PETA-VATTHU

DAS BUDDHISTISCHE TOTENBUCH

EIN TEXT AUS DER KÜRZEREN SAMMLUNG DES PĀLIKANONS

Aus dem Pāli übersetzt

von

HELLMUTH HECKER

© 2001 VERLAG BEYERLEIN UND STEINSCHULTE 95236 Stammbach - Herrnschrot Tel.: 09256/460   email: verlag.beyerlein@T-online.de

Alle Rechte vorbehalten

ISBN 3-931095-31-2

 

[Die Veröffentlichung auf dieser Webseite erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers.]

 

Inhaltsverzeichnis

Seite [im Original]

Vorbemerkung.......................................... 1

Buch I

1. Das Gleichnis vom Acker........................................ .. 5

2. Das Schweinemaul................................................. 10

3. Der Stinkmund.................................................... 11

4. Die Teig-Puppe................................................... 12

5. Außerhalb der Mauern............................................. 14

6. Die Menschenfresserin der fünf Kinder............................ 18

7. Die Menschenfresserin von sieben Kindern......................... 20

8. Der Ochse........................................................ 21

9. Der Webermeister................................................. 23

10. Die Kahlköpfige.................................................. 24

11. Der Elefant...................................................... 27

12. Die Schlange..................................................... 31

Buch II

1. Selbsterlösung aus dem Samsāro................................... 33

2. Die Mutter des Thera Sāriputto................................... 36

3. Mattā............................................................ 39

4. Nandā............................................................ 43

5. Glänzende Ohrringe = Vv 83....................................... 44

6. Kanha............................................................ 45

7. Dhanapāla........................................................ 47

8. Cūlasetthi....................................................... 50

9. Ankura........................................................... 51

10. Uttaras Mutter................................................... 60

11. Das Fadenknäuel.................................................. 62

12. Der ohrenlose Höllenhund......................................... 65

13. Ubbarī........................................................... 71

Buch III

1. Der im Wasser nicht untersank.................................... 73

2. Auf dem Berge Sānuvāsin.......................................... 76

3. Beim See Rathakāra............................................... 80

4. Die Spreu........................................................ 82

5. Der Knabe........................................................ 84

6. Serinī:.......................................................... 86

7. Der Wildsteller I................................................ 88

8. Der Wildsteller II............................................... 89

9. Der betrügerisch Entscheidende................................... 91

10. Der Reliquienverächter........................................... 94

Buch IV

1. Ambasakkhara..................................................... 96

2. Serissaka = Vv 84............................................... 108

3. Nandaka......................................................... 108

4. Revatī = Vv 52.................................................. 114

5. Das Zuckerrohr.................................................. 115

6. Die Prinzen..................................................... 116

7. Der Königssohn.................................................. 118

8. Die Dung-Esser I................................................ 120

9. Die Dung-Esser II............................................... 121

10. Die Peta-Schar.................................................. 121

11. Patna........................................................... 123

12. Die Mangos...................................................... 125

13. Die Achse und der Baum.......................................... 127

14. Reichtum raffen................................................. 128

15. Die Söhne des Gildemeisters..................................... 128

16. Die 60.000 Hämmer............................................... 132

Nachwort

1. Das Petareich................................................... 135

2. Normalgespenster................................................ 137

3. Höllennahe Gespenster........................................... 138

4. Teilzeit-Gespenster............................................. 139

5. Glückliche Gespenster........................................... 140

6. Sonstige Arten.................................................. 142

7. Lakkhana-Samyutta............................................... 144

8. Die Kulisse der Petawelt........................................ 146

9. Lebensende der Petas............................................ 148

10. Was führt zur Peta-Welt?........................................ 149

11. Das schlechte Wirken (Untugend) im einzelnen.................... 152

12. Wie kann man den Gespenstern helfen?............................ 155

13. Arme Seelen im Katholizismus................................... .159

Quellen-Nachweis......................................... 163

Vorbemerkung

Das indische Wort Peta (Pāli Peto; Skr. Preta) heißt wört­lich Voran(pra)-Gegangene(ita) und bedeutet an sich: Vor­gänger, Ahnen, Verstorbene, Manen, im Sinne des Ausdrucks "Er hat sich zu seinen Vätern versammelt". Verstorbene und Gespenster sind allerdings dem Wort nach im Pāli und Sans­krit identisch. Wie kommt das?

