Jātakam, Wiedergeburtsgeschichten

122. Die Erzählung von dem Toren (Dummedha-Jataka)

„Wenn Ruhm erworben hat der Tor“

 

§A. Dies erzählte der Meister, da er im Vejuvana verweilte, mit Beziehung auf Devadatta. In der Lehrhalle redeten nämlich die Mönche von der Untugend des Devadatta mit folgenden Worten: „Freund, Devadatta kann, wenn er das dem Vollmond an Herrlichkeit gleichende Antlitz des Vollendeten und seine mit den achtzig kleineren und den zweiunddreißig größeren Buddha-Abzeichen [1] geschmückte, auf ein Klafter von Glanz umgebene, vom Stirnkranz paarweise starke Buddhastrahlen aussendende, außerordentlich herrliche Erscheinung anschaut, doch nicht sein Herz zu ihm bekehren, sondern ist auf ihn neidisch. Wenn man sagt: ‘Die Buddhas sind ausgerüstet mit solcher Tugend, mit solchem Frieden, solchem Wissen, solcher Erlösung und Einsicht von der Erkenntnis der Erlösung’, so kann er dieses Lob nicht ertragen, sondern empfindet Neid darüber.“ Da kam der Meister und fragte: „Zu welcher Erzählung, ihr Mönche, habt ihr euch jetzt hier niedergelassen?“ Als sie erwiderten: „Zu der und der“, sprach er: „Nicht nur jetzt, ihr Mönche, ist Devadatta neidisch, wenn mein Lob verkündet wird, sondern auch schon früher war er so“; und nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

 

§B. Als ehedem im Reiche Magadha in der Stadt Rajagaha ein König von Magadha regierte, nahm der Bodhisattva im Elefantengeschlecht seine Wiedergeburt. Er war ganz weiß und ausgestattet mit aller Schönheit, wie sie oben geschildert ist [2]. Der König aber machte ihn zu seinem Leibelefanten, weil er merkte, dass er mit den dazu notwendigen Kennzeichen ausgestattet war. — Als nun einmal an einem Festtage die ganze Stadt wie eine Götterstadt geschmückt war, bestieg der König seinen mit allem Schmuck gezierten Leibelefanten und umfuhr mit großem königlichem Pompe von rechts die Stadt. Eine große Menge von Menschen, die allenthalben standen, priesen, als sie den mit höchster Schönheit ausgezeichneten Körper des Elefanten sahen, den königlichen Elefanten mit folgenden Worten: „Seht die Schönheit, seht den Gang, seht die Anmut, seht die Fülle der Kennzeichen! Ein solcher ganz weißer Elefant passt für einen weltbeherrschenden König.“

Als der König das Lob seines Leibelefanten hörte, konnte er nicht an sich halten, sondern wurde mit Neid erfüllt und dachte: „Heute noch werde ich ihn vom Abhang des Berges hinabstürzen und ihn so ums Leben bringen.“ Und er ließ den Elefantenlehrer herbeirufen und fragte: „Hast du etwas getan, um diesen Elefanten abzurichten?“ Jener versetzte: „Er ist gut abgerichtet, Herr.“ „Er ist nicht gut abgerichtet, sondern schlecht.“ „Er ist gut abgerichtet.“ „Wenn er gut abgerichtet ist, kannst du ihn dann auf den Gipfel des Berges Vepulla hinaufsteigen lassen?“ „Ja, Herr.“ „Gehe also hin.“ Damit stieg er selbst herab, ließ den Elefantenlehrer hinaufsteigen und ging nach dem Berge hin.

Nachdem der Elefantenlehrer sich auf den Rücken des Elefanten gesetzt und diesen auf den Gipfel des Berges Vepulla hatte hinaufsteigen lassen, stieg der König selbst, umgeben von der Schar seiner Minister, auf den Gipfel des Berges, ließ den Elefanten sich dem Abgrund zukehren und sprach dann: „Du sagst, du habest ihn gut abgerichtet; lass ihn darum auf drei Füßen stehen!“ Der Elefantenlehrer setzte sich auf den Rücken des Elefanten und gab ihm mit dem Stachel ein Zeichen, er solle sich auf drei Füße stellen. Darauf sagte der König: „Lass ihn sich auf seine beiden Vorderbeine stellen!“ Das große Wesen hob die zwei Hinterbeine auf und stellte sich auf die Vorderbeine. Als dann der König sagte: „Jetzt auf die Hinterbeine“, hob er die beiden Vorderbeine auf und stellte sich auf die Hinterbeine. Hierauf sagte der König: „Jetzt auf ein Bein“, und der Elefant hob drei Beine in die Höhe und stand auf einem. Als aber der König merkte, dass jener nicht hinabfalle, sagte er: „Wenn du es kannst, so stehe in der Luft.“

