Jātakam, Wiedergeburtsgeschichten

125. Die Erzählung von Katahaka (Katahaka-Jataka)

„Viel könnte einer prahlen wohl“

 

§A. Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf einen prahlerischen Mönch.

§D. Dessen Geschichte gleicht der oben erzählten [1].

 

§B. Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, war der Bodhisattva ein sehr wohlhabender Großkaufmann. Dessen Gattin gebar einen Sohn. Auch eine seiner Sklavinnen gebar an demselben Tage einen Sohn. Die beiden wuchsen zusammen auf. Als der Großkaufmannssohn das Schreiben lernte, ging der Sklave auch mit und trug seine Tafel; so lernte er mit ihm das Schreiben. Er betrieb zwei oder drei Tätigkeiten [2]. Allmählich wurde er geschickt im Reden und war ein sehr schöner Jüngling namens Katahaka.

Als dieser nun im Hause des Großkaufmanns den Schreiberdienst versah, dachte er bei sich: „Sie werden mich nicht die ganze Zeit den Schreiberdienst versehen lassen. Wenn sie einen Fehler bei mir finden, werden sie mich schlagen, fesseln, brandmarken und mich wieder Sklavenkost verzehren lassen [3]. An der Grenze aber wohnt ein Großkaufmann, der mit unserm Großkaufmann befreundet ist. Wie, wenn ich nun gleichsam im Namen des Großkaufmanns mit einem Briefe dorthin ginge, dort sagen würde, ich sei der Sohn des Großkaufmanns, dadurch jenen Großkaufmann täuschen würde, seine Tochter bekäme und so glücklich leben könnte?“ Und er nahm selbst ein Blatt und schrieb darauf: „Ich habe meinen Sohn so und so zu dir geschickt. Eine gegenseitige Verbindung durch Vermählung ist passend für uns; darum gib diesem Jüngling deine Tochter und lasse ihn bei dir wohnen. Ich werde kommen, sobald ich Gelegenheit erhalte.“ Darauf siegelte er den Brief mit dem Siegelring des Großkaufmanns, nahm nach Belieben Geld, Wohlgerüche, Gewänder u. dgl. mit und begab sich nach der Grenze. Hier begrüßte er den Großkaufmann und trat vor ihn hin. Der Großkaufmann fragte ihn: „Woher kommst du, Lieber?“ Er antwortete: „Von Benares“, „Wessen Sohn bist du?“ „Der des Großkaufmanns von Benares.“ „Zu welchem Zwecke bist du gekommen?“ In diesem Augenblicke gab ihm Katahaka den Brief und sagte: „Leset ihn; dann werdet Ihr es erfahren.“

Als der Großkaufmann das Blatt gelesen hatte, sagte er: „Jetzt lebe ich erst“; und hocherfreut gab er ihm seine Tochter und ließ ihn dort bleiben. Groß war seine Ehrung. — Wenn nun Reisschleim, Kuchen u. dgl. oder Kleider, Parfüms u. dgl. herbeigebracht wurden, tadelte er den Reisschleim und die übrigen Dinge, indem er sagte: „So kochen sie den Reisschleim, so Kuchen und Reisbrei; ach, es sind ja Grenzbewohner.“ Auch diejenigen, welche die Kleider verfertigten usw., tadelte er mit den Worten: „Diese Leute verstehen, weil sie an der Grenze wohnen, nicht, die Gewänder zu falten, Wohlgerüche auszusprengen, Blumen zu winden.“ —

Als aber der Bodhisattva den Sklaven nicht mehr sah, sagte er: „Man sieht Katahaka nicht mehr; wohin ist er gegangen? Sucht ihn!“ Und er schickte nach allen Seiten hin Leute aus. Einer von diesen kam an jenen Ort, sah und erkannte ihn; er ließ sich aber selbst nicht sehen, sondern kehrte um und teilte es dem Bodhisattva mit. Als der Bodhisattva die Begebenheit erfuhr, dachte er: „Etwas Unpassendes hat er getan; ich will dorthin gehen und ihn wieder mit zurücknehmen.“ Und er verabschiedete sich vom Könige und zog mit großem Gefolge fort. — Überall wurde es bekannt, dass der Großkaufmann nach der Grenze reise. Als Katahaka hörte, der Großkaufmann werde kommen, dachte er: „Er kommt aus keinem andern Grunde; er muss nur meinetwegen kommen. Wenn ich aber davonlaufe, werde ich nicht hierher zurückkehren können. Es gibt aber ein Mittel: Ich will meinem Herrn entgegengehen, bei ihm Sklavendienste tun und ihn dadurch versöhnen.“ Von da an sagte er inmitten der Versammlung [4]: „Andere törichte Leute kennen infolge ihrer Torheit nicht den Vorzug der Eltern; sie erweisen ihnen zur Zeit des Mahles keine Ehrung, sondern speisen mit ihnen zusammen. Wir aber bringen, wenn die Eltern speisen, einen Krug herbei, wir bringen einen Spucknapf herbei, wir bringen Schüsseln herbei, wir holen Wasser und einen Fächer und warten ihnen damit auf.“ So setzte er alle Dienste auseinander, welche die Sklaven ihren Herren verrichten müssen, auch den, dass sie zur Zeit, wo man seine körperlichen Geschäfte besorgt, mit einem Wasserkruge an einen verborgenen Ort gehen.