Die meisten Menschen, heute mehr denn je, werden mit zuneh­mendem Alter verbittert und unleidlich und fallen ihrer Um­welt auf die Nerven und zur Last. Sie werden derart unzu­frieden, weil sie nicht mehr so genießen können wie früher und weil sie wegen ihrer Schwäche sich nicht mehr mit Ge­walt durchsetzen können. Sie merken, daß sie immer abhängi­ger von anderen werden, und das versuchen sie dadurch zu kompensieren, daß sie die anderen tyrannisieren - womit sie sich nur immer noch einsamer und ausgestoßener fühlen.

Dieses verbitterte und unfreundliche Mißvergnügen der letz­ten Lebensjahre, das ist genau diejenige Stimmung, die schon im Vorhof des Gespensterreichs weilt. Aus diesem Mißmut heraus ist man bei sich selber trüb und der Umwelt unleid­lich. Das ist die Durchschnittsstimmung des durchschnittli­chen alten Menschen. Und deshalb ist Verstorbener und Ge­spenst im Pāli identisch.

Unser Wort "Gespenst" gibt das gespenstische, ruhelose Her­umgeistern wieder, jedoch sind andere Assoziationen hier ab­zuknüpfen. Gespenster, die auf Friedhöfen und in alten Schlössern umgehen, die spuken und Menschen erschrecken, kommen in diesem Buch überhaupt nicht vor. "Gespenst" (Peta) gilt hier als Name für unerfüllte und unerfüllbare Sinnen­gier, ein ödes Leben, grau in grau.

Der Name Peta-vatthu bedeutet wörtlich "Grundlage (vatthu)der Gespenster (Peta)". Dabei ist die Grundlage das Wirken, die Saat, das Erdreich im Gleichnis in M 12. Und das Gespen­sterdasein ist die Ernte, die Frucht, das Blattwerk im Gleichnis des Baumes.

Von den 51 Erzählungen des Peta-vatthu behandeln aber durchaus nicht alle diesen Saat-Ernte-Zusammenhang, wo­durch ein Mensch als Gespenst wiedergeboren wird. Es sind folgende drei Gruppen auszusondern:

1. Drei Erzählungen sind aus dem Vimāna-vatthu hierher versprengt und sind eine identische Wiederholung: Pv II,5 = Vv Nr. 83; Pv IV,2 = Vv Nr. 84; Pv IV,4 = Vv Nr. 52. Darin ist von Petas nicht die Rede.

2. Drei Erzählungen berichten, wie ein Mensch nach dem Tode in die Götterwelt kommt: Pv I,1; III,5; IV,13.

3. Fünf Erzählungen haben den Trost bei Trauer um Verstor­bene zum Inhalt. Hier ist Peta = Verstorbener, ohne daß irgend etwas über die Art der Wiedergeburt des Be­treffenden gesagt ist. Der Inhalt ist rein diesseitig auf den Hinterbliebenen zugeschnitten: I,4, 8, 12; II,6, 13.

Damit fallen von den 51 Erzählungen 11 aus, es bleiben also nur 40 Geschichten über Saat-Ernte hinsichtlich der Gespen­sterwelt. Dagegen sind die 21 Berichte aus dem 19. Samyut­ta, die ebenfalls diesen Saat-Ernte-Zusammenhang zeigen, mit Recht nicht noch einmal in das Peta-vatthu aufgenom­men worden. Sie sind im Anhang kurz inhaltlich wiedergege­ben, weil sie genau das gleiche Thema behandeln, allerdings ohne die ausführliche Begründung wie im Pv.

Einige Erzählungen kommen auch in den Jātakas vor, nämlich I,8 in J 352; I,12 in J 354; II,6 in J 454; III,9 in J 511. In einem späteren Sanskritwerk von Wiedergeburtsgeschichten (Avadāna-śataka) erscheinen in den 10 Geschichten seines fünften Teils zwei der Pv-Titel: I,6 in Nr. 49 und II,10 in Nr. 46.

