Der Stromeintritt

Zweiter Teil: Die Reinheiten zum Stromeintritt

I. Tugend-Reinheit (sîlavisuddhi) (KEN: Reine Tugend)

Um überhaupt auch nur die Möglichkeit zu haben, der Lehre des Buddha zu begegnen und ihr nachzufolgen, ist bereits ein beträchtliches Maß an Vorleistung auf dem Gebiet der Tugend-Reinheit erforderlich, und zwar bereits schon in früheren Leben.[17]

1. Man muß diejenigen Mindesttugenden gepflegt haben, die einen Menschentum erreichen ließen, und dazu noch ein solches mit normalen Sinnen und intakter Verstandesfähigheit. Ferner mußte man Tugenden wie das Nichtschaden so weit geübt haben, daß man nicht schon als Kind stirbt, sondern mindestens dasjenige Alter erreicht, das einen zur Aufnahme der Lehre befähigt.

2. Nicht minder wichtig ist aber auch, daß man sich durch früheren rechten Umgang mit Weiseren die Begegnung mit der Lehre erwirkt hat. „Gar selten trifft man in der Welt ein auferwachtes Angesicht."[18] Viele, viele Weltzeitalter erscheint überhaupt kein Vollkommen Erwachter, der die Lehre verkündet.[19] Und selbst zu Lebzeiten eines solchen Meisters in seinem Land geboren zu werden, ist ein außerordentlich seltener „Glücksfall". Und die vom Erwachten genannte weitere Bedingung, daß man „die Stimme eines anderen", [20] nämlich eines Heilsgängers, hören muß, setzt für uns heute noch voraus, daß wir die Lehrreden des Buddha in einer uns verständlichen Sprache übersetzt zugänglich haben. Und in der Regel ist auch noch ein Lehrer der Lehre erforderlich, der einem in der eigenen Sprache den Inhalt aufbereitet und Brücken über Zeit und Raum schlägt. Dies alles muß man sich durch frühere Tugenden erwirkt haben, eben eine Wiedergeburt unter den besagten heilsgünstigen Umständen. Fehlt es daran, so ist dieser Mangel eines der in A VI/86 genannten drei Hindernisse zur Lehrnachfolge, nämlich hier das Hindernis als Ergebnis früheren hierfür ungünstigen Wirkens (kammavipâka).

3. Betrafen die beiden bisher genannten Voraussetzungen von Tugenden frühere Leben, so gibt es dazu auch noch Voraussetzungen, die im jetzigen Leben liegen, d.h. daß man nicht durch Wirken in diesem Leben (kamma) gehindert ist, ein weiteres der in A VI/86 genannten Hindernisse. Die gröbste Form dessen sind die fünf Untaten, die das Heil verhindern: Mord an Vater, Mutter und Heiligen, das Blut eines Vollendeten vergießen (der nicht getötet werden kann) und den einigen Orden spalten (M 115, A VI/87). Aber das sind nur die äußersten und seltensten Extreme, von denen schon eins genügt, um die Lehrnachfolge zu verhindern.[21]

Darüber hinaus ist ein jetziges Wirken erforderlich, daß man nicht durch Untugend, Rücksichtslosigkeit, Leichtsinn usw. derart in Verhältnisse verstrickt wurde, die einen für die Lehre unempfänglich machen; allerdings kann in seltenen Ausnahmefällen selbst ein Krimineller durch Umkehr zur Lehre kommen, wie das ebenso bekannte wie ungewöhnliche Beispiel des Mönches Angulimâlo zeigt (M 86).

4. An günstigen Umständen, die man sich in früheren Leben erwirkt hat, erwähnt der Erwachte sehr häufig, daß der an die Lehre Herankommende ein „Familienkind" (kulaputto) ist, in weiblicher Form eine „Familientochter" (kuladhitâ). Das bedeutet nicht Geburt in hoher Familie (uccakula), sondern nur, daß man wenigstens eine gewisse Erziehung genossen hat, ein Mindestmaß an sozialen Umgangsformen und humanen Verhaltensweisen gelernt hat, anstatt völlig wild aufgewachsen zu sein. Das bedeutete zu Lebzeiten des Buddha eine religiöse Erziehung in der vedischbrahmanischen Tradition, wie sie überwiegend in den Familien gepflegt wurde. Ayya Khemâ umschreibt diesen Begriff treffend wie folgt: „Familien, in denen die Kinder lernen, sich tugendhaft zu benehmen".[22] Nur durch frühere Tugend in der Anerkennung von solchen, die mehr wissen, erwirkt man sich, daß man in solcher Familie wiedergeboren wird, wo das Grundwissen des Zusammenlebens vorgelebt und gelehrt wird.

