Visuddhi Magga XXI.

8. Die Gleichmuterkenntnis hinsichtlich der Daseinsgebilde (sankhārupekkhā-ñāna)

 

Während der Übende so die Gebilde erfaßt, daß er sie als leer erkennt und bei ihnen die 3 Merkmale feststellt, bleibt er, Furcht und Neigung aufgebend, bei den Gebilden gleichmütig und nimmt keinen Anteil daran. Und nicht mehr faßt er den Gedanken des 'Ich' oder 'Mein', gerade so wie ein Mann, der seine Frau fortgejagt hat. Angenommen, da hat ein Mann eine liebreiche, reizende, angenehme Frau, ohne die er es keinen Augenblick aushalten kann und die er außerordentlich lieb hat. Wenn er nun sieht, wie diese Frau bei einem anderen Manne steht oder sitzt, oder mit ihm spricht oder lacht, so wird er aufgebracht und unzufrieden und empfindet übermäßigen Kummer. Bemerkt er aber in der Folgezeit, wie sich diese Frau eines Vergehens schuldig macht, so jagt er sie fort, um sie los zu werden, und hegt nicht mehr den Gedanken, daß sie ihm angehöre. Sieht er dann später, wie sie mit irgend jemandem etwas zu tun hat, so wird er nicht mehr aufgebracht, gerät nicht mehr in Kummer, sondern bleibt völlig gleichgültig, nimmt keinen Anteil mehr daran. Genau so auch ist es mit dem Mönche, der sich von allen Gebilden befreien möchte. Indem dieser nämlich durch Nachdenkende Betrachtung die Gebilde erforscht und daran nichts findet, was man als 'Ich' oder 'Mein' betrachten könnte, gibt er Furcht und Neigung auf und bleibt hinsichtlich aller Gebilde gleichmütig, nimmt keinen Anteil mehr daran. Während er so weiß, so erkennt, löst sein Geist sich los von

zieht sich davor zurück, wendet sich davon ab, strebt nicht mehr dahin; und Gleichmut oder Abscheu stellt sich ein. Gleichwie nämlich an einem ein wenig nach unten geneigten Lotusblatte die Wassertropfen sich loslösen, abfließen, hinabrollen und sich dort nicht mehr ausbreiten, genau so löst sich sein Geist los von den 3 Arten des Daseins, und Gleichmut oder Abscheu stellt sich ein. Auf diese Weise gilt in ihm die Gleichmuterkenntnis hinsichtlich der Daseinsgebilde als aufgestiegen.

 

Erkennt aber diese Gleichmuterkenntnis das stille Los des Nirwahns als den Frieden, so läßt sie den ganzen Vorgang der Daseinsgebilde fahren und drängt bloß noch zum Nirwahn hin. Erkennt sie aber das Nirwahn nicht als den Frieden, so nimmt sie eben immer wieder die Daseinsgebilde zum Objekte und gleicht darin der richtungsuchenden Krähe der Seefahrer. Wenn nämlich seefahrende Kaufleute ein Schiff besteigen, nehmen sie eine richtungsuchende Krähe mit sich. Sobald nun das Schiff vom Sturme gepeitscht in fremdes Gebiet treibt und das Ufer nicht mehr zu sehen ist, lassen sie die richtungsuchende Krähe los. Vom Mastbaume aus sich in die Lüfte erhebend, durchfliegt sie alle Haupt- und Zwischenrichtungen. Entdeckt sie Ufer, so fliegt sie darauf zu. Wenn nicht, so kehrt sie zurück und läßt sich wieder auf dem Mastbaume nieder. Genau so ist es mit der Gleichmuterkenntnis hinsichtlich der Gebilde. Erkennt diese das stille Los des Nirwahns als den Frieden, so läßt sie den ganzen Vorgang der Daseinsgebilde fahren und drängt bloß noch zum Nirwahn hin. Erkennt sie aber das Nirwahn nicht als den Frieden, so nimmt sie eben immer wieder die Daseinsgebilde zum Objekte.

 


3 Tore der Erlösung

Gerade wie mit dem Siebe das Mehl gesichtet oder wie die entkernte Baumwolle gekardet wird, genau so sichtet diese Hellblickerkenntnis auf mancherlei Weise die Daseinsgebilde; und indem sie dabei Furcht und Neigung fahren läßt, bleibt sie beim Prüfen der Daseinsgebilde gleichmütig und verharrt in der dreifachen Betrachtung

So verharrend, wird sie zum dreifachen Tore der Erlösung und bildet eine Bedingung zur Verschiedenartigkeit der sieben Edlen Menschen (ariya-puggala). Weil diese Erkenntnis nämlich als dreifache Betrachtung tätig ist und drei Fähigkeiten:

vorherrschend sind, darum heißt es von ihr, daß sie zum dreifachen Tore der Erlösung wird.

Die drei Betrachtungen nämlich werden als die drei Tore der Erlösung bezeichnet.

Wie es heißt (Pts. II. p. 48): "Drei Erlösungstore aber führen zum Entrinnen aus der Welt, u. zw.

Diese drei Tore der Erlösung führen zur Entrinnung aus der Welt."  


 

'Als begrenzt und beschränkt' heißt es hier auf Grund des Entstehens und Hinschwindens. Die Betrachtung der Vergänglichkeit (anicca) nämlich stellt die Begrenzung fest: 'Vor ihrem Entstehen bestanden die Gebilde noch nicht'; und indem sie ihren Fortgang sucht, erkennt sie diesen als beschränkt: 'Nach ihrem Schwinden gehen die Gebilde nicht weiter; sie kommen eben hier schon zum Schwinden'.

 

'Dadurch, daß der Geist ergriffen wird': durch Betrachtung des Elends (dukkha) nämlich wird der Geist hinsichtlich der Daseinsgebilde ergriffen.

 

'Dadurch, daß alle Dinge als etwas Fremdes erkannt werden': d. i. daß sie als unpersönlich (anattā) erkannt werden, als Nicht-Ich, als Nicht-Mein.

 

Somit hat man diese drei Aussagen als im Sinne der Betrachtung der Vergänglichkeit, des Elends und der Unpersönlichkeit gesagt zu betrachten. Darum wird unmittelbar darauf als Antwort auf die Frage (,wie dem die Gebilde als vergänglich Erwägenden die Daseinsgebilde erscheinen') gesagt (Pts. II. p. 48): "Wer die Gebilde als vergänglich erwägt, dem erscheinen die Gebilde als ein Hinsiechen; wer sie als elend erwägt, dem erscheinen sie als Schrecken; wer sie als unpersönlich erwägt, dem erscheinen sie als leer."

