Jātakam, Wiedergeburtsgeschichten

114. Die Erzählung von Mitacinti (Mitacinti-Jataka)

„Vieldenker und auch Wenigdenker“

 

§A. Dies erzählte der Meister, als er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf zwei alte Mönche. Diese hatten nämlich auf dem Lande in einer Waldgegend die Regenzeit zugebracht; darauf richteten sie Reisevorrat her, um den Meister zu besuchen. Aber indem sie immer sagten: „Heute wollen wir gehen, morgen wollen wir gehen“, ließen sie einen Monat verstreichen. Danach richteten sie abermals Reisevorrat her und ließen wieder einen Monat und noch einen Monat vorübergehen. So ließen sie infolge ihrer Lässigkeit und ihrer Anhänglichkeit an ihren Wohnort drei Monate verstreichen. Darauf verließen sie diesen Ort, begaben sich nach dem Jetavana, legten an der passenden Stelle Almosenschale und Obergewand ab und suchten den Meister auf.

Die Mönche aber fragten sie: „Freunde, es ist lange her, dass ihr nicht zur Buddha-Aufwartung gekommen seid; warum habt ihr so lange gezögert?“ Jene erzählten die Begebenheit. Ihre Lässigkeit und Trägheit wurde aber in der Mönchsgemeinde bekannt und man begann einmal in der Lehrhalle ein Gespräch über die Trägheit dieser Mönche. Da kam der Meister und fragte: „Zu welcher Erzählung, ihr Mönche, habt ihr euch jetzt hier niedergelassen?“ Als sie antworteten: „Zu der und der“, ließ er jene rufen und fragte: „Ist es wahr, ihr Mönche, dass ihr lässig und träge seid?“ Als sie erwiderten: „Es ist wahr, Herr“, sprach er: „Nicht nur jetzt, ihr Mönche, sind diese träge, sondern auch früher schon waren sie träge und voll Liebe und Anhänglichkeit für ihren Wohnort.“ Und nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

 

§B. Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, waren im Strome von Benares drei Fische; sie hießen Bahucinti, Appacinti und Mitacinti [1]. Sie begaben sich aus dem Walde in das Bereich der Menschen. Da sprach Mitacinti zu den beiden anderen folgendermaßen: „Dieser Bereich der Menschen ist voll Angst und Gefahren; die Fischer werfen Netze, Korbnetze u. dgl. aus und fangen damit die Fische. Wir wollen wieder nach dem Walde zurückkehren.“ Die beiden anderen aber sagten infolge ihrer Trägheit und Futtergier: „Heute wollen wir gehen, morgen wollen wir gehen“, und ließen so drei Monate verstreichen.

Es warfen aber die Fischer im Flusse ihre Netze aus. Bahucinti und Appacinti schwammen vor, um Futter zu holen; infolge ihrer blinden Torheit aber merkten sie nicht die Knoten des Netzes und gelangten so in das Innere des Netzes. Mitacinti aber schwamm hinter ihnen und bemerkte die Netzknoten. Als er nun sah, dass sie in das Innere des Netzes geraten waren, dachte er: „Ich will diesen trägen, blinden Toren das Leben wieder schenken.“ Darauf gab er sich den Anschein, als sei er auf der Außenseite in das Innere des Netzes gelangt, habe das Innere des Netzes durchbrochen und sei entwischt, und ließ sich vor das Netz hinfallen, wobei er das Wasser trübte. Dann gab er sich den Anschein, als sei er in das Innere des Netzes gelangt, habe es an der hinteren Seite durchbohrt und sei entwischt; und er trübte wieder das Wasser und ließ sich hinter das Netz hinfallen. Nun dachten die Fischer, die Fische hätten das Netz zerrissen und seien davon; und sie fassten das Netz am Ende und zogen es heraus. Die beiden Fische aber befreiten sich dabei aus dem Netze und fielen ins Wasser. So erlangten sie durch Mitacinti das Leben wieder.

 

§A2. Nachdem der Meister diese Begebenheit aus der Vergangenheit erzählt hatte, sprach er, der völlig Erleuchtete, folgende Strophe:

§1. Vieldenker und auch Wenigdenker

verfingen beide sich im Netz.

Der Mäßigdenker macht' sie frei;

dort wurden ihm die zwei vereint.

 

§C. Nachdem so der Meister diese Lehrunterweisung beschlossen und die vier Wahrheiten verkündet hatte, verband er das Jataka mit folgenden Worten (am Ende der Verkündigung von den Wahrheiten gelangten die alten Mönche zur Frucht der Bekehrung): „Damals waren Vieldenker und Wenigdenker diese beiden, der Mäßigdenker aber war ich.“

Ende der Erzählung von Mitacinti


[1] Die Namen bedeuten: „der viel Denkende“, „der wenig Denkende“ und „der mäßig Denkende“.


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