Der Übersetzung zugrunde gelegt ist der revidierte Text der PTS von Jayawickrama von 1977 für die Verse und die eng­lische Ausgabe des Kommentars von Masefield von 1980 für die Rahmenerzählungen. Zitiert wird nach den vier Abteilun­gen und innerhalb derer nach den Nummern der Erzählungen, also z.8. IV,12. Als sehr zweckmäßig erwies sich die fort­laufende Durchnumerierung aller Verse von 1 - 814, die un­ten stets angegeben ist. Danach wird aber nur zitiert, wenn es sich um einen einzelnen Vers handelt und nicht um die Geschichte im ganzen. Dagegen numerieren die älteren Aus­gaben, das PED und auch der Kommentar die Verse nur inner­halb einer Erzählung durch, was aber umständlich ist, z.B. III,75 (Teil III, Erzählung 7, Vers 5 = Vers 481). Die Aus­gabe von 1977 weicht in der Zählung der Verse manchmal um eins von den früheren Ausgaben ab: Das jedesmal zu vermer­ken, erschien entbehrlich.

Die Versform ist meist der Sloka von 32 Silben, geschrieben in den Ausgaben in zwei Zeilen zu je 16. Im Deutschen wird dies aber zu Recht immer in vier Zeilen zu je 8 Silben ge­schrieben. Von den 814 Versen haben nur etwa 270 eine ande­re Silbenzahl, meist 11 pro Zeile statt 8. Die Übersetzung folgt dem jeweiligen Versmaß. Selten hat ein Vers statt 4 aber 6 Zeilen: Von daher kommt die unterschiedliche Numerie­rung, je nachdem, ob man diese Zeilen zum vorigen oder zum folgenden Vers zählt.

Der Text besteht aus drei Teilen. Der Hauptteil, der allein als kanonisch gilt und daher bei Jayawickrama allein abge­druckt, ist ohne die Rahmenerzählungen oft nicht verständ­lich. Diese wurden etwa 500 Jahre länger als die Verse nur mündlich überliefert, gelten auch nicht als kanonisch, weshalb sie hier nicht wörtlich übersetzt sind, sondern nacher­zählt. Oft wiederholt die Rahmenerzählung den Inhalt der Verse, was überflüssig ist, und oft sind sonstige Kürzun­gen oder Erläuterungen zum Verständnis sinnvoll. Alle Kom­mentare aber werden am Ende als "Bemerkungen" gegeben, wo­bei der alte Wortkommentar nur selten Erwähnung verdient.

Das Werk erfreut sich bei der Wissenschaft keiner Beliebtheit. So spricht 1920 Moritz Winternitz von Pv und Vv als "höchst unerfreulichen, glücklicherweise wenig umfang­reichen Werken" (Gesch. d. ind. Lit., Bd. 11, S. 77). Ins Deutsche übersetzt wurde bisher auch nur ein kleiner Teil, auch davon meist nur die Verse (Stede, 1914). Im engli­schen Sprachraum haben dagegen drei Indologen es für wert befunden, das Werk herauszugeben, wie unten aus dem Lite­raturverzeichnis zu ersehen ist.

Buch I

I,1: Das Gleichnis vom Acker

In Rājagaha lebte ein unermeßlich reicher Mann, der nur un­ter dem Namen Mahā-dhana-setthi ("viel reicher Gildemei­ster") bekannt war. Er hatte einen einzigen Sohn, den er abgöttisch liebte. Seine Eltern überlegten sich: "Wenn un­ser Sohn auch tausend Taler pro Tag ausgibt, so wird sein Vermögen selbst in hundert Jahren nicht aufgebraucht sein." Daher ließen sie ihn keinen Beruf und keine Kunst lernen, weil sie dachten: "Da das Erlernen einer Kunst eine ermü­dende Anstrengung bedeutet, so mag er eben bei gesundem Kör­per und Geist bequem seinen Reichtum genießen." Als er dann 16 Jahre alt geworden war, führten sie ihm eine entzückende Braut zu, die er nur zu gern heiratete. Daß sie auch nicht den leisesten Sinn für das Religiöse hatte, bemerkte er nicht einmal. Mit ihr verbrachte er seine Zeit, nur dem Ver­gnügen, der Lust, der Zerstreuung hingegeben. Gaben gab er keine und behandelte Asketen und Brahmanen verächtlich.