5. Die günstigste Voraussetzung in Tugendreinheit im jetzigen Leben aber bestand zur Zeit des Buddha darin, über die sozialen Tugenden hinaus die Tugenden der Weltüberwindung geübt zu haben, d.h. Asket (Mönch) in den Formen der brahmanischen Tradition geworden zu sein. Die fünf ersten Heiligen, die tausend Feuerpriester, die 250 Mit-Asketen Sâriputtos: Diese große Schar der frühen Heiligen hatte die asketischen Tugenden der Besitzlosigkeit und Keuschheit bereits gepflegt. Die überwiegende Mehrheit derer, die beim Buddha noch zu Lebzeiten Heilige wurden, waren eben solche Wesen, die weltüberwindende, zu Brahma führende Tugenden gepflegt und sich von der Sinnlichkeit bereits abgewandt hatten.

Dies ist zwar keine zwingende Voraussetzung, weder für den Stromeintritt noch für die Heiligkeit, aber doch eine sehr erleichternde und beschleunigende. Jedenfalls gilt:

Je tugendhafter jemand in früheren Leben gewesen war, wenn er jetzt Mensch wird (kammavipâka), und je tugendhafter und religiöser lebend er in diesem Leben war (kamma), um so leichter wird er an die Lehre kommen. Er k a n n, aber er muß nicht, denn es ist noch eine ebenso wichtige zweite Voraussetzung nötig, ohne die die relativ reine Tugend nicht ausreicht, um Nachfolger zu werden. Im Gleichnis ausgedrückt muß er auch noch die zweite Kutsche bestiegen haben.


II. Herzens-Reinheit (cittavisuddhi) 

(KEN: Reines Herz)

In der Praxis gehen Tugendläuterung (außen, sozial) und Herzensläuterung (innen, seelisch) ineinander über -- und doch gibt es einen Wechsel des Übergewichts. Wenn die Herzensläuterung zur Hauptsache wird, dann wird die zweite Kutsche des Gleichnisses bestiegen.

1. Das dritte der oben genannten drei Hindernisse der Lehr-nachfolge aus A VI/86 ist es, wenn man durch seine Triebe, seine Herzenstrübungen (kilesa) daran gehindert wird. Das bedeutet, daß die Triebe so wild, so stark, so leidenschaftlich auf die Sinnendinge gerichtet sind, daß sie der Wahrheit keinen Platz lassen. Das sind vor allem die niederen Sinnensüchte, aber auch fanatische Ansichtstriebe.

2. Das positive Gegenteil zu solcher Religionsferne nennt der Buddha, wenn er oft hervorhebt, daß ein Vertrauend-Geborener (saddhâjâtiko) zur Lehre komme. Oder er spricht von einem „verständigen Menschen" (viññupuriso) oder von einem von Natur Ehrlichen (ujujâtiko). Alle drei Ausdrücke bezeichnen einen Menschen, der Sinn für Höheres und Edleres hat, der über den Tod hinaus denkt, den religiösen Aussagen vertraut, einen geraden Sinn hat, der nicht vordergründig verbogen ist. Eine solche Herzensart hat ein solcher sich in früheren Leben erworben, und er bringt sie als wichtigste „Vererbung" in dieses Leben mit. Darum heißt es, daß er diese Eigenschaften von Geburt (jâti) an besitzt.

3. Der Erwachte nennt nun eine genaue Entwicklungsfolge, wie ein Mensch mit solcher relativ reinen Herzensart durch sein Tugendwirken der ihm begegnenden Lehre innerlich immer näherkommt: [23]

a. Da kommt ein Vertrauend-Geborener heran: Er hört und liest etwas von der Lehre des Buddha.

b. Dann gesellt er sich zu: Er geht mit den Lehrnachfolgern um, hört Vorträge, besucht Seminare, liest Lehrreden.

c. Er leiht dabei auch innerlich Gehör. Offenen Ohres hört er die rechte Lehre (saddhammasavana), ernährt sich von ihr, leistet keinen Widerstand bzw. überwindet solche Anmutungen von Mißtrauen.

d. Und er behält die Sätze im Gedächtnis, erinnert sich an die Kernaussagen, so daß er das Weltbild des Buddha „by heart" bei sich hat.