 

Welches aber sind die Erlösungen, zu denen diese Betrachtungen die Tore bilden? Diese drei sind es:

Gesagt nämlich wurde (ib.58):

 

 

Hierbei nun gilt als Bedingungslose Erlösung der Edle Pfad (ariya-magga), weil dieser eben dadurch entstanden ist, daß man das als das 'Bedingungslose' geltende Nirwahn zum Objekt genommen hat. Weil dieser Pfad nämlich auf Grund des Bedingungslosen Elementes aufgestiegen ist, gilt er als 'bedingungslos'; weil er von den befleckenden Leidenschaften befreit ist, gilt er als 'Erlösung'. In derselben Weise gilt er als 'wunschlos', weil er dadurch entstanden ist, daß man das als das Wunschlose geltende Nirwahn zum Objekt genommen hat; als 'leer', weil er dadurch entstanden ist, daß man das als Leerheit geltende Nirwahn zum Objekt genommen hat. So ist dies zu verstehen.

 

Im Abhidhamma (Dhs.§5l0) wird zwar bloß von zwei Arten der Erlösung gesprochen: "Zu einer Zeit, wo man die zur Entrinnung und zur Abschichtung führende überweltliche Vertiefung entfaltet, um die Ansichten zu überwinden und die erste Stufe der Heiligkeit zu erreichen, und man abgesondert von den sinnlichen Dingen die erste Vertiefung, die wunschlose, die leere, erreicht hat und darin verweilt ..." Dies aber gilt im absoluten Sinne, und zwar mit Rücksicht auf den Zugang der Hellblickerkenntnis (zum Pfad). Die Hellblickerkenntnis nämlich ist, da sie die als Bedingungen geltenden Gebilde noch nicht hat fahren lassen, nicht im absoluten Sinne frei von Daseinsbedingungen; wohl aber ist sie im absoluten Sinne 'leer' und 'wunschlos', wenn es auch im Patisambhidā-Magga (II. p. 67, 68) heißt:

 

"Weil die in der Vergänglichkeitsbetrachtung bestehende Erkenntnis vom Haften an der Unvergänglichkeitsansicht befreit, darum gilt sie als Leerheitserlösung. Weil die in der Elendbetrachtung bestehende Erkenntnis vom Haften an der Glücksansicht befreit, darum gilt sie als die Leerheitserlösung. Weil die in der Unpersönlichkeitsbetrachtung bestehende Erkenntnis vom Haften an der Persönlichkeitsansicht befreit, darum gilt sie als die Leerheitsbetrachtung." Somit wird die Erkenntnis, insofern sie vom Haften befreit, als Leerheitserlösung bezeichnet.

 

Ferner: "Weil die in der Vergänglichkeitsbetrachtung bestehende Erkenntnis von der Bedingung der Unvergänglichkeitsansicht befreit, darum gilt sie als die Bedingungslose Erlösung. Weil die in der Elendbetrachtung bestehende Erkenntnis von der Bedingung der Glücksansicht befreit, darum gilt sie als die Bedingungslose Erlösung. Weil die in der Unpersönlichkeitsbetrachtung bestehende Erkenntnis von der Bedingung der Persönlichkeitsansicht befreit, darum gilt sie als die Bedingungslose Erlösung." Somit gilt die Erkenntnis, insofern sie von den Bedingungen befreit, als die Bedingungslose Erlösung.

 

Ferner: "Weil die in der Vergänglichkeitsbetrachtung bestehende Erkenntnis von dem Wunsche nach Unvergänglichkeit befreit, darum gilt sie als die Wunschlose Erlösung. Weil die in der Elendbetrachtung bestehende Erkenntnis vom Wunsche nach Glück befreit, darum gilt sie als die Wunschlose Erlösung. Weil die in der Unpersönlichkeitsbetrachtung bestehende Erkenntnis vom Wunsche nach Persönlichkeit befreit, darum gilt sie als die Wunschlose Erlösung." Somit wird die Erkenntnis, insofern sie vom Wünschen befreit, als die Wunschlose Erlösung bezeichnet.

 

Im edlen Pfadmoment aber wird die Erlösung auf Grund des Zugangs zu ihr bezeichnet. Deshalb wurde sie als zweifache Erlösung bezeichnet, als die Wunschlose Erlösung und die Leerheitserlösung. So hat man dies zu verstehen.

 

Dies ist hier vorerst die Besprechung über die Erlösung.


7 Edle Menschen: ariya-puggala

"Der Gleichmut hinsichtlich der Daseinsgebilde ist die Bedingung der Verschiedenartigkeit der sieben Edlen Menschen (Pts. II. p. 48): - in diesem Ausspruche gelten da als diese sieben Edlen Menschen folgende:

  1. der Vertrauensergebene,
  2. der Vertrauenserlöste,
  3. der Körperzeuge,
  4. der Beiderseitserlöste,
  5. der Wahrheitsergebene,
  6. der Erkenntnisgereifte,
  7. der Wissenserlöste.

Zur Verschiedenartigkeit dieser Menschen bildet der Gleichmut hinsichtlich der Daseinsgebilde die Bedingung.

  1. Wer nämlich ganz von Entschlossenheit erfüllt ist und, beim Erwägen der Gebilde als vergänglich, die Fähigkeit des Vertrauens (saddhindriya) gewinnt, der gilt im Augenblicke des Stromeintritts als 'Vertrauensergebener' (saddhānusārī),
  2. auf den übrigen 7 Stufen (d. i. den 3 höheren Pfaden und 4 Früchten) als Vertrauenserlöster (saddhāvimutta).
  3. Wer aber ganz von Ruhe erfüllt ist und beim Erwägen der Gebilde als Elend die Fähigkeit der Sammlung (samādhi) gewinnt, der gilt in jeder Beziehung als 'Körperzeuge' (kāyasakkhī).
  4. Wer aber nach Erreichung der Unkörperlichen Vertiefungen die höchste Frucht gewonnen hat, gilt als 'Beiderseitserlöster' (ubhato-bhāgavimutta).
  5. Wer aber ganz von Wissen erfüllt ist und beim Erwägen der Gebilde als unpersönlich die Fähigkeit des Wissens (paññā) gewinnt, der gilt im Augenblick des Stromeintrittes als 'Wahrheitsergebener' (dhammānusārī),
  6. auf (den nächsten) sechs Stufen als 'Erkenntnisgereifter' (ditthi-ppatta),
  7. auf der höchsten Fruchtstufe als 'Wissenserlöster' (paññā-vimutta)."

 

Gesagt nämlich wurde (Pts. II. p. 53):

Auf diese Weise hat man die Wortbedeutung zu verstehen.

 

Diese 'Gleichmuterkenntnis hinsichtlich der Daseinsgebilde' (sankhārupekkhā-ñāna) aber ist der Bedeutung nach dasselbe wie die beiden früheren Erkenntnisse (6 und 7: Erlösungswunsch und Nachdenkende Betrachtung). Darum sagen die Alten Meister: "Diese eine Gleichmuterkenntnis hinsichtlich der Gebilde wird mit drei Namen bezeichnet:

Auch im Kanon (Pts. I. 60 f) heißt es: .Inwiefern aber gilt das im Wunsch nach Befreiung, in Nachdenkender Betrachtung und im gleichmäßigen Verharren bestehende Wissen als die 'Gleichmuterkenntnis hinsichtlich der Daseinsgebilde'?