Als seine Eltern gestorben und er der Alleinerbe des riesi­gen Vermögens geworden war, fielen die letzten Schranken, die ihn noch zurückgehalten hatten. Er gab nun mit vollen Hän­den sein Geld an Tänzer, Sänger, Trinker, Schauspieler, Spie­ler, die sich, wie Motten zum Licht, um ihn drängten und ihn ausbeuteten. Die Sucht zur Übersteigerung ließ ihn immer neue und kostspieligere Ideen finden. Und bei diesem Prassen begann selbst der riesige Reichtum spürbar abzunehmen. Da ver­fiel er auf das Glücksspiel, und nun verschlang der Moloch um so schneller sein Vermögen. Eines Tages war das Vermögen durchgebracht, und er stand vor dem Ruin. Da begann er, um sein Leben des gewohnten Leichtsinns und der verspielten Leich­tigkeit noch fortsetzen zu können, sich Geld zu pumpen. Er er­hielt es zunächst auch, da er ja eine stadtbekannte Persön­lichkeit war. Er verpfändete dafür all seinen Besitz, Haus und Hof, Feld und Flur. Eines Tages waren auch die Pfänder und sein Kredit zu Ende. Die Gläubiger nahmen ihm alles ab, und er stand vor dem Nichts. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als zum Bettler zu werden. So lebte er denn im Ar­menhaus der Stadt kläglich dahin, immer in Sehnsucht nach seinen glücklichen Zeiten.

Er starb nun aber nicht an Kummer, machte auch keinen Selbstmord aus Verzweiflung, sondern - er traf eines Ta­ges den Führer einer Einbrecherbande. Dieser Gangsterchef sagte zu ihm: "Was hast du denn von deinem armseligen, müh­samen Bettelleben? Du bist jung und stark. Komm doch zu uns und verschaffe dir wieder ein besseres Leben." Er bot ihm an, ihn zum Einbrecher auszubilden. Da stimmte er freudig zu. Was seine Eltern ihm hatten ersparen wollen, die Be­rufsausbildung, das mußte er nun doch nachholen, denn auch das Diebeshandwerk will gelernt sein. So mußte er zum er­stenmal in seinem Leben arbeiten und lernen und sich aktiv bemühen. Als er die Anfangsgründe des Räuberwesens eini­germaßen beherrschte, nahm ihn die Bande eines Tages mit auf ihre Tour. Sie postierten ihn an der Tür des Hauses, in das sie einbrechen wollten, gaben ihm eine große Keule in die Hand und sagten, er müsse jeden erschlagen, der sie an der Arbeit stören würde. Er hatte nicht das geringste Ge­fühl, daß dies böse sein könne. In seiner lebensfremden Un­erfahrenheit versagte er kläglich. Als die Bewohner des Hau­ses erwachten, sahen sie ihn, nahmen ihn fest, während die anderen davonliefen. Er wurde zum König gebracht, der den auf frischer Tat Ertappten, nach dessen Bande man schon lan­ge gefahndet hatte, zum Tode durch Enthaupten verurteilte. Unter schrillem Trommelwirbel und mit Peitschenschlägen an­getrieben wurde der mit den Händen auf dem Rücken Gefessel­te zur Richtstätte geführt, die vor den Toren lag. Die Be­völkerung freute sich und klatschte Beifall, da nun endlich der Übeltäter gefaßt war, vor dem kein Haus sicher zu sein schien.

Während er so durch die Straßen geführt wurde, sah ihn Sula­sā, die Stadtschöne, die stadtbekannte, reizende Hetäre, als sie vom Fenster auf den Straßenlärm blickte. In seinen glücklichen Zeiten hatte er Umgang mit ihr gehabt. Nun fühl­te sie Mitleid mit ihm, der von den Höhen göttergleichen Ge­nusses so tief herabgestürzt war. Aus Erbarmen sandte sie ihm rasch einige Süßigkeiten und einen frischen Trunk mit der Bitte an die Wächter, ihm diesen Genuß vor seiner Hin­richtung als "Henkersmahlzeit" noch zu gestatten. Sie über­legte nicht lange, was ihm denn dies noch nützen könne, son­dern sie handelte impulsiv aus spontanem Mitleid.

