Samyutta Nikaya

Das 35., das Salāyatana-Samyutta, (01-30)

S.35.1-6 Unbeständig, leidig, nicht-Ich
S.35.7-12 Drei Merkmale und drei Zeiten
S.35.13-14 Mit der Erwachung
S.35.15-16 Mit dem Labsal
S.35.17-18 Keine Absicht
S.35.19-20 Sich freuen
S.35.21-22 Vom Entstehen
S.35.23 Alles
S.35.24-25 Überwindung
S.35.26-27 Durchschauung
S.35.28 Alles brennt
S.35.29 Verdunkelt
S.35.30 Passend

S.35.1-6 Unbeständig, leidig, Nicht-Ich

 

Das hab ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthi, im Siegerwalde, im Garten Anāthapindikos. Dort nun wandte sich der Erhabene an die Mönche: "Ihr Mönche". - "Erlauchter" antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

 

"Das Auge, ihr Mönche, ist unbeständig, das Ohr, die Nase, die Zunge, der Körper, der Geist ist unbeständig; die Formen, ihr Mönche, sind unbeständig, die Töne, die Düfte, die Säfte, die Gegenstände, die Dinge sind unbeständig. Was unbeständig ist, das ist leidvoll, was leidvoll ist, das ist nicht das Ich. Was nicht das Ich ist: 'Das gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst'. So ist dies der Wirklichkeit gemäß mit vollkommener Weisheit anzusehen.

 

So sehend, ihr Mönche, findet der erfahrene edle Jünger nichts daran. Weil er nichts daran findet, wird er entreizt. Weil er entreizt ist, wird er erlöst: 'Im Erlösten ist die Erlösung', erkennt er: 'Versiegt ist die Geburt, vollendet der Brahmawandel, gewirkt das Werk, nichts Höheres gibt es über dieses hier' versteht er da".

 


S.35.7-12 Drei Merkmale und drei Zeiten

 

"Das vergangene und das zukünftige Auge ist unbeständig, ihr Mönche. Das vergangene und künftige Ohr, Nase, Zunge, Körper und Geist sind unbeständig. Die vergangenen und zukünftigen Formen sind unbeständig. Die vergangenen und zukünftigen Töne, Düfte, Säfte, Gegenstände und Dinge sind unbeständig. Was soll man da erst von den gegenwärtigen sagen? So sehend, ihr Mönche, sehnt sich der erfahrene edle Jünger nicht nach dem Vergangenen, freut sich nicht auf Künftiges und beim Gegenwärtigen ist er beflissen, nichts daran zu finden, es zu entreizen und es aufzulösen.

 

Das vergangene und das zukünftige Auge ist leidig, ist nicht das Ich, ihr Mönche. Das vergangene und zukünftige Ohr, Nase, Zunge, Körper, Geist sind leidig und nicht das Ich. Die vergangenen und zukünftigen Formen, Töne, Düfte, Säfte, Gegenstände und Dinge sind leidig und nicht das Ich. Was soll man da erst von den gegenwärtigen sagen? So sehend, sehnt sich der erfahrene edle Jünger nicht noch dem Vergangenen, freut sich nicht auf Künftiges und beim Gegenwärtigen ist er beflissen, nichts daran zu finden, es zu entreizen und es aufzulösen".

 

 


S.35.13-14 Mit der Erwachung

 

Das hab ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthi, im Siegerwalde, im Garten Anāthapindikas. Dort nun wandte sich der Erhabene an die Mönche: "Ihr Mönche". - "Erlauchter" antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

 

Früher, ihr Mönche, noch vor der vollen Erwachung, kam mir, dem noch nicht vollkommen Erwachten, Erwachung erst Erringenden, dieser Gedanke: 'Was ist wohl da Labsal des Auges, des Ohres, der Nase, der Zunge, des Körpers, des Geistes und der Formen, der Töne, der Düfte, der Säfte, der Gegenstände, der Dinge? Und was ist dabei das Elend? Und was ist dabei die Entrinnung?'

 

Da kam mir nun, ihr Mönche, dieser Gedanke: 'Was nun durch Auge, Ohr, Nase, Zunge, Körper, Geist und Formen, Töne, Düfte, Säfte, Gegenstände, Dinge bedingt an Wohl und Frohsinn aufsteigt, das ist dabei Labsal. Daß aber all dies unbeständig, leidvoll, dem Gesetz der Veränderung unterworfen ist, das ist dabei Elend. Und was bei all diesem die Wegführung des Willensreizes ist, die Überwindung des Willensreizes, das ist dabei die Entrinnung.

