ließ ihn Platz nehmen und gab ihm einen Kuchen, der seine Almosenschale füllte. Als er das Haus verließ, teilte er es einem andern mit, dem sie ebensoviel gab. Auch dieser sagte es einem andern, als er aus dem Hause herauskam, usw., bis sie vier Leuten Kuchen gegeben hatte. Dabei nahmen aber die Kuchen, wie sie dieselben bereitet hatte, ein Ende und für Kana kam das Weggehen nicht zu Stande. Darauf schickte ihr Gemahl einen zweiten und einen dritten Boten. Als er den dritten schickte, fügte er die Meldung bei: „Wenn Kana nicht zurückkehrt, werde ich eine andre zur Frau nehmen.“ Dreimal aber kam ihr Weggehen auf diese Weise nicht zu Stande. Darauf führte Kanas Gemahl eine andre Gattin heim. Als Kana diese Begebenheit vernahm, stand sie auf und weinte.

Als der Meister von dieser Begebenheit Kunde erhielt, kleidete er sich zur Vormittagszeit an, nahm Almosenschale und Obergewand und begab sich nach dem Hause der Kana-Mutter. Nachdem er sich auf einem hergerichteten Sitze niedergelassen, fragte er die Kana-Mutter: „Warum weint diese Einäugige?“ Als er vernahm: „Aus dem und dem Grunde“, tröstete er die Kana-Mutter und verkündigte ihr die Lehre; darauf erhob er sich von seinem Sitze und kehrte in das Kloster zurück. —

Es wurde aber unter der Mönchsgemeinde bekannt, dass die vier Mönche dreimal die Kuchen, so viele ihrer zubereitet waren, genommen und jene so am Weggehen gehindert hätten. Eines Tages nun begannen die Mönche in der Lehrhalle folgendes Gespräch: „Freund, dadurch dass die vier Mönche dreimal den von der Kana-Mutter gebackenen Kuchen verzehrten und so die Einäugige am Weggehen hinderten, wurde die große Laienschwester [3] in großes Leid versetzt, indem infolge davon ihre Tochter von ihrem Gatten verstoßen wurde.“ Da kam der Meister und fragte: „Zu welcher Unterhaltung, ihr Mönche, habt ihr euch jetzt hier niedergelassen?“ Als ihm geantwortet wurde: „Zu der und der“, sprach er: „Nicht nur jetzt, ihr Mönche, haben diese vier Mönche das Eigentum der Kana-Mutter verzehrt und ihr dadurch Kummer bereitet, sondern auch früher schon bereiteten sie ihr Kummer.“ Und nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

 

§B. Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, nahm der Bodhisattva in einer Steinmetzfamilie seine Wiedergeburt; und als er herangewachsen war, war er sehr erfahren in seiner Kunst. — Im Reiche Kasi aber war in einem Flecken ein sehr vermögender Großkaufmann. Er hatte vierhundert Millionen Goldes versteckt. Als aber dessen Gattin starb, wurde sie durch ihre Geldliebe so beherrscht, dass sie als eine über dem Gelde lebende Maus ihre Wiedergeburt nahm. Allmählich nahm so diese ganze Familie ein Ende und starb aus. Auch das Dorf ging zugrunde und wurde verödet.

An der Stelle aber, wo früher das Dorf gestanden, brach der Bodhisattva Steine und bearbeitete sie. Als nun die Maus, wenn sie ihr Futter suchte, immer wieder den Bodhisattva sah, wurde sie von Liebe zu ihm erfüllt und dachte: „Ich besitze viel Geld; wenn man es nicht benützt, wird es zugrunde gehen. Ich will mich mit ihm zusammentun und so das Geld verzehren.“ Und eines Tages fasste sie ein Kahapana mit den Zähnen und ging zum Bodhisattva hin. Als dieser sie sah, redete er sie freundlich an und sprach: „Liebe, warum kommst du mit einem Kahapana zu mir?“ Sie antwortete: „Lieber, nimm dies und verzehre es; bringe aber auch mir Fleisch dafür.“ Er gab mit dem Worte: „Gut“, seine Zustimmung, ging mit dem Kahapana nach Hause und kaufte für ein Masaka [4] Fleisch; dies brachte er zu ihr und gab es ihr. Sie nahm es, ging damit in ihre Wohnung und verzehrte es nach Belieben. Von da an gab sie dem Bodhisattva Tag für Tag ein Kahapana und er brachte ihr dafür Fleisch.