Dies alles ist die nähere Beschreibung der „Stimme eines anderen", die nun in ihm ertönt. Das wird die durch Hören gewonnene Weisheit (sutamayapaññâ) genannt, die er sich damit allmählich aneignet. Dies aber geht dann in die zweite aktivere Phase über:

e. Er reagiert nun auf die aufgenommene Weisheit mit seinem Haushalt, setzt sich mit ihr auseinander, prüft und vergleicht kritisch und aufmerksam, ob alles „Hand und Fuß" hat. Er betrachtet im inneren Zwiegespräch den Sinn des Gehörten (atth'upapa-rikkha).

f. Dann billigt er den Lehranblick (dhammanijjhâna-khanti, ditthinijjhânakhanti), erkennt ihn nach dem Prüfen als richtig an, duldet die Maßstäbe und Werturteile des Erwachten, auch wenn sie seinen Trieben mehr oder weniger widersprechen.

g. So wird nun der Wille (chando) zur Nachfolge geboren, der Wille zur Verwirklichung der neuen Werte, Maßstäbe, Anblicke, Verhaltensweisen, Ideale.

h. Und diese neue in sich geschlossene und mit der Wirklichkeit der Existenz übereinstimmende Anschauung gewinnt jetzt das Übergewicht (ussaha), verneint das Bisherige, soweit es dem widersprach, besiegt das Schiefe und Wirre und Abwegige.

Das ist die gründliche Aufmerksamkeit, die auf den Grund und die Herkunft aller Erscheinungen gehende Verarbeitung der WahrheitsLehre. Es ist die Denkart einer durch eigene Kraft gewonnenen Weisheit, die mit den mitgebrachten Ansätzen und Ahnungen der rechten Denkrichtung übereinstimmt (cinta-maya-paññâ).

4. Diese acht Schritte der Annäherung werden in einer anderen Darstellung unter dem Gesichtspunkt von vier vorbereitenden Lehren, die man „Vorschaltlehren" nennen kann, beschrieben.[24] Sie läutern allmählich das Herz, bereiten es für die tiefste Wahrheit vor, so daß es sie unbeeinflußt annehmen kann. Diese Herzensverwandlung ist der eigentliche Sinn und Zweck dieser „Stufenweisen Darlegung" (anupubbakatha) der vier Vorschaltlehren. Die gut zwei Dutzend Textstellen im Palikanon, an denen diese einführende Darlegung der noch wahnhaften rechten Anschauung als Vorbereitung auf die wahnlose stattfindet, beziehen sich ausnahmslos auf Hausner, weil diese normalerweise nicht die erforderliche Herzensreinheit und Unbedürftigkeit besitzen, die die momentane Zurückdrängung von fünf Hemmungen ermöglicht, wie gleich noch näher zu zeigen sein wird. Den Hausleuten muß der Buddha daher zunächst eine gezielte „Entwicklungshilfe" für die Seele geben. Bei andersfährtigen Pilgern, die schon Asketen waren und der Sinnlichkeit ferner standen, sowie besonders bei Buddha-Mönchen, die aber noch keine Heilsgänger geworden waren, war diese Hilfe nicht erforderlich. Beide Gruppen von Menschen hatten als mönchischbrahmisch Lebende bereits weitgehend Abstand von den sinnlichen Trieben gewonnen und konnten daher sofort direkt im Herzen angesprochen werden, weil sie eben schon Verbündete in sich hatten, die die Welt überwinden wollten. Mönchen im Orden gaben z.B. Sâriputto und Mahâmoggallâno zwecks Hinführung zum Stromeintritt Darlegungen über den weltüberhöhenden Bereich magischer Macht, die die Grenzen der Materiegläubigkeit sprengen.[25]

5. Diese vier Lehren noch wahnhafter (triebhafter) rechter Anschauung lauten:

Es ist sinnvoll, anderen etwas abzugeben, fürsorglich zu sein, sich mit ihnen Mühe zu geben beim Helfen, Zeit für Bittende zu haben. Der andere ist ja ebenso bedürftig wie ich und freut sich über Erfüllung seiner Anliegen wie ich. So verstärke ich meine latenten Neigungen zum Wohlwollen und Wohltun, zum Mitempfinden im Herzen und gebe der Liebe (mettâ) einen Ansatzpunkt.