 

Solange ich nicht, ihr Mönche, bei diesen 6 Innen- und Außengebieten derart Labsal als Labsal, Elend als Elend, Entrinnung als Entrinnung der Wirklichkeit gemäß erkannte, solange, ihr Mönche, wußte ich, daß ich in der Welt mit ihren Göttern und Maras, mit ihren Brahmas und ihren Asketen und Brahmanen in der unübertrefflichen vollkommenen Erwachung nach nicht erwacht war.

 

Als ich aber, ihr Mönche, bei diesen 6 Innen- und Außengebieten derart Labsal als Labsal, Elend als Elend, Entrinnung als Entrinnung der Wirklichkeit gemäß erkannt hatte, da wußte ich, daß ich in der Welt mir ihren Göttern und Māras, mit ihren Brahmas und ihren Asketen und Brahmanen in der unübertrefflichen vollkommenen Erwachung erwacht war. Da stieg mir das Wissen und das Sehen auf:

 

'Für ewig bin erlöst ich,

das ist das letzte Leben,

und nicht mehr gibt es Wiedersein"'.

 


S.35.15-16 Mit dem Labsal

 

"Auf der Suche nach dem Labsal des Auges, des Ohres, der Nase, der Zunge, des Körpers, des Geistes und der Formen, der Töne, der Düfte, der Säfte, der Gegenstände, der Dinge befand ich mich. Und was dabei Labsal war, das habe ich erlangt. Soweit Labsal dabei reicht, habe ich es weise gesehen. Auf der Suche nach dem Elend und auf der Suche nach der Überwindung dabei befand ich mich. Und was dabei Elend und Entrinnung war, das habe ich erlangt. Soweit Elend und Entrinnung dabei reicht, habe ich es weise gesehen.

 

Solange ich nicht, ihr Mönche, bei diesen 6 Innen- und Außengebieten derart Labsal als Labsal, Elend als Elend, Entrinnung als Entrinnung der Wirklichkeit gemäß erkannt hatte, da wußte ich, daß ich in der Welt mit ihren Göttern und Māras, mit ihren Brahmas und ihren Asketen und Brahmanen in der unübertrefflichen vollkommenen Erwachung noch nicht erwacht war. Als ich es aber war, stieg mir das Wissen und Sehen auf:

 

'Für ewig bin erlöst ich,

dies ist das letzte Leben,

und nicht mehr gibt es Wiedersehn"'.

 


S.35.17-18 Keine Absicht

 

"Gäbe es, ihr Mönche, kein Labsal des Auges, des Ohres, der Nase, der Zunge, des Körpers, des Geistes und der Formen, der Töne, der Düfte, der Säfte, der Gegenstände, der Dinge, dann würden die Wesen dies auch nicht reizend finden. Weil es aber nun dabei Labsal gibt, darum finden die Wesen dies reizend.

 

Gäbe es, ihr Mönche, kein Elend des Auges, des Ohres, der Nase, der Zunge, des Körpers, des Geistes und der Formen, der Düfte, der Säfte, der Gegenstände und der Dinge, dann würden die Wesen nicht nichts daran finden. Weil es aber nun dabei Elend gibt, deshalb finden die Wesen nichts daran.

 

Gäbe es, ihr Mönche, keine Entrinnung bei Auge, Ohr, Nase, Zunge, Körper, Geist und bei Formen, Tönen, Düften, Säften, Gegenständen, Dingen, dann könnten die Wesen dem nicht entrinnen. Weil es nun aber dabei Entrinnung gibt, deshalb können die Wesen dem entrinnen.

 

Solange die Wesen, ihr Mönche, nicht dieser 6 Innen- und Außengebiete Labsal als Labsal, Elend als Elend, Entrinnung als Entrinnung der Wirklichkeit gemäß erkannt hatten, solange eben, ihr Mönche, verweilten die Wesen in der Welt mit ihren Göttern und Māras, mit ihren Brahmas, mit ihren Asketen und Brahmanen, mit der Schar von Göttern und Menschen nicht entronnen, abgelöst, befreit, unbeschränkten Gemütes.

 

Als sie es aber derart erkannt hatten, verweilten sie so".

 


S.35.19-20 Sich freuen

 

"Wer, ihr Mönche, sich am Auge freut, an Ohr, Nase, Zunge, Körper, Geist und Formen, Tönen, Düften, Säften, Gegenständen, Dingen, der freut sich am Leiden. Wer sich am Leiden freut, der ist nicht befreit vom Leiden, sag ich.