Um diese Zeit weilte der ehrwürdige Mahāmoggallāno in Rāja­gaha. Er pflegte am Morgen mit dem himmlischen Auge über die Welt zu schauen, um zu sehen, wo Hilfe und Förderung ange­bracht war. Da sah er nun diesen Jüngling. Auch er hatte gro­ßes Mitleid mit ihm, denn er sah klar, daß dieser noch heute zur Hölle gelangen würde, wenn der Scharfrichter sein Haupt von seinem Rumpf trennen würde. Mahāmoggallāno überlegte: "Da dieser Mann auch nicht das winzigste Verdienst gewirkt, sondern nur leichtsinnige und schlechte Taten getan hat, ist er der Hölle verfallen. Wie wäre er zu retten? Wenn er mir die Süßigkeiten und den Trunk geben würde, dann wäre das ge­nug Verdienst für ihn, statt in der Hölle im Himmel wiederge­boren zu werden." So ging er zu den Wächtern und kam gerade in dem Augenblick, als die Geschenke Sulasās ihm gebracht wurden. Als der Delinquent den ehrwürdigen und von Liebe er­füllten Mönch herantreten sah, da schoß es ihm durch den Kopf: "Was habe ich denn davon, wenn ich diese Süßigkeiten esse? Bevor ich sie verdauen kann, ist mir der Kopf abgeschla­gen, und die Würmer werden sie fressen. Wenn ich sie aber die­sem ehrwürdigen Mönch spende, dann könnten sie mir zur Weg­zehrung für die andere Welt dienen." Plötzlich, angesichts des sicheren Todes, fiel ihm die andere Welt ein, um die er sich sein ganzes bisheriges Leben nicht gekümmert hatte, und auch das Gesetz von Saat und Ernte tauchte ihm aus den Tie­fen seines Bewußtseins auf. Was aber hatte er für gute Saat aufzuweisen? Nichts, absolut gar nichts, außer der Möglich­keit, jene Süßigkeiten zu spenden. So gab er freudig die Ga­be der Hetäre an den Mönch weiter. Dieser aß alles auf, trank den Trunk und ging des Weges. Der Jüngling aber fühlte sich trotz seiner Lage zum ersten Mal seit langem wieder froh und heiter.

Sein Schicksal aber nahm seinen Lauf. Das Hinrichtungs­kommando setzte nach jener Episode den Weg fort und ge­langte zur Richtstätte. Dort wurde ihm der Kopf abgeschla­gen. Wegen der Spende an einen Heiligen, an einen der größ­ten Jünger des Erwachten, hatte er sich solches Verdienst erwirkt, daß ihm der Weg zu einer hohen Himmelswelt offen­stand. Aber im Augenblick seines Todes hatte sich sein Sinn Sulasā zugewandt. Er dachte, daß er ihr jene Gabe ver­danke, die ihn so erhoben hatte, als er sie weitergab. Aber er dachte auch sehnsüchtig an die Sinnenlust, die er mit ihr erlebt hatte. So war sein Herz im Todesmoment nicht nur auf Geben, Dankbarkeit und Himmelswelt ausgerichtet, son­dern auf Habenwollen, Genießenwollen mit dem Fleischleib. Durch dieses vorwiegende Bewußtsein gelangte er dann nicht zu den Göttern der Dreiunddreißig oder noch höher, sondern nur zu den erdnahen Göttern der Vier Großkönige. Er wurde eine Baumgottheit, die an einen mächtigen Banyan-Baum mit dichtem Schatten im Dschungel nahe Rājagaha gebunden war.