Eines Tages aber wurde die Maus von einer Katze gefangen. Darauf sprach sie zu ihr: „Liebe, töte mich nicht.“ „Warum?“, antwortete die andere, „ich bin hungrig und möchte Fleisch fressen. Ich muss dich unbedingt töten.“ Die Maus versetzte: „Wie aber, möchtest du nur an einem Tage Fleisch fressen oder beständig?“ „Wenn ich es bekomme, möchte ich beständig Fleisch fressen.“ „Wenn es sich so verhält, werde ich dir beständig Fleisch verschaffen; nur lasse mich los.“ Die Katze aber ließ sie los mit den Worten: „Sei also eifrig!“ — Von da an machte die Maus von dem ihr gebrachten Fleisch zwei Teile; den einen gab sie der Katze, den andern fraß sie selbst.

Eines Tages aber fing sie wieder eine andre Katze und auch diese überredete sie durch dasselbe Mittel, sie loszulassen. Von da an machte sie drei Teile, die sie verzehrten. Wiederum fing sie eine andre Katze und auch diese überredete sie ebenso sie freizugeben. Von da an machte sie vier Teile, von denen sie sich nährten. Noch eine andre Katze fing sie und diese musste von ihr durch dasselbe Mittel überredet werden, sie loszulassen. Von da an machte sie von dem Fleische fünf Teile, die die einzelnen fraßen.

Da sie selbst aber nur den fünften Teil verzehrte, wurde sie durch Nahrungsmangel bedrückt; sie wurde mager und nahm ab an Fleisch und Blut. Als der Bodhisattva sie sah, fragte er: „Liebe, warum bist du abgemagert?“ Und da sie antwortete: „Aus dem und dem Grunde“, sprach er: „Warum hast du mir dies die ganze Zeit über nicht gesagt? Ich weiß schon, was dabei zu tun ist.“ Nachdem er sie so getröstet, machte er eine Höhlung in einem Stein, der aus reinem Kristall bestand, brachte ihn herbei und sagte: „Liebe, gehe in diese Höhlung hinein und schelte alle, die kommen, mit groben Worten!“ Sie begab sich in die Höhlung und legte sich nieder.

Darauf kam die eine Katze und sprach: „Gib mir Fleisch!“ Die Maus aber schalt sie: „Holla, du Spitzbubenkatze, warum soll ich dir Fleisch bringen? Friss das Fleisch deiner Kinder!“ Die Katze, die nicht merkte, dass die Maus in der Kristallhöhlung lag, dachte in ihrem Zorne: „Ich werde die Maus packen“; und sie sprang mit Gewalt auf und stieß mit ihrer Brust an die Kristallhöhlung. Da barst ihre Brust auseinander und ihre Augen traten aus ihren Höhlen. So musste sie hier sterben und fiel zur Seite an eine verborgene Stelle. Auf dieselbe Weise kam auch die zweite und die dritte, kurz alle vier Katzen ums Leben.

Von da an war die Maus von Gefahren befreit und gab dem Bodhisattva täglich zwei oder drei Kahapanas. So schenkte sie allmählich dem Bodhisattva das ganze Geld. Die beiden aber blieben zeitlebens in unveränderter Freundschaft und gelangten dann an den Ort ihrer Verdienste.

 

§A2. Nachdem der Meister diese Begebenheit aus der Vergangenheit erzählt hatte, sprach er, der völlig Erleuchtete, folgende Strophe:

§1. „Wo eine Katze etwas kriegt,

kommt auch die zweite gleich dazu,

die dritte und die vierte auch;

so ging es bei den Katzen hier,

die durch den Stein ihr Ende fanden.“

 

§C. Nachdem der Meister so die Wahrheit verkündet hatte, verband er das Jataka mit folgenden Worten: Damals waren die vier Katzen die vier Mönche, die Maus war die Kana-Mutter; der Steinmetz aber, der die Edelsteine bearbeitete, war ich.“

Ende der Erzählung von der Katze


[1] Auf deutsch: „die Mutter der Einäugigen“.

[1a] Auf Pali: „Kanamata“.

[2] D. h. sie war nur unter dem Namen „Mutter der Einäugigen“ bekannt.

[3] Dies ist ein Ehrenname für verdiente Anhängerinnen Buddhas. Besonders wird er von Visakha gebraucht; vgl. oben Jataka 12 Anm. 14.

[4] Das Masaka ist eine kleinere Münze; vgl. Jataka 77 Anm. 9.


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