Es ist sinnvoll, die eigenen Triebe zu zügeln, die in den Bereich des Nächsten eingreifen könnten, eben aus Mangel an Tugend. Je mehr ich die habsüchtigegoistischen Triebe, die immer mehr haben wollen und uferlos sind, kontrolliere und erziehe, um so weniger stehe ich in Gefahr, die sittlichen, ethischen Maßstäbe zu verletzen. So gewinne ich ein gutes soziales Gewissen und werde frei von Vorwürfen und Schuldgefühlen wegen Versäumnissen. Darin beschlossen ist das Wissen um das Gesetz von Saat und Ernte.[26] Wo ich tugendhaft säe, ernte ich Frieden und Harmonie innen und außen. Dabei weiß ich, daß alles, was an Widrigem an mich herantritt, durch frühere Untugend in die Welt gesetzt ist, so daß alle Vorwürfe gegen andere ihre Grundlage verlieren.

Dieses Gesetz von Saat und Ernte geht aber über die Tugenden in diesem Erdenleben weit hinaus, sowohl nach unten (Unterwelt) als auch nach oben (Himmels-Welt). Die Tugend bewirkt, daß man nach dem Tode des Fleischleibes in erheblich leidfreieren Daseinsformen wiedergeboren wird, wo es statt des so störanfälligen, schwerfälligen Fleischleibes einen lichten, feinstofflichen Leib gibt, der viel besser und langlebiger dem Herzen als Werkzeug dient.[27] Schon an diese Realität zu denken, die man erfahren kann, ist erleichternd, wohltuend, todüberwindend, ganz andere Dimensionen von Existenz vor den Blick der Weisheit rückend.

Eine noch ungleich größere Wohltat aber ist es, wenn man überhaupt von äußeren Objekten und deren Unbestand, Wandelbarkeit und Unbeherrschbarkeit unabhängig wird, d.h. vom Begierdenwohl. Es ist möglich, durch zunehmende Herzensreinheit ein selbstleuchtendes Gemüt zu erwerben, das in sich zufrieden, erhellt und befriedet ist. Das ist das brahmische Herz, das brahmischem Dasein entspricht. Der Gedanke an diese Freiheit erhebt das Herz und erweitert seine Möglichkeiten noch einmal schier unermeßlich.[28]

6. Durch eine solche Darlegung dieser vier Lehren und der ihnen entsprechenden Lebensführung mit einem zunehmend freieren und glücklicheren Herzen wird das in früheren und diesem Leben durch relative [29] Tugendreinheit und relative Herzensreinheit vorbereitete Herz des Zuhörers momentan von sinnlicher Art zu brahmischer Art erhoben, von menschlicher über göttliche zu brahmischer.

So unterschiedlich wie die chronische (mitgebrachte) oder akute (jeweilige) Herzensart des Zuhörers, sein Charakter oder Gemüt ist, ebenso unterschiedlich müssen auch die Schwerpunkte und Gesichtspunkte der jeweiligen Darlegung sein, die die besten Seiten seiner Psyche aktivieren. In solcher Psychagogik, die weit über gewöhnliche Pädagogik hinausreicht, war der Buddha Meister. Gerade wegen dieser Unterschiede ist aber keine einzige konkrete Darstellung überliefert, in welcher Weise der Erwachte jeweils die vier Lehren für den jeweiligen Zuhörer aufbereitete. Es werden nur Stichworte gegeben.

Aber dann wird eine unverzichtbare und direkt wirksame Herzenswandlung beschrieben, die wiederum nur mit kurzen Stichworten angedeutet ist, die aber alles Notwendige in sich bergen: kallacitta, muducitta, vinîvaranacitta, udaggacitta, pasannacitta.

In der bekanntesten Übersetzung, der von K. E. Neumann, lauten diese Worte: „Im Herzen bereitsam, geschmeidig, unbehindert, aufgerichtet, heiter geworden."