Nachdem er so die Versammlung belehrt hatte und die Zeit herankam, da der Bodhisattva in die Nähe der Grenze kommen sollte, sprach er zu seinem Schwiegervater: „Vater, mein Vater kommt, um Euch zu besuchen. Lasset feste und flüssige Speise herrichten; ich will ein Geschenk mitnehmen und ihm entgegengehen.“ Jener gab mit dem Worte: „Gut“, seine Zustimmung. Darauf ging Katahaka mit viel Geschenken und einem großen Gefolge hin, begrüßte den Bodhisattva und gab ihm die Geschenke. Der Bodhisattva nahm die Geschenke an und begann mit ihm eine liebenswürdige Unterhaltung. Zur Zeit des Frühstücks schlug er ein Lager auf und ging, um seine körperlichen Geschäfte zu besorgen, an einen verborgenen Ort. Katahaka ließ sein Gefolge umkehren und ging mit einem Wasserkrug zum Bodhisattva hin. Als er die Reinigung beendigt hatte, fiel er dem Bodhisattva zu Füßen und sagte: „Herr, ich will Euch Geld geben, so viel Ihr wollt; aber vernichtet nicht meine Ehre.“ Durch seine Dienstfertigkeit befriedigt, tröstete ihn der Bodhisattva mit den Worten: „Fürchte dich nicht, von mir aus steht dir kein Hindernis im Wege“; und er zog in die Grenzstadt. Hier wurde ihm große Ehrung zuteil. Auch Katahaka versah beständig bei ihm Sklavendienste. — Eines Tages aber sprach der Grenzgroßkaufmann zu ihm, als er behaglich dasaß: „O Großkaufmann, als ich Euren Brief sah, habe ich Eurem Sohne meine Tochter gegeben.“ Da machte der Bodhisattva den Katahaka gleichsam zu seinem Sohn, sprach ein angemessenes liebes Wort und beruhigte so den Großkaufmann. Von da an aber war er nicht mehr im Stande, das Antlitz des Katahaka anzuschauen.

Eines Tages nun rief das große Wesen die Tochter des Großkaufmanns herbei und sprach: „Komm, meine Tochter, suche auf meinem Kopfe die Läuse!“ Als sie herbeikam und bei ihm stehend die Läuse suchte, sprach er liebe Worte zu ihr und sagte: „Ist mein Sohn in Freud und Leid liebevoll gegen dich, lebt ihr zwei in Einigkeit und Eintracht?“ Sie erwiderte: „Vater, der Sohn des Großkaufmanns hat sonst keinen Fehler, nur tadelt er das Essen.“ Darauf erwiderte der Bodhisattva: „Meine Tochter, beständig hat er ein so schlechtes Betragen. Ich will dir aber einen Zauberspruch mitteilen, der ihm den Mund schließt. Lerne ihn gut; und wenn mein Sohn zur Essenszeit tadelt, dann tritt vor ihn hin und sage, wie du es gelernt hast.“ Und er ließ sie eine Strophe erlernen; und nachdem er noch einige Tage dort verweilt hatte, kehrte er nach Benares zurück. Katahaka nahm viel feste und flüssige Speisen mit und begleitete ihn; dann gab er ihm viel Geld, grüßte ihn und kehrte zurück. — Seitdem der Bodhisattva aber weggegangen war, wurde jener sehr übermütig. Als nun eines Tages die Großkaufmannstochter Speise von vorzüglichem Wohlgeschmack herbeibrachte und sie ihm mit einem Löffel anbot, fing er an, die Speise zu tadeln. Da sprach die Großkaufmannstochter in der Art, wie sie es vom Bodhisattva erlernt hatte, folgende Strophe:

§1. „Viel könnte einer prahlen wohl,

nachdem in andres Land er kam.

Wenn jener aber wiederkehrt,

so richtet er zugrunde dich.

Verzehr dein Mahl, Katahaka.“

Da dachte Katahaka: „Gewiss wird der Großkaufmann meinen Namen genannt und ihr alles erzählt haben.“ Und von da an getraute er sich nicht mehr, das Essen zu tadeln, sondern verzehrte es demütig, wie er es bekam, und gelangte dann an den Ort seiner Bestimmung.

 

§C. Nachdem der Meister diese Lehrunterweisung beendigt hatte, verband er das Jataka mit folgenden Worten: „Damals war Katahaka der prahlerische Mönch, der Großkaufmann von Benares aber war ich.“

Ende der Erzählung von Katahaka


[1] Damit ist wohl die Vorgeschichte zum 80. Jataka gemeint.

[2] D. h. seine Dienstleistungen als Sklave waren verschiedener Art.

[3] D. h. ihm die bevorzugte Stellung, die er bekleidet, nehmen und ihn wieder zum gewöhnlichen Sklaven machen.

[4] Nämlich seiner Hausgenossen und Verwandten.


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