 

Auch in der folgenden Kanonstelle (ib. 64) ist dies genau so zu verstehen. Es wurde nämlich gesagt:

"Was da

betrifft, so haben diese Dinge den gleichen Sinn, und nur ihre Namen sind verschieden." In dem so in den Besitz des 'Gleichmuts hinsichtlich der Daseinsgebilde' gelangten edlen Sohne aber hat der Hellblick den Gipfel erreicht und führt zum Aufstieg. Ob man da nun sagt 'der den Gipfel erreicht habende Hellblick' oder 'der zum Aufstieg führende Hellblick' (vutthāna-gāminī vipassanā): beides sind bloße Namen für die drei Erkenntnisse, d. i. Gleichmut hinsichtlich der Daseinsgebilde, Erlösungswunsch und Nachdenkende Betrachtung. Als 'den Gipfel erreicht habend' gilt dieser Hellblick, weil er den Gipfel, d. i. den höchsten Zustand, erreicht hat. Als 'aufwärts führend' gilt er, weil er zum Aufstiege hinführt. Mit 'Aufstieg' bezeichnet man den Pfad, weil dieser sich erhebt über das (für den Hellblick) die äußere Bedingung bildende Objekt (die fremden Daseinsgruppen), in das man sich versenkt hat, und über das bei einem selber entstandene Objekt (die eigenen Daseinsgruppen mit ihren Leidenschaften). Weil der Hellblick zu diesem Pfade hinführt, darum gilt er als aufwärtsführend. Daß er in den Pfad übergeht: das ist der Sinn.

 

Um nun hier das Sicherheben vermittels des Sichversenkens klar zu machen, bildet folgendes die Übersicht:

 
(1) Sich in Eigenes versenkt habend, sich über Eigenes erheben;
(2) Sich in Eigenes versenkt habend, sich über Fremdes erheben;
(3) Sich in Fremdes versenkt habend, sich über Fremdes erheben;
(4) Sich in Fremdes versenkt habend, sich über Eigenes erheben;
(5) Sich in Körperliches versenkt habend, sich über Körperliches erheben;
(6) Sich in Körperliches versenkt habend, sich über Unkörperliches erheben;
(7) Sich in Unkörperliches versenkt habend, sich über Unkörperliches erheben;
(8) Sich in Unkörperliches versenkt habend, sich über Körperliches erheben;
(9) Sich mit einem Male über alle 5 Daseinsgruppen erheben;
(10) Sich in die Vergänglichkeit versenkt habend, sich über das Vergängliche erheben;
(11) Sich in die Vergänglichkeit versenkt habend, sich über das Elende und Unpersönliche erheben;
(12) Sich in das Elend versenkt habend, sich über das Elende, Vergängliche und Unpersönliche erheben;
(13) Sich in die Unpersönlichkeit versenkt habend, sich über das Unpersönliche, Vergängliche und Elende erheben.
 

Und in welcher Weise?

 

(1) Da versenkt sich einer anfangs in die eigenen Daseinsgebilde, und sich darin versenkend erkennt er sie. Weil nun aber bei bloßem Betrachten der eigenen Gebilde noch nicht der Pfadaufstieg erfolgt, sondern auch die fremden Gebilde betrachtet werden müssen, darum betrachtet er auch die Daseinsgruppen der anderen sowie auch die nichtkarmagezeugten Gebilde (der äußeren Natur) als vergänglich, elend, unpersönlich. So erwägt er von Zeit zu Zeit die eigenen Gebilde, von Zeit zu Zeit die fremden. Indem er aber so erwägt, geht ihm beim Erwägen der eigenen Gebilde der Hellblick in den Pfad über. Von einem solchen sagt man, daß er, sich in Eigenes versenkt habend, sich über Eigenes erhebt.

 

(2) Geht ihm aber beim Erwägen der fremden Gebilde der Hellblick in den Pfad über, so heißt es von ihm, daß er, sich in Eigenes versenkt habend, sich über Fremdes erhebt.

 

(3, 4) Die entsprechende Erklärung gilt auch für das Sicherheben über Fremdes und Eigenes, nachdem man sich in Fremdes versenkt hat.

 

(5) Ein anderer aber versenkt sich anfangs in das Körperliche, und sich darin versenkt habend, erkennt er die in den Elementen bestehende Körperlichkeit und die davon abhängige Körperlichkeit, indem er beide zu einer Gruppe zusammenfaßt. Weil nun aber durch bloßes Betrachten der Körperlichkeit noch nicht der Aufstieg erfolgt, sondern auch das Unkörperliche betrachtet werden muß, so betrachtet er, nachdem er jenes Körperliche zum Objekte genommen hat, das aufgestiegene Gefühl, sowie Wahrnehmung, Geistesformationen und Bewußtsein als das Unkörperliche: 'Dies ist das Unkörperliche'. So erwägt er bisweilen das Körperliche, bisweilen das Unkörperliche. Während er aber so erwägt, geht ihm beim Erwägen des Körperlichen der Hellblick in den Pfad über. Von einem solchen aber sagt man, daß er, sich ins Körperliche versenkt habend, sich über das Körperliche erhebt.

 

(6) Geht ihm aber beim Erwägen des Körperlichen der Hellblick in den Pfad über, so sagt man von ihm, daß er, sich in das Körperliche versenkt habend, sich über das Unkörperliche erhebt.

 

(7, 8) Die entsprechende Erklärung gilt auch für das Sicherheben über das Unkörperliche und über das Körperliche, nachdem man sich in das Unkörperliche versenkt hat.

 

(9) Wer sich aber in den Gedanken versenkt: 'Was immer dem Entstehen unterworfen ist, alles das ist auch dem Erlöschen unterworfen', von einem solchen sagt man, wenn der Aufstieg erfolgt, daß er sich mit einem Male über alle 5 Daseinsgruppen erhebt.

 

(10) Ein anderer erwägt anfangs die Daseinsgebilde als vergänglich (anicca). Weil aber durch bloßes Erwägen der Gebilde als vergänglich noch nicht der Aufstieg erfolgt, sondern auch die Gebilde als elend (dukkha) und unpersönlich (anattā) erwogen werden müssen, darum erwägt er sie auch als elend und unpersönlich. Wer sich aber so übt, bei dem erfolgt beim Erwägen der Vergänglichkeit der Aufstieg; und von ihm heißt es, daß er, sich in die Vergänglichkeit versenkt habend, sich über das Vergängliche erhebt.

 

(11) Wenn aber beim Erwägen des Elends oder der Unpersönlichkeit in ihm der Aufstieg erfolgt, so sagt man von ihm, daß er, sich in das Vergängliche versenkt habend, sich über das Elende und Unpersönliche erhebt.

 

(12, 13) Die entsprechende Erklärung gilt auch bei den übrigen Arten des Aufstieges, nachdem man sich in das Elend oder die Unpersönlichkeit versenkt hat.