Als eines Tages Sulasā vor die Stadt fuhr, erschien er ihr, und er konnte sie kraft seiner Fähigkeiten in sein "Himmels­schlößchen" entführen. Zuerst war sie glücklich mit ihm, dann aber merkte sie, wie ihre alte Mutter sich verlassen fühlte und um ihre Tochter jammerte und klagte. So bat sie ihn nach einer Woche, sie wieder nach Hause zu lassen. Da er ihr sehr zugetan war und in ihr seine Retterin vor der Hölle verehrte, zögerte er keinen Augenblick, ihren Wunsch zu erfüllen. Die Leute hatten sie schon überall gesucht und wunderten sich nun, wo sie die ganze Woche gewesen sei. Als sie die Wahrheit erzählte, wollte man es zuerst nicht glau­ben, sie konnte aber die Menschen überzeugen. Diese staun­ten und riefen: "Wahrlich, die Heiligen sind der beste Boden in der Welt für Verdienst. Selbst eine so kleine Gabe läßt einen Menschen unter den Göttern wiedergeboren werden." Die Kunde von dieser Geschichte drang bis zu den Mönchen, die sie dem Erwachten erzählten. Er gab daraufhin den Mönchen dazu folgende Merkverse:

Die Heil'gen sind dem Acker gleich,

der Spender gleicht dem Ackersmann,

dem Saatgut sind die Gaben gleich,

daraus entwickelt sich die Frucht. (1)

Das ist die Saat, das ist das Feld

für Petas und für Spender auch.

Die Saat von Petas wird verzehrt,

aus dem Gegeb'nen wächst Verdienst. (2)

Wer schon hienieden heilsam wirkt

und Rücksicht auf die Petas nimmt,

der gehet zu den Himmeln ein,

weil er ein gutes Werk gewirkt. (3)

Bemerkungen:

Der Anfang dieser Geschichte bis zum Schuldenmachen wird ähnlich aus lange zurückliegenden Zeiten von einem Großkaufmann aus Benares er­zählt, der 800 Millionen besaß und dessen Sohn Mahā-dhanako (Großes Vermögen Habender) genannt wurde. Dort nimmt die Erzählung aber einen anderen Verlauf: Der Jüngling will sich ertränken usw. (J 482).

Im 419. Jātaka wird von einer Hetäre Sulasā aus Benares erzählt, die sich in einen erfolgreichen Einbrecher verliebte, als der zur Richt­stätte geführt wurde. Dort aber will sie ihn befreien, was ihr auch ge­lingt.

Der Playboy oder Sonnyboy scheint auf den ersten Blick außer der Ver­achtung von Asketen nichts Böses getan zu haben. Allerdings war er be­reit, zu rauben und zu töten. Außerdem hatte er offenbar durch seine Verschwendung auch seine Frau ins Unglück gestürzt, hatte in seiner Ausschweifung Ehebruch betrieben und kräftig dem Alkohol gefrönt. So hatte er alle Sīlas der Taten verletzt: Töten und Stehlen als Berufs­ausbildung, Ausschweifung als Ehebruch, Rauschmittel als Gewohnheit. Und dann hatte er, als er verarmte, nicht irgendeine Tätigkeit als Die­ner oder ungelernter Arbeiter angenommen, sondern lag der Gemeinschaft auf der Tasche, indem er ganz selbstverständlich das Armenhaus ausnutz­te und von den milden Gaben der Menschen lebte. Arbeitsscheu und asozial hatte er gelebt. Keine Spur von Höherem war in ihm. Dies alles zusammen und vielleicht noch eine Disposition von früher bestimmten ihn zur Hölle, wenigstens zu der mildest möglichen. Die Gabe an einen Heiligen dagegen konnte ihn etwa bis zu den Stillzufriedenen Göttern bringen, wenn er nicht allzu menschliche Gelüste gepflegt hätte. Aber nachdem der Buddha die Lehre dargelegt hatte, gelangten er und Sulasā zum Verständnis der Lehre.

I,2: Das Schweinemaul

Zu Lebzeiten des früheren Buddha Kassapo lebte unter ihm ein Mönch, der seinen Körper asketisch gezügelt hatte und in Taten nicht das Geringste tat, was einem Mönch nicht ziemt. Darin war er anderen überlegen. Aber er konnte sei­ne Rede nicht bezähmen und kritisierte und schalt seine Mitmönche bei jeder Gelegenheit.

Nach dem Tode wurde er in der Hölle wiedergeboren. Dort mußte er lange Qualen erleiden. Erst als unser Buddha auf Erden erschien, war seine böse Ernte zu Ende. Seine Er­leichterung bestand darin, daß er nun als Peta wiedergebo­ren wurde, als ein normales Hungergespenst, das Speise und Trank entbehrte. Dabei