Da dachte der Lehrer: „Auf dem ganzen Jambu-Erdteil ist kein so gut abgerichteter Elefant wie dieser. Unzweifelhaft will ihn dieser in den Abgrund stürzen und so den Tod finden lassen.“ Und er sagte ihm ins Ohr: „Lieber, dieser König wünscht, dich zu töten. Du passt nicht für ihn. Wenn du die Kraft besitzest, durch die Luft zu fliegen, so fliege mit mir, wie ich auf dir sitze, durch die Luft und begib dich nach Benares.“ Infolge seiner durch reines Leben erzeugten Wunderkraft stand in diesem Augenblick der Bodhisattva in der Luft. Darauf sagte der Elefantenlehrer: „O Großkönig, dieser Elefant, der infolge reinen Lebens voll ist von Wunderkraft, passt nicht für einen so wenig reinen, unverständigen Mann. Er passt für einen weisen König voll Reinheit. Solche Leute wie du, die so wenig rein sind, verlieren, wenn sie ein solches Reittier erhalten, sowohl das Reittier, weil sie seine Vorzüge nicht verstehen, als auch ihren sonstigen Ruhm und Glanz.“ Und nach diesen Worten sprach er, auf dem Rücken des Elefanten sitzend, folgende Strophe:

§1. „Wenn Ruhm erworben hat der Tor,

dann bringt er selbst zu Schaden sich;

für sich und auch für andere

verursacht er nur Schädigung.“

Nachdem er so mit dieser Strophe dem Könige die Wahrheit verkündigt, sagte er: „Bleibe jetzt in der Luft“; und der Elefant flog in die Luft empor, begab sich nach Benares und blieb im Hofe des Königs in der Luft stehen. Die ganze Stadt erregte sich und wurde erfüllt von Geschrei: „Zu unserm Könige kam ein herrlicher Elefant durch die Luft und steht im Hofe des Königs.“ Man teilte es rasch dem Könige mit. Der König kam heraus und sprach: „Wenn du gekommen bist, um mir eine Freude zu machen, so stelle dich auf die Erde.“ Der Bodhisattva stellte sich auf die Erde. Der Lehrer stieg herab und begrüßte den König; und als er gefragt wurde: „Woher bist du gekommen, Lieber?“, antwortete er: „Von Rajagaha“, und erzählte die Begebenheit. Darauf sagte der König: „Schön hast du gehandelt, dass du hierher gekommen bist“; und hocherfreut ließ er die Stadt schmücken, machte den Elefanten zu seinem Leibelefanten und teilte sein ganzes Reich in drei Teile. Den einen gab er dem Bodhisattva, den andern dem Lehrer, den dritten nahm er für sich selbst. — Seitdem aber der Bodhisattva gekommen, kam die Herrschaft über den ganzen Jambu-Erdteil in den Besitz des Königs. Nachdem er so der oberste König auf dem Jambu-Erdteil geworden war und gute Werke wie Almosen Geben u. dgl. verrichtet hatte, gelangte er an den Ort seiner Verdienste.

 

§C. Nachdem der Meister diese Lehrunterweisung beschlossen hatte, verband er das Jataka mit folgenden Worten: „Damals war der König von Magadha Devadatta, der König von Benares war Sariputta, der Elefantenlehrer war Ananda, der Elefant aber war ich.“

Ende der Erzählung von dem Toren


[1] Vgl. dazu Jataka 1 Anm. 6. [Der Buddha trägt im ganzen 32 Abzeichen an seinem Körper, die ihn von den übrigen Menschen unterscheiden.]

[2] Gemeint ist offenbar die Schilderung der Vorzüge eines Elefanten am Beginn des Jataka 72.


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