 

Ob sich da nun einer in das Vergängliche oder das Elend oder das Unpersönliche versenkt, falls zur Zeit des Aufstieges sich ein Erheben über das Vergängliche vollzieht, so sind alle drei Menschentypen (d. i. der sich in das Vergängliche, das Elend oder das Unpersönliche Versenkende) ganz von Entschlossenheit erfüllt, erlangen die Fähigkeit des Vertrauens, werden durch die Bedingungslose Erlösung (animitta-vimokkha) befreit, sind im ersten Pfadmomente 'Vertrauensergebene' (saddhānusārī) und auf den weiteren 7 Stufen 'Vertrauenserlöste' (saddhā-vimutta).

 

Wenn aber das Sicherheben über das Elend erfolgt, so sind alle drei von Ruhe erfüllt, erlangen die Fähigkeit der Sammlung, werden durch die Wunschlose Erlösung (appanihita-vimokkha) befreit, sind allerwärts 'Körperzeugen' (kāya-sakkhī).

 

Bei wem aber von diesen die Unkörperliche Vertiefung die Grundlage bildet, der ist im höchsten Fruchtmoment (der Arahatschaft) ein 'Beiderseits-Erlöster' (ubhato-bhāga-vimutta). Wenn aber das Sichüberheben über das Unpersönliche erfolgt, so sind jene drei Menschen (d. i. die sich in die drei Merkmale Versenkenden) ganz von Wissen erfüllt, erlangen die Wissensfähigkeit, werden durch die Leerheitserlösung (suññatā-vimokkha) befreit und sind im ersten Pfadmomente 'Wahrheitsergebene' (dhammānusārī), auf den (weiteren) 6 Stufen 'Erkenntnisgereifte' (ditthi-ppatta), im höchsten Fruchtzustande aber 'Wissenserlöste' (paññā-vimutta).

 

 


(*) Diese Ziffern bezeichnen die 8 Stufen der Heiligkeit, d.i.:
1. Pfad des Stromeintritts (sotāpatti-magga)
2. Frucht des Stromeintritts (sotāpatti-phala)
3. Pfad der Einmalwiederkehr (sakadāgāmi-magga)
4. Frucht der Einmalwiederkehr (sakadāgāmi-phala)
5. Pfad der Niewiederkehr (anāgāmi-magga)
6. Frucht der Niewiederkehr (anāgāmi-phala)
7. Pfad der Heiligkeit (arahatta-magga)
8. Frucht der Heiligkeit (arahatta-phala). 


Die 12 Gleichnisse:

Um nun diesen 'zum Aufstieg führenden Hellblick' (vutthāna-gāminī-vipassanā) zusammen mit der vorangehenden und der folgenden Erkenntnis klar zu verstehen, sollte man 12 Gleichnisse kennen. Dies ist ihre Aufzählung:

 

 
 

Bei welcher der Erkenntnisse es auch sei, da sollte man, beginnend mit der 'im Sichgewärtighalten des Schreckens bestehenden Erkenntnis', diese Gleichnisse anführen. Werden diese nämlich hierbei angeführt, so wird, von der im Sichgewärtighalten des Schreckens bestehenden Erkenntnis ab bis zur höchsten Fruchterkenntnis, alles klar werden; darum eben wurde gesagt, daß man diese Gleichnisse hier anführen solle.


1. Die Fledermaus: 

Eine Fledermaus, so sagt man, ließ sich auf einem fünfastigen Honigbaume nieder, denkend: 'Ich will eine Blüte oder Frucht haben'. Nachdem sie aber einen Ast durchsucht hatte, fand sie dort keine Blüte oder Frucht, die des Nehmens wert gewesen wäre. Und wie den einen Ast, so untersuchte sie auch einen zweiten, dritten, vierten, und den fünften, fand aber nichts. 'Ohne Früchte, wahrlich, ist dieser Baum! Nichts findet sich daran, was des Nehmens wert wäre!': mit diesen Worten verließ sie ihr Versteck auf jenem Baume und kletterte auf einem geraden Aste höher. Dann zog sie ihren Kopf aus dem Geäst heraus und blickte nach oben, flog dann in die Lüfte und ließ sich auf einem mit Früchten beladenen Baume nieder.

Hier nun hat man unter der Fledermaus den Übungsbeflissenen zu verstehen, unter dem fünfastigen Honigbaume die 5 Anhaftungsgruppen, unter dem Sichniederlassen dortselbst das Sichversenken des Übenden in die 5 Daseinsgruppen.


2. 'Das Gleichnis von der schwarzen Schlange'

ist bereits anlässlich der 'Nachdenkenden Erkenntnis' erklärt worden. Was aber die Anwendung dieses Gleichnisses betrifft, so bezieht sich hier das Fortschleudern der Schlange auf das Verlassen der Reifeerkenntnis. Als das Dastehen des den zurückgelegten Weg Betrachtenden gilt die Pfaderkenntnis. Als das Verbleiben an dem von dem Manne erreichten gefahrlosen Platze gilt die Fruchterkenntnis. Dies ist hier der Unterschied. (p. 780 f.)


3. 'Das Haus':

Einst, so heißt es, als der Eigentümer eines Hauses nach dem Abendessen zu Bett gegangen und eingeschlafen ist, fängt sein Haus Feuer. Als der Mann nun beim Erwachen das Feuer bemerkt, gerät er in Angst: 'Ach, daß ich doch ohne zu verbrennen entkommen möchte!' Während er nun umherspäht, entdeckt er einen Ausweg. Auf diesem entkommend, begibt er sich eilends an einen sicheren Platz und bleibt dort.


4. 'Das Rind':

Einst, so heißt es, als ein Landmann zur Nachtzeit in Schlaf gefallen war, durchbrachen seine Rinder die Hürde und liefen davon. Als der Landmann nun ganz in der Frühe sich zur Hürde begeben hat, bemerkt er, daß die Rinder davongerannt sind. Während er nun ihren Spuren folgt, erblickt er die Rinder des Fürsten. Diese für seine eigenen Rinder haltend, nimmt er sie mit sich. Als der Tag zu dämmern beginnt aber, erkennt er: 'Das sind ja gar nicht meine Rinder, sondern die des Fürsten! Bevor mir die Leute des Fürsten, die mich für einen Dieb halten werden, Verlust und Missgeschick bereiten, will ich davon fliehen.' Und voller Furcht, die Rinder im Stiche lassend, flieht er in Eile davon und verbleibt an einem gefahrlosen Platze. - Wie nun hier der Landmann die Rinder des Fürsten einfängt im Glauben es seien seine Rinder, so auch faßt der törichte Weltling die Daseinsgruppen als 'Ich' oder 'Mein' auf. Wie der Landmann beim Morgengrauen die Rinder des Fürsten erkennt, so erkennt der Übende die Daseinsgruppen im Sinne der 3 Merkmale als vergänglich, elend, unpersönlich. Als die Zeit des Fürchtens gilt die im 'Sichgewärtighalten des Schreckens' bestehende Erkenntnis. Als der Wunsch, die Rinder im Stiche zu lassen und fortzueilen, gilt der 'Wunsch nach Erlösung'. Als das Imstichelassen gilt die 'Reife-Erkenntnis.' Als das Entfliehen gilt der 'Pfad'. Als das Verweilen an gefahrloser Stätte nach der Flucht gilt die 'Frucht.'


5. 'Der Geist':

Einstmals, so heißt es, wohnte ein Mann mit einem Gespensterweibe zusammen. Zur Nachtzeit nun begab sich diese, im Glauben, daß jener schlafe, zur Leichenstätte, um Menschenfleisch zu verzehren. 'Wo geht diese wohl hin!' so denkend schleicht jener Mann hinter ihr her, und als er sie Menschenfleisch fressen sieht und erkennt, daß sie ein Gespensterweib ist, denkt er: 'Bevor diese mich auffrißt, will ich davon fliehen'. Und voller Furcht flieht er eiligst davon und verbleibt an sicherer Stätte. - Hier nun gilt als das Zusammenwohnen mit dem Gespensterweibe das Auffassen der Daseinsgruppen als 'Ich' oder 'Mein'. Wie der Mann aber auf der Leichenstätte die Frau beim Verzehren von Menschenfleisch erblickt und sie als Gespensterweib erkennt, so erkennt der Übende, sobald er bei den Daseinsgruppen die 3 Merkmale gewahrt, ihre Vergänglichkeit, ihr Elend und ihre Unpersönlichkeit. Als die Zeit des Fürchtens gilt das Sichgewärtighalten des Schreckens, als der Wunsch zu entfliehen der Wunsch nach Erlösung, als das Imstichelassen der Leichenstätte die Reife-Erkenntnis, als das eilige Entfliehen der Pfad, als das Verweilen an gefahrloser Stätte die Frucht.


6. 'Das Kind':

Einst, so heißt es, da gab es eine in ihr Kind vernarrte Frau. Als diese eines Tages auf ihrer Terrasse sitzt, hört sie auf der Straße ein Kind schreien. 'Ob nicht wohl mein Kind von jemandem gequält wird!: so denkend eilt sie dorthin; und das Kind für ihr eigenes haltend, nimmt sie das fremde Kind an sich. Als sie aber erkennt, daß es ein fremdes Kind ist, schaut sie voll Angst hier und da umher, denkend: 'Ach, daß mich doch niemand für eine Kinderdiebin halten möchte!' Daher setzt sie das Kind auf derselben Stelle wieder hin, steigt eiligst wieder die Terrasse hinauf und setzt sich dort hin. -

 

Diese sechs Gleichnisse wurden gelehrt um zu zeigen, wie der im aufwärtsführenden Hellblick Verweilende dem überweltlichen Gesetze zugekehrt ist, dahin neigt, dahin strebt, darauf hinzielt.


7. Wie ein von Hunger geplagter, äußerst hungriger Mann nach wohlschmeckender Speise lechzt, genau so auch lechzt der vom Hunger der Daseinsrunde geplagte Übungsbeflissene nach der Unsterblichkeitspeise der Körperbetrachtung.


8. Wie ein Dürstender, dem Kehle und Mund ausgetrocknet sind, nach einem aus mancherlei Bestandteilen bestehenden Tranke lechzt, genau so lechzt der vom Durste der Daseinsrunde geplagte Übungsbeflissene nach dem Tranke des Edlen Achtfachen Pfades.


9. Wie ein von Kälte gequälter Mann sich nach Wärme sehnt, so auch sehnt sich der in der Daseinsrunde durch die Kälte des Begehrens und Anhaftens gequälte Übungsbeflissene nach dem die befleckenden Leidenschaften ausbrennenden Feuer des Pfades.


10. Wie ein von Hitze bedrückter Mann sich nach Abkühlung sehnt, so auch sehnt sich der in der Daseinsrunde von der Hitze der elf Feuer verzehrte Übungsbeflissene nach dem die elf Feuer (Gier, Haß, Verblendung, Geburt, Alter, Tod, Sorge, Klage, Schmerz, Trübsal, Verzweiflung) löschenden Nirwahn.


11. Wie ein von der Dunkelheit überfallener Mann sich nach Licht sehnt, so auch sehnt sich der von der Finsternis der Verblendung völlig eingehüllte Übungsbeflissene nach der als das Licht der Erkenntnis geltenden Entfaltung des Pfades.


12. Wie ein Mann, der Gift geschluckt hat, nach einer das Gift vertreibenden Arznei sucht, so auch sucht der vom Gift der befleckenden Leidenschaften gequälte Übungsbeflissene nach dem das Gift der Leidenschaften vertreibenden Unsterblichkeitsmittel, dem Nirwahn.


Darum heißt es: 'Während er so weiß, so erkennt, löst sein Geist sich los von

zieht sich davor zurück, wendet sich davon ab, strebt nicht mehr dahin; und Gleichmut oder Abscheu stellt sich ein. Gleichwie nämlich an einem ein wenig nach unten geneigten Lotusblatte die Wassertropfen sich loslösen, abfließen, hinabrollen und sich dort nicht mehr ausbreiten, genau so löst sich sein Geist los von den 3 Arten des Daseins, und Gleichmut oder Abscheu stellt sich ein.' Insofern aber gilt dieser Mönch als 'abgelöst lebend'. Deshalb heißt es auch (Snp. 809):

 

 

(Bestimmtsein der Verschiedenartigkeit beim Pfade durch 'Gleichmut hinsichtlich der Daseinsgebilde') Nachdem so die 'im Gleichmut hinsichtlich der Daseinsgebilde bestehende Erkenntnis' das Abgelöstsein des Übenden bestimmt hat, bestimmt sie ferner auch beim Edlen Pfade (des Stromeintritts usw.) die Verschiedenartigkeit in den Erleuchtungsgliedern, den Pfadgliedern, den Vertiefungsgliedern, dem Fortschritte und der Erlösung. Einige Ordensältere behaupten, die die Grundlage bildende Vertiefung (pādaka-jjhāna) bestimme die Verschiedenartigkeit in den Erleuchtungsgliedern, Pfadgliedern und Vertiefungsgliedern. Einige behaupten, die für den Hellblick die Objekte bildenden Daseinsgruppen bestimmten diese Verschiedenartigkeit. Einige wiederum behaupten, die Eigenart des Menschen bestimme sie. Was die Behauptungen jener anbetrifft, da hat man zu wissen, daß bloß der anfängliche zum Aufstieg führende Hellblick diese Verschiedenartigkeit bestimmt.

 

Dies ist hierbei die stufenweise Erklärung: Auf Grund des Bestimmtseins durch den Hellblick sind mit der 1. Vertiefung verbunden: der in dem 'auf bloßen Hellblick Gestützten' (sukkha-vipassaka) aufgestiegene Pfad; ferner der Pfad, der, ohne die Vertiefungen zur Grundlage genommen zu haben, in dem mit den Erreichungen Begabten aufgestiegen ist; ferner der Pfad, der dadurch erweckt wurde, daß man die 1. Vertiefung zur Grundlage nahm und dann (nach Austritt aus derselben) die besonderen (anderen) geistigen Gebilde betrachtete. (Nach Dhs. Kom. beziehen sich diese 'pakinnaka-sankhāra' auf andere Gebilde als die der ersten Vertiefung). In allen diesen (edlen Pfaden) gibt es 7 Erleuchtungsglieder, 8 Pfadglieder und 5 Vertiefungsglieder. Bei diesen nämlich ist zwar der anfängliche Hellblick entweder von Freude oder von Gleichmut begleitet; zur Zeit des Aufstieges (Pfad) aber, nachdem er den Gleichmutszustand bei den Gebilden erreicht hat, ist er stets von Freude begleitet.

 

Hat man nun die 2., 3. oder 4. Vertiefung nach der Fünfereinteilung zur Grundlage gemacht, so ist in dem erzeugten Pfade der Reihe nach die Vertiefung viergliedrig (2. Vert.: Diskursives Denken, Verzückung, Freudegefühl, Sammlung) oder dreigliedrig (3. Vert.: Verzückung usw.) oder zweigliedrig (4. Vert.: Freudegefühl, Sammlung). In allen aber gibt es 7 Pfadglieder (das 2. Pfadglied 'rechte Gesinnung' fehlt hier, da dieses als identisch mit 'vitakka' (Gedankenfassung) schon von der 2. Vertiefung ab aufgehoben ist.) und in der vierten Vertiefung nur 6 Erleuchtungsglieder (da Verzückung fehlt). Dieser Unterschied besteht wegen der Bestimmung durch die die Grundlage bildende Vertiefung und der Bestimmung durch den Hellblick. Auch für diese (auf Grundlage der 2., 3. oder 4. Vertiefung erzeugten Pfade) nämlich ist der anfängliche Hellblick von Freude oder von Gleichmut begleitet, der zum Aufstieg führende Hellblick aber ist stets von Freude begleitet.

 

In dem auf Grund der 5. Vertiefung erzeugten Pfade aber gibt es zwei Vertiefungsglieder: Gleichmut und Einspitzigkeit des Geistes, sowie 6 (d. i. ohne Verzückung) oder 7 Erleuchtungsglieder. Auch diesen Unterschied gibt es wegen der zwei Arten der Bestimmung. In diesem Falle nämlich ist der anfängliche Hellblick von Glücksgefühl oder von Gleichmut begleitet, der zum Aufstieg führende aber bloß von Gleichmut. Auch für den auf Grundlage der Unkörperlichen Vertiefungen erzeugten Pfad gilt genau dieselbe Erklärung.

 

Hat man sich so aus der die Grundlage bildenden Vertiefung erhoben, so erzeugt die Erreichung (Vertiefung), aus der man sich erhoben hat, in der Nähe des während der Betrachtung irgend welcher Gebilde entstandenen Pfades einen ihr selber ähnlichen Zustand, genau wie die Farbe der Erde der Farbe des Iguana gleicht.

 

Nach Aussage des zweiten Ordensälteren aber ist, von welcher Erreichung man sich auch erhoben hat und welche Erreichungsdinge betrachtend der Pfad entstanden ist, dieser jedesmal dem betreffenden Erreichungszustande ähnlich. Auch hierbei ist die Bestimmung durch den Hellblick genau wie in der besagten Weise zu verstehen.

 

Nach Aussage des dritten Ordensälteren ist, im Einklange mit welcher eigenen Absicht auch immer und auf Grundlage welcher Vertiefung auch immer, und welche Vertiefungsdinge auch immer erwägend, der Pfad entstanden ist, dieser dem jedesmaligen Vertiefungszustande ähnlich. Ohne die zur Grundlage genommene Vertiefung aber, oder ohne die (mit Hellblick) betrachtete Vertiefung, also schon durch die bloße Gesinnung, dadurch kommt der Pfad nicht zustande. Diese Sache hat man an Hand der Sutte von der Ermahnung Nandas (M. 146) zu erklären. Auch hier ist die Bestimmung durch den Hellblick in der besprochenen Weise zu verstehen. Soweit dient dies zum Verständnis, wie der 'Gleichmut hinsichtlich der Daseinsgebilde' die Anzahl der Erleuchtungsglieder, Pfadglieder und Vertiefungsglieder bestimmt.

 


Verschiedenartigkeit des Fortschritts

 

Wenn nun dieser Gleichmut, während er von Anfang an dabei war die befleckenden Leidenschaften zurückzudrängen, nur unter Qualen, Mühe und Anstrengung dazu imstande war, so gilt dies als mühsamer Fortschritt (dukkha-patipadā), im umgekehrten Falle als müheloser Fortschritt (sukha-patipadā). Der Gleichmut hinsichtlich der Daseinsgebilde aber, der nach Zurückdrängung der befleckenden Leidenschaften den das Auftreten des Pfades vorbereitenden Hellblick nur langsam zustande bringt, dieser gilt als langsames Erkennen (dandhā-bhiññā), im umgekehrten Falle als schnelles Erkennen (khippābhiññā). Somit gibt dieser Gleichmut bei den Gebilden, da er sich an dem Ausgangspunkte (des Pfades) befindet, dem Pfade jedesmal den eigenen Namen. Dadurch erhält der Pfad 4 Namen (d. i. 1. der mit mühsamem Fortschritte und langsamem Erkennen verbundene, 2. der mit mühelosem Fortschritt und langsamem Erkennen verbundene, 3. der mit mühsamem Fortschritt und schnellem Erkennen verbundene, 4. der mit mühelosem Fortschritt und schnellem Erkennen verbundene). Dieser Fortschritt aber ist bei dem einen Mönche wechselnd, bei dem anderen Mönche bei allen 4 (überweltlichen) Pfaden der gleiche. So sind bei den Erleuchteten alle 4 Pfade von mühelosem Fortschritt und schnellem Erkennen (sukhā patipadā khippābhiññā), ebenso beim Heerführer des Gesetzes (Sāriputa). Beim ehrwürdigen Mahā-Moggallāna aber war der erste Pfad (des Stromeintritts) von mühelosem Fortschritt und schnellem Erkennen, die 3 höheren Pfade aber waren von mühsamem Fortschritt und von langsamem Erkennen.

 

Gerade so nun wie der Fortschritt, so auch sind die 'Vorherrschenden Einflüsse' (adhipati) bei dem einen Mönch in allen 4 Pfaden verschieden, bei dem anderen aber in allen 4 Pfaden ganz gleich.

 

So also bestimmt der Gleichmut bei den Gebilden die Verschiedenartigkeit des Fortschritts. Wie er aber die Verschiedenartigkeit der Erlösung bestimmt, wurde bereits erklärt.

 


Namen des Pfades

Ferner erhält der Pfad aus fünf Gründen seinen Namen:

 

(1) mit Rücksicht auf seine Natur,
(2) auf sein Gegenteil,
(3) auf seine Eigenschaften,
(4) auf sein Objekt,
(5) auf seine Entstehung.

 

(1) Wenn nämlich der 'Gleichmut hinsichtlich der Gebilde' nach Betrachtung der Gebilde als 'vergänglich' zum Aufstieg führt, so wird man durch die 'Bedingungslose Erlösung' befreit. Wenn er nach Betrachtung der Gebilde als 'elend' zum Aufstieg führt, so wird man durch die 'Wunschlose Erlösung' befreit. Wenn er nach Betrachtung der Gebilde als 'unpersönlich' zum Aufstieg führt, so wird man durch die 'Leerheitserlösung' befreit. Dies ist der Namen des Pfades mit Rücksicht auf seine Natur.

 

(2) Weil aber dieser Pfad durch Betrachtung der Vergänglichkeit die dichte Masse der Gebilde auflöst und durch Aufgeben der Bedingungen wie Unvergänglichkeit, Beständigkeit und Ewigkeit entstanden ist, so gilt er als 'bedingungslos'. Weil er aber dadurch entstanden ist, daß er durch Betrachtung des Elends die Glücksvorstellung überwunden hat und das Wünschen und Sehnen hat auftrocknen lassen, darum gilt er als wunschlos'. Weil er aber dadurch entstanden ist, daß er durch Betrachtung der Unpersönlichkeit die Vorstellung einer Persönlichkeit, eines Wesens, einer Individualität überwunden und die Daseinsgebilde als leer erkannt hat, darum gilt er als 'leer'. Dies ist der Namen des Pfades mit Rücksicht auf das Gegenteil.

 

(3) Weil aber dieser Pfad leer ist an Gier, Haß und Verblendung, darum gilt er als 'leer'. Weil er ohne die Bedingungen wie Sehobjekt usw. und ohne die Bedingungen wie Gier, Haß und Verblendung ist, darum gilt er als 'bedingungslos'. Weil er ohne Wunsch nach den Sehobjekten usw. ist, darum gilt er als 'wunschlos'. Dies ist der Namen des Pfades mit Rücksicht auf seine Eigenschaften.

 

(4) Weil dieser Pfad das Leere, Bedingungslose und Wunschlose Nirwahn zum Objekte hat, auch darum wird er als leer, bedingungslos und wunschlos bezeichnet. Dies ist der Namen des Pfades mit Rücksicht auf sein Objekt.

 

(5) Die Entstehung aber ist zweifach: Entstehung auf Grund des Hellblicks und Entstehung auf Grund des Pfades. Hierbei nun findet beim Pfade die Entstehung auf Grund des Hellblicks statt, bei der Frucht auf Grund des Pfades (als Pfadwirkung).

 

Die Betrachtung der Unpersönlichkeit gilt als Leerheitshellblick, und auf Grund des Leerheitshellblicks bezeichnet man den Pfad als 'leer'. Die Betrachtung der Vergänglichkeit gilt als bedingungslos, und auf Grund des Bedingungslosen Hellblicks bezeichnet man den Pfad als 'bedingungslos'. Dieser Namen aber findet sich nicht in der Abhidhamma Darlegung, sondern bloß in der Suttendarlegung. Indem da nämlich die Reife-Erkenntnis (gotrabhū-ñāna) das Bedingungslose Nirwahn zum Objekte nimmt und, als bedingungslos bezeichnet, sich selber an der Ausgangsstelle (des Pfades) befindet, gibt sie dem Pfade den Namen, wie man sagt. Daher wird der Pfad als 'bedingungslos' bezeichnet. Auf Grund der Entstehung aus dem Pfade aber ist es angebracht, auch die Frucht als 'bedingungslos' zu bezeichnen. Weil aber die Betrachtung des Elends dadurch entstanden ist, daß sie den Wunsch nach den Gebilden hat auftrocknen lassen, darum gilt sie als 'wunschlos'. Auf Grund des Wunschlosen Hellblicks gilt der Pfad als 'wunschlos', und auch die Frucht des Pfades gilt als 'wunschlos'.

 

Somit gibt der Hellblick dem Pfade seinen eigenen Namen, und der Pfad der Frucht. Dies ist der Namen des Pfades mit Rücksicht auf seine Entstehung.

 

In dieser Weise bestimmt der 'Gleichmut hinsichtlich der Gebilde' die Verschiedenartigkeit der (drei Tore der) Erlösung (s. S. 785).

 

Hier endet die Gleichmuterkenntnis hinsichtlich der Daseinsgebilde.


Vis. XXI. 9. Die Anpassungserkenntnis (anuloma-ñāna)

 

In demjenigen, der diesen 'Gleichmut hinsichtlich der Daseinsgebilde' pflegt, entfaltet und häufig übt, in dem steigt das in Entschlossenheit bestehende Vertrauen (adhimokkha-saddhā) äußerst stark auf, die Willenskraft ist wohl angespannt, die Achtsamkeit ganz gewärtig, der Geist völlig gesammelt, und ein noch stärkerer Gleichmut hinsichtlich der Gebilde steigt auf. In dem Gedanken 'Nun wird der Pfad aufsteigen' betrachtet sein 'Gleichmut hinsichtlich der Gebilde' die Gebilde als vergänglich oder als elend oder als unpersönlich und tritt dann in das Unterbewußtsein ein. Unmittelbar auf das Unterbewußtsein steigt dann das 'Aufmerken am Geisttor' (manodvārāvajjana) auf, indem es, in der Weise, wie es der 'Gleichmut hinsichtlich der Gebilde' getan hat, die Gebilde als vergänglich, elend und unpersönlich zum Objekte nimmt. Indem es darauf die - jenem nach Durchbrechung des Unterbewußtseins aufgestiegenen, funktionellen Bewußtsein unmittelbar folgende - ununterbrochene Bewußtseinskontinuität (citta-santati) fortsetzt, steigt der erste als 'Vorbereitung' (parikamma) bezeichnete Impulsivbewußtseinsmoment (javana) auf ' indem dieser dieselben Gebilde zum Objekte nimmt. Unmittelbar darauf, mit denselben Gebilden als Objekt, steigt der als 'Annäherung' (upacāra) bezeichnete 2. Impulsivmoment auf, unmittelbar darauf wieder, mit denselben Gebilden als Objekt, der als 'Anpassung' (anuloma) bezeichnete 3. Impulsivmoment.

 

Dies sind ihre individuellen Namen. Doch es ist zulässig, alle diese drei (Impulsmomente) unterschiedslos zu bezeichnen, entweder als Wiederholung (āsevana) oder als Vorbereitung (parikamma), Annäherung (upacāra) oder Anpassung (anuloma). Worauf bezieht sich nun die Anpassung? Auf die früheren und die späteren Zustände. Die Anpassungserkenntnis nämlich paßt sich in ihrer wirklichkeits- und wahrheitsgemäßen Funktion sowohl den vorangehenden 8 Hellblickwissen (s. p. 764) an, und nach oben hin (d. i. bei Pfaderreichung) den 37 zur Erleuchtung gehörenden Dingen. Dies aber ist so, weil die Anpassungserkenntnis auf Grund der Daseinsgebilde mit ihren Merkmalen der Vergänglichkeit, des Elends und der Unpersönlichkeit entstanden ist. Es paßt sich nämlich die Anpassungserkenntnis den 8 vorangehenden Erkenntnissen an, indem sie gewissermaßen über ihre Bedeutung berichtet: '1. Bei den dem Entstehen und Hinschwinden unterworfenen Dingen wahrlich hat die 'Erkenntnis des Entstehens und Hinschwindens' das Entstehen und Hinschwinden erkannt. 2. Bei den der Auflösung unterworfenen Dingen wahrlich hat die 'Betrachtung der Auflösung: die Auflösung erkannt. 3. Der 'im Sichgewärtighalten des Schreckens bestehenden Erkenntnis' wahrlich ist das Schreckensvolle als Schrecken gewärtig. 4. Bei den dem Elend unterworfenen Dingen hat die Betrachtung des Elends wahrlich das Elend erkannt. 5. Von den Dingen wahrlich, von denen man sich abzuwenden hat, ist die 'Erkenntnis des Sichabwendens' abgewandt. 6. Hinsichtlich der Dinge, von denen man sich zu erlösen hat, ist die 'im Erlösungswunsche bestehende Erkenntnis' erlösungswillig geworden. 7. über das, worüber man nachzudenken hat, hat wahrlich die 'Nachdenkende Erkenntnis' nachgedacht. 8. Das was man gleichmütig zu betrachten hat, hat wahrlich die Gleichmuterkenntnis hinsichtlich der Gebilde 'mit Gleichmut betrachtet.' Und nach oben hin paßt sich die Anpassungserkenntnis den 37 zur Erleuchtung gehörenden Dingen (s. XXII) an, da diese durch solche Tätigkeit erreicht werden müssen.

 

Gleichwie nämlich ein gerechter König, während er im Gerichtssaale sitzt, sich die Entscheidung der hohen Richter anhört und dabei, falsche Schritte vermeidend, unparteilich bleibt und mit den Worten 'So sei es!' seine Zustimmung gibt und sich ihrer Entscheidung sowie dem alten Fürstenbrauch anpaßt, genau so hat man jene Sache zu verstehen. Als der König nämlich gilt die Anpassungserkenntnis, als die 8 hohen Richter die 8 Erkenntnisse, als alter Fürstenbrauch die 37 zur Erleuchtung gehörenden Dinge. Wie nun der König durch die Worte 'So sei es!' der Entscheidung der Richter sowie dem Fürstenbrauche, sich anpaßt, so auch paßt sich diese Anpassungserkenntnis, die auf Grund der Vergänglichkeit usw. der Gebilde aufsteigt, den 8 Erkenntnissen an, indem sie die gleiche Funktion ausübt und sich nach oben hin den 37 zur Erleuchtung gehörenden Dingen anpaßt. Darum eben wird sie als die der Wahrheit (näml. der Pfadwahrheit) sich Anpassende Erkenntnis bezeichnet.

 

Hier endet die Anpassungserkenntnis.


Vis. XXI. 9a. Vergleichung mit den Sutten

 

Diese Anpassungserkenntnis aber bildet den Abschluß für den die Gebilde zum Objekt habenden und zum Aufstieg führenden Hellblick. In jeder Weise aber bildet die Reife-Erkenntnis (gotrabhū-ñāna) den Abschluß für den zum Aufstieg führenden Hellblick.

 

Hier nun sollte man zum Zwecke der Klarheit über diesen zum Anstieg führenden Hellblick folgende Suttenvergleichung kennen. So wird z.B. dieser 'aufwärtsführende Hellblick' (vutthāna-gāminī-vipassanā) in den Sutten von der Erklärung der Sechs Grundlagen (M. 137) als 'Begehrlosigkeit' (atammayatā) (*) bezeichnet, nämlich; "Auf Begehrlosigkeit gestützt, ihr Mönche, auf Begehrlosigkeit gegründet, möget ihr jenen Gleichmut (verbunden mit den 4 Unkörperlichen Zuständen), der da eine Einheit bildet und auf Einheit beruht, aufgeben und überwinden."

 

(*) tammayatā = tammayā, erklärt als tanhā. Vergl. skr. tama 'am meisten erwünscht' und tamata 'begierig nach etwas'. Neumann übersetzt atammayatā (Begehrlosigkeit) mit 'Unmittelbarkeit' (M 137) und 'Unbestand' (M 113). Fehlt im PTS Dict.

 

In der Schlangensutte (M. 22) wird der zum Aufstieg führende Hellblick als 'Abwendung' (nibbidā) bezeichnet, nämlich: 'sich abwendend löst er sich los, durch Loslösung aber wird er befreit."

 

In der Susīma-Sutte (S. 12.70) wird dieser Hellblick als 'Erkenntnis der festen Gesetzmäßigkeit' (dhammatthiti-ñāna) bezeichnet, nämlich: "Zuerst, Susīma, besteht die Erkenntnis der Festen Gesetzmäßigkeit, später die Erkenntnis des Nirwahns." In der Potthapāda-Sutte (D. 9) aber wird jener Hellblick als der 'Gipfel der Wahrnehmung' (saññagga) bezeichnet, nämlich: "Der Gipfel der Wahrnehmung, Potthapāda, steigt zuerst auf, dann die Erkenntnis".

 

In der Dasuttara-Sutte (D. 34) wird jener zum Aufstieg führende Hellblick als eine 'Hauptgrundlage der Reinheit' (pārisuddhi-padhāniyanga) bezeichnet, nämlich: "Die Reinheit des Fortschreitenden Erkenntnisblickes gilt als die Hauptgrundlage der Reinheit."

 

[In D. 34 werden 9 Hauptgrundlagen (oder 'Kampfesglieder'?) der Reinheit aufgezählt. Von diesen decken sich die 7 ersten mit den die Grundlagen zu vorliegendem Werke bildenden 7 Reinheiten (visuddhi), d.i. Reinheit der Sittlichkeit, des Geistes, der Erkenntnis usw., während als 8te das Wissen (paññā) und als 9te die Erlösung (vimutti) genannt werden.]

 

In Patisambhidā-Magga (II. p. 64) wird jene Erkenntnis mit drei Namen bezeichnet: "Was da den Erlösungswunsch, die Nachdenkende Betrachtung und den Gleichmut hinsichtlich der Daseinsgebilde betrifft, so haben diese Dinge die gleiche Bedeutung, und nur ihre Namen sind verschieden."

 

In Patthāna (Tika. Pañhavāra) wird sie mit drei Namen bezeichnet, nämlich: "Der Anpassungsmoment (anuloma) ist für den Reifemoment (gotrabhū) ... der Anpassungsmoment für den Läuterungsmoment (vodāna) (eine Bedingung im Sinne der unmittelbaren Aufeinanderfolge)."

 

In der Sutte vom Wagengespann (M. 24) wird der zum Aufstieg führende Hellblick als Reinheit des Fortschreitenden Erkenntnisblickes' (patipadā-ñānadassana-visuddhi) bezeichnet, nämlich: "Wie aber, o Bruder: wird wohl der 'Reinheit des Fortschreitenden Erkenntnisblickes' zuliebe das Heilige Leben unter dem Erhabenen geführt!" -

 

 

Hier endet des zur Beglückung guter Menschen abgefaßten "Weges der Reinheit" 21. Teil: die auf die Entfaltung des Wissens sich beziehende Darstellung der Reinheit des Fortschreitenden Erkenntnisblickes.


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