Note 111 von Karl Eugen Neumann zu D. 33

Das planmäßige Üben der Ein- und Ausatmung gilt in der indischen Asketik, und insbesondere nach der von Gotamo genau gegebenen Weisung, als Anfang und Ende des Tugendpfades, wobei der Jünger, in wohlbedachter Pflege und Ausbildung, zum höchsten und letzten Ergebnis gelangt: allmählich, von Tag zu Tag, ja allemal von Stunde zu Stunde kann er dabei immer bessernde und immer besser wirkende Förderung in sich merken, in sich erfahren, bis «auch die letzten Atemzüge bewußt ausgehen, nicht unbewußt»: Mittlere Sammlung 462.

In der vierten Schauung nun ist dieses Ziel erreicht worden, bei Lebzeiten schon: was freilich nach gewöhnlichen Begriffen und minderer Erfahrung unmöglich scheint: was jedoch beharrliche Übung und Ausdauer vermag, ist eben gerade hier, durch das zeitweilig erreichte Aufhören der Lungen- und Herztätigkeit bei lebendigem Leibe, auch nach außen hin sicher bestätigt.

Der vollkommene Asket hat daher das Ende schon im Leben erreicht und überstanden er ist in der ohne Hangen verbliebenen Art der Erlöschung zu erlöschen gekommen, in jene ewige Stille gelangt, die eben in unserer vierten Schauung eintritt; sein Verscheiden, sein sichtbarer Tod ist nichts anderes mehr als die unmittelbar ausgeglichene vierte Schauung. Vergl. 16. Rede.

Wie dies alles nun aber mit der Pflege der bedachtsamen Ein- und Ausatmung und ihrem Ruhepunkt in der vierten Schauung auf das innigste verbunden ist, erhellt ungemein deutlich aus einer Ansprache Gotamos an die Jünger, wo solche Anschauung, Übung und Erfahrung gleichsam mit einem kräftigen Stempel gekennzeichnet wird, im Mahāvāravaggo des Samyuttakanikāyo überliefert, Ánāpānasamyuttam II,1 ed. siam. vol. V p. 317/8; ich gebe das ganze Stück:

«Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Icchānangalam, im Waldgehölz, in der Nähe des Ortes. Dort nun hat der Erhabene sich an die Mönche gewandt: <Ich wünsche, ihr Mönche, drei Monate einsam zu verbringen: niemand soll mich aufsuchen, nur wer mir von den Almosenbissen bringen mag.> - <Wohl, o Herr>, sagten da gehorsam jene Mönche zum Erhabenen; und es hat nunmehr niemand den Erhabenen aufgesucht außer dem einen, der von den Almosenbissen zu bringen hatte.

Nachdem nun diese drei Monate verflossen waren, hat der Erhabene sich aus der Einsamkeit zurückbegeben und an die Mönche gewandt: <Wenn euch, ihr Mönche, andersfährtige Pilger etwa fragen sollten: 'Was war das, ihr Brüder, für ein Zustand, den der Asket Gotamo während der Regenzeit am meisten gepflegt hat?', so mögt ihr Mönche auf solche Frage den andersfährtigen Pilgern diese Antwort geben:

'In bedachtsamer Ein- und Ausatmung einig geworden, ihr Brüder, ist der Erhabene während der Regenzeit am meisten gewesen.' Da hab' ich, ihr Mönche, bedächtig eingeatmet, bedächtig ausgeatmet.

Tief einatmend weiß ich <Ich atme tief ein>, tief ausatmend weiß ich <Ich atme tief aus>; kurz einatmend weiß ich <Ich atme kurz ein>, kurz ausatmend weiß ich <Ich atme kurz aus>; <den ganzen Körper empfindend will ich einatmen>, <den ganzen Körper empfindend will ich ausatmen>, so pfleg' ich der Übung; <diese Körperverbindung besänftigend will ich einatmen>, <diese Körperverbindung besänftigend will ich ausatmen>, so pfleg' ich der Übung; <die Auflösung wahrnehmend will ich einatmen>, <die Auflösung wahrnehmend will ich ausatmen>, so pfleg' ich der Übung; <die Entfremdung wahrnehmend will ich einatmen>, <die Entfremdung wahrnehmend will ich ausatmen>, so pfleg' ich der Übung.

Wo man da nun, ihr Mönche, das rechte Wort anwenden mag, etwa sagen <heilige Warte>, oder auch <lautere Warte>, oder auch <vollendete Warte>: bei der Einigung in bedachtsamer Ein- und Ausatmung kann man wohl das rechte Wort anwenden, etwa sagen <heilige Warte>, oder auch <lautere Warte>, oder auch <vollendete Warte>.

Die da, ihr Mönche, kämpfende Mönche sind, mit streitendem Busen die unvergleichliche Sicherheit zu erringen trachten, die werden durch Einigung in bedachtsamer Ein- und Ausatmung, wohlgeübt und gepflegt, fähig den Wahn versiegen zu lassen. Die aber da, ihr Mönche, als Mönche heilig geworden sind, Wahnversieger, Endiger, die das Werk gewirkt, die Last abgelegt, das Heil sich errungen, die Daseinsfesseln vernichtet, sich durch vollkommene Erkenntnis erlöst haben, die finden durch Einigung in bedachtsamer Ein- und Ausatmung, wohlgeübt und gepflegt, noch bei Lebzeiten eine selige Gegenwart, bei klarem Bewußtsein. Wo man da nun, ihr Mönche, das rechte Wort anwenden mag, etwa sagen <heilige Warte>, oder auch <lautere Warte>, oder auch <vollendete Warte>: bei der Einigung in bedachtsamer Ein- und Ausatmung kann man wohl das rechte Wort anwenden, etwa sagen <heilige Warte>, oder auch <lautere Warte>, oder auch <vollendete Warte.>»


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