 

Wer sich aber, ihr Mönche, nicht daran freut, der freut sich nicht am Leiden. Wer sich nicht am Leiden freut, der ist befreit vom Leiden, sag ich".

 


S.35.21-22 Vom Entstehen

 

"Was, ihr Mönche, das Entstehen, das Bestehen, das Entwickeln, das Offenbarwerden des Auges ist, des Ohres, der Nase, der Zunge, des Körpers, des Geistes und der Formen, der Töne, der Düfte, der Säfte, der Gegenstände, der Dinge, das ist das Entstehen des Leidens, das Bestehen der Krankheit, das Offenbarwerden von Altern und Sterben. Was aber dabei die Auflösung, die Beruhigung, der Untergang ist, das ist die Auflösung des Leidens, die Beschwichtigung der Krankheit, das Heimgehen von Altern und Sterben".

 


S.35.23 Alles

 

Das hab ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthi, im Siegerwalde, im Garten Anāthapindikos. Dort nun wandte sich der Erhabene an die Mönche: "Ihr Mönche". - "Erlauchter" antworteten jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

 

"Alles will ich euch zeigen, ihr Mönche, das höret wohl. Was ist also, ihr Mönche, alles? Das Auge ist es und die Formen, das Ohr und die Töne, die Nase und die Düfte, die Zunge und die Säfte, der Körper und die Gegenstände, der Geist und die Dinge: das heißt man, ihr Mönche, alles. Wer, ihr Mönche etwa behaupten wollte: 'Ich werde solch ein <Alles> zurückweisen und ein <Alles> von anderer Art aufweisen,' und er würde über den Gegenstand seiner Behauptung befragt werden, so könnte er keinen Bescheid geben, würde vielmehr in weiteren Widerstreit geraten. Und aus welchem Grunde? Weil so etwas, ihr Mönche, nicht zu finden ist".

 


S.35.24-25 Überwindung

 

"Nachdem ich alles überblickt und durchschaut habe, werde ich euch, ihr Mönche, zur Überwindung die Lehre aufweisen. Das höret wohl. Was ist nun, nachdem ich alles überblickt und durchschaut habe, die Lehre zur Überwindung? Nachdem man das Auge und die Formen, das Ohr und die Töne, die Nase und die Düfte, die Zunge und die Säfte, den Körper und die Gegenstände, den Geist und die Dinge überblickt und durchschaut hat, sind sie zu überwinden. Nachdem man das Sehbewußtsein, das Hörbewußtsein, das Riechbewußtsein, das Schmeckbewußtsein, das Körperbewußtsein, das Geistbewußtsein und die Augberührung, Ohrberührung, Nasenberührung, Zungenberührung, Körperberührung, Geistberührung überblickt und durchschaut hat, sind sie zu überwinden. Und was durch die Berührung von Auge, Ohr, Nase, Zunge, Körper, Geist bedingt an Fühlbarem aufsteigt, sei es Wohl oder Wehe oder Weder-wehe-noch-wohl, das ist, nachdem man es überblickt und durchschaut hat, zu überwinden.

 

Dieses nun, ihr Mönche ist, nachdem man es überblickt und durchschaut hat, die Lehre zur Überwindung".

 


S.35.26-27 Durchschauung

 

Wer nicht, ihr Mönche, alles überblickt, nicht alles durchschaut, nicht alles entreizt, nicht alles überwindet, der ist nicht fähig zur Leidensversiegung. Und was ist dieses Alles? Wenn man nicht die 6 Innen- und Außengebiete, deren Bewußtsein, deren Berührung und was durch deren Berührung bedingt an Fühlbarem aufsteigt, sei es Wohl oder Wehe oder Weder-wohl-nach-wehe, überblickt und durchschaut, entreizt und überwindet, ist man unfähig zur Leidensversiegung. Wenn man aber dies alles überblickt, durchschaut, entreizt und überwindet, ist man fähig zur Leidensüberwindung".

 


S.35.28 Alles brennt

 

Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Gayā auf der Höhe von Gayā mit 1.000 Mönchen. Dort nun wandte sich der Erhabene an die Mönche:

 

"Alles, ihr Mönche, ist in Brand. Was alles aber, ihr Mönche, ist in Brand? Das Auge, ihr Mönche, und die Formen, das Ohr und die Töne, die Nase und die Düfte, die Zunge und die Säfte, der Körper und die Gegenstände, der Geist und die Dinge sind in Brand. Das sechsfache Bewußtsein, die sechsfache Berührung und was durch die Berührung bedingt an Fühlbarem aufsteigt, sei es Wohl oder Wehe oder Weder-wehe-nach-wohl, auch das ist in Brand. Und wodurch brennt es? Durch Feuer der Reize, Feuer der Abwehr, Feuer der Verblendung ist es in Brand. Durch Geburt, Alter und Sterben, durch Kummer, Jammer, Schmerz, Trübsinn und Verzweiflung brennt es, sag ich.