Dahlke übersetzt: „Im Geiste geschickt, geschmeidig, enthemmt, erheitert." (D 5: Das vierte Merkmal fehlt)

Franke sagt: „Im Geiste vorbereitet, empfänglich, der Hemmnisse ledig, freudig und dem Glauben zugeneigt." (D 3 und 5)

Seidenstücker übersetzt: „Im Geiste vorbereitet, empfänglich, frei von Hemmungen, freudig gestimmt, voll heiterer Ruhe." (Ud V/3)

Schäfer sagt: „Im Herzen bereit, sanft, von Hemmungen frei, zu seinen höchsten Möglichkeiten erhoben, befriedet." (Ud V/3)

Nyanatiloka: „Der Geist war reif, geschmeidig, ohne innere Hemmungen, in gehobener Stimmung, voller Zutrauen." (A VIII/12; in VIII/21 Vertrauen)

Schmidt: „Im Denken vorbereitet, unbehindert, aufnahmefähig." (M 56)

Oldenberg: „Die Seele war geschickt, geschmeidig, von Hemmungen frei, erhoben, gläubig gestimmt." (CV VII,3)

Es geht hierbei immer um die Psyche (Herz, Seele), nicht bloß um Geist oder Denken. Es geht um eine momentane Charakterwandlung, um eine seelische Umwandlung, eben durch das Wunder der Belehrung.[30] Alle fünf Stichworte sind dabei gleich wichtig, sind unverzichtbar, vom Erwachten voll Bedacht genannt:

Das Herz ist erstens durch die vier Vorschaltlehren jetzt bereit, empfänglich, aufnahmebereit für weiteres Edles und Hohes und Gutes, weit geöffnet für noch Weiteres an so Vortrefflichem und Wahrem wie bisher schon durch die vier Vorschaltlehren. Der Hörer ist ganz Ohr, leiht gern weiter Gehör. Sein ganzes Herz ist ausgerichtet auf das, was nun noch gesagt wird.

Zweitens ist das Herz als Kehrseite dazu nachgiebig, leicht von Falschem und Unvollkommenem und Einseitigkeit abzubringen, leicht umzulenken, ohne Widerstand und starrer Festgefahrenheit, eben „bekehrungsbereit" jederzeit für Korrekturen offen, auf die leiseste Verbesserung positiv reagierend. Insofern ist es geschmeidig, anpassungsfähig an die Wahrheit.

Drittens läßt das Herz die fünf Hemmungen [31] momentan hinter sich, sie werden latent und hindern nicht mehr aus alter Gewohnheit das Eindringen der Wahrheit. Die „unbewältigte Vergangenheit" der alten Gewöhnungen und Fixierungen ist durch die vier Vorschaltlehren wie nicht vorhanden.

Und viertens, als Kehrseite wiederum dazu, ist das Herz momentan in den brahmischen Zustand am Anfang des Äons zurückgekehrt, [32] ist wieder ein reines Herz, ein selbstleuchtendes Gemüt, das alles Wohl und Glück in sich selber hat, unbedürftig des Äußeren. Es hat sich wieder dazu erhoben, hochgezogen oder alles nach außen Projizierte wieder in sich eingezogen, und das ist die hochsinnige Freude: „Und hoher Jubel tönt im freien Geiste." (Ruysbroeck) Das Herz ist in die brahmische Heimat zurückgekehrt, die es einst aus Wahn verlassen hatte.

Nach diesen je zwei Aspekten der Zukunft (bereit für alles Edle, korrigierbar bei allem Unedlen) und der Vergangenheit (Verschwinden der Hemmungen, Wiedererscheinen der brahm-ischen Wonne) ist das Herz nun in seiner Gegenwärtigkeit sicher und abgeklärt, es liegen keine Hindernisse mehr vor und hinter ihm, nichts drängt und nichts lockt verführerisch, das Herz ist abgeklärt, wolkenlosheiter, es ist „freie Bahn" für die Lehre von der absoluten Freiheit vom Leiden.

7. Durch dieses Wunder aller Wunder, das Wunder der Belehrung, hat der Erwachte aus einem Menschen des Kâliyuga, aus einem Sinnenmenschen (allerdings mit Tugend und Herzensreinheit relativer Art) momentan einen inneren Brahma gemacht, hat ihn „vergöttlicht" im besten Sinne. Das ist die günstigste und beste Weise relativer Herzensreinheit, sozusagen mit Richtstrahlantenne zum Nirvâna.[32a] Erst damit ist die zweite Kutsche zum Heil wirklich bestiegen. Und nun kann auf dieser reinen Herzensbasis die „fünfte Lehre" eindringen, d.h. die dritte Kutsche bestiegen werden. Ohne diese Art bester relativer Herzensreinheit ist keine dritte Kutsche, keine Lehre von den vier Wahrheiten in Sicht.


[17] Die karmischen Auswirkungen von Tugend und Untugend werden ausführlich behandelt in D 30, M 135, A VIII/40, wobei besonders wichtig der Erwerb der Begegnung mit der Weisheit der Lehre ist.

In D 34 VIII werden acht ungünstige Umstände genannt, die alle durch Untugend bedingt und schwer zu vermeiden sind (in D 33 IX wird noch ein neunter Umstand genannt). Diese acht Dinge auch in A VIII/29, dort aber auch die durch Tugend bewirkten positiven Entsprechungen sowie noch durch zehn Verse erläutert.

[18] A VIII/29, Vers 2; ähnlich M 92 = Sn 559 = Thag 829.

[19] In D 14 wird berichtet, wie sogar 31 oder 60 Weltzeitalter lang kein Buddha in der Welt erschien.

[20] Vier Dinge ermöglichen den Stromeintritt: Umgang mit den rechten Menschen (den Ariya), Hören der rechten Lehre, gründliche Aufmerksamkeit, der Lehre lehrgemäß nachfolgen (D 33 IV). In zwei zusammengefaßt: Stimme eines anderen (= Lehre hören) und gründliche Aufmerksamkeit (M 43, A II/60 alt).

[21] König Ajâtasattu hatte seinen Vater ums Leben gebracht und konnte daher die Lehre nicht erfassen (D 2 am Ende). Daß seine Mutter aus Kummer darüber starb und daß er Soldaten auf Anstiftung Devadattos veranlaßte, den Buddha zu töten, sind noch keine absoluten Hindernisse, denn seine Mutter wollte er nicht umbringen, und die Mordanschläge der Soldaten kamen nicht zur Ausführung.

[22] Ich schenke euch mein Leben, München 1997, S. 218.

[23] Diese Reihe findet sich besonders in M 70 und M 95.

[24] Die vier Vorschaltlehren finden sich in der vollständigen Form beim Buddha 21mal in Lehrreden und im Vinaya. Siehe auch FN 33.

[25] Bericht im Vinaya, in Cullavagga VI,4 (3), dem Kapitel über Devadatto.

[26] Parallel zu den vier Vorschaltlehren werden, insbesondere in dem letzten der zehn Tatengänge, bei der wahnhaften rechten Anschauung vier etwas ausführlichere Angaben gemacht, die in Neumanns Übersetzung lauten: „Almosengeben, Verzichtleisten, Spenden ist kein Unsinn (wörtlich heißt es jedesmal: „es gibt"), es gibt eine Saat und Ernte guter und böser Werke; das Diesseits ist vorhanden und das Jenseits ist vorhanden, Eltern gibt es und geistige (astrale) Geburt gibt es; die Welt hat Asketen und Priester, die vollkommen und vollendet sind, die sich den Sinn dieser und jener Welt begreiflich machen, anschaulich vorstellen und erklären können." (z. B. in M 117).

[27] Siehe FN 26, die dritte Lehre: In dieser Welt gibt es Geburt durch die Eltern (Zeugung), in Jenseitswelten gibt es Geburt durch unmittelbares Erscheinen im Astralleib.

[28] Siehe FN 26, die vierte Lehre: Die Asketen und Brahmanen (Priester), die sich läuterten und höheres Wohl erlangten, erwarben dabei auch eine ganz andere „Weltanschauung", die ganz andere Daseinsformen größten Wohls einbezieht.

[29] Unserem Begriff „relativ" entsprechen am ehesten „padesa" (teilweise) und „pariyayena" (je nach dem Standpunkt).

[30] Über alle magischen Wunder, stellt der Buddha das Wunder der Belehrung.

[31] Die Aufzählung der fünf Hemmungen siehe auf S. 33.

[32] In der Rede „Voranfang" (D 27) beschreibt der Buddha, wie die Wesen, die brahmisch, mit selbstleuchtendem Gemüt bestanden, sich vergröberten, indem sie sich von „Materie" ernährten und damit vom Außen abhängig wurden.

[32a] Wenn Vimalo Kulbarz einen Artikel mit der Frage „Ist der Stromeintritt ein mystisches Erlebnis?" überschreibt, dann ist dies im Sinne des soeben Gesagten zu bejahen. Im übrigen kann auf den Artikel (BMBl 1999, Heft 4, S. 12-18) nicht näher eingegangen werden, da er erst nach Abschluß des vorliegenden Buches erschien.


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