 

So sehend, ihr Mönche, findet der erfahrene edle Jünger nichts daran. Nichts daran findend, wird er entreizt. Durch die Entreizung wird er erlöst: 'Im Erlösten ist die Erlösung' erkennt er: 'Versiegt ist die Geburt, vollendet der Brahma-wandel, gewirkt das Werk, nichts Höheres gibt es über dieses hier' versteht er da".

 

So sprach der Erhabene. Zufrieden freuten sich jene Mönche über das Wort des Erhabenen. Während aber diese Lehrdarlegung stattgefunden hatte, wurden die Herzen der 1.000 Mönche ohne Hangen von den Trieben erlöst.

(Vergl. S 22.61)


S.35.29 Verdunkelt

 

Das hab ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Rājagaham, im Bambusparke, am Hügel der Eichhörnchen. Dort nun wandte sich der Erhabene an die Mönche:

 

"Alles, ihr Mönche, ist verdunkelt. Und was ist verdunkelt? Das Auge ist verdunkelt, das Ohr, die Nase, die Zunge, der Körper, der Geist ist verdunkelt. Die Formen sind verdunkelt, die Töne, die Düfte, die Säfte, die Gegenstände, die Dinge sind verdunkelt Das Sehbewußtsein, das Hörbewußtsein, das Riechbewußtsein, das Schmeckbewußtsein, das Körperbewußtsein, das Geistbewußtsein sind verdunkelt. Die Augberührung, die Ohrberührung, die Nasenberührung, die Zungenberührung, die Körperberührung, die Geistberührung sind verdunkelt. Und was durch die Berührung bedingt an Fühlbarem aufsteigt, sei es Wohl oder Wehe oder Weder-wehe-noch-wohl, auch das ist verdunkelt. Inwiefern ist es verdunkelt? Durch Geburt, Alter und Sterben, durch Kummer, Jammer, Schmerz, Trübsinn und Verzweiflung ist es verdunkelt, sag ich.

 

So sehend findet der erfahrene edle Jüngling nichts daran. Nichts daran findend, wird er entreizt. Durch die Entreizung wird er erlöst: 'Im Erlösten ist die Erlösung' erkennt er: 'Versiegt ist die Geburt, vollendet der Brahma-Wandel, gewirkt das Werk, nichts Höheres gibt es über dieses hier' versteht er da''.

 


S.35.30 Passend

 

 

"Das passende Vorgehen, ihr Mönche, zur Ausrottung allen Vermeinens will ich euch zeigen. Das höret und achtet wohl auf meine Rede:

 

Was ist aber das passende Vorgehen zur Ausrottung allen Vermeinens? Da, ihr Mönche, denkt ein Mönch nicht Auge, denkt nicht an das Auge, denkt nicht über das Auge, denkt nicht 'Mein ist das Auge'. Er denkt nicht Formen, denkt nicht an Formen, denkt nicht über Formen, denkt nicht 'Mein sind die Formen'. Er denkt nicht Sehbewußtsein und nicht Augberührung, denkt nicht an sie, nicht über sie, denkt nicht 'Mein sind diese. Und was durch Augberührung bedingt an Fühlbarkeit besteht, sei es Wohl oder Wehe oder Weder-wehe-noch-wohl, auch das denkt er nicht, denkt nicht daran, denkt nicht darüber, denkt nicht 'Mein ist das'. Und ebenso bei allen anderen Sinnesgebieten. das All denkt er nicht, denkt nicht an das All, denkt nicht über das All, denkt nicht 'Mein ist das All'.

 

Wenn er so nicht denkt, dann ergreift er nichts in der Welt. Nichts ergreifend, wird er nicht erschüttert. Unerschüttert gelangt er eben bei sich selber zur Wahnerlösung: 'Versiegt ist die Geburt, vollendet der Brahma-Wandel, gewirkt das Werk, nichts Höheres gibt es über dieses hier' versteht er da. Das, ihr Mönche, ist das passende Vorgehen zur Ausrottung allen Vermeinens".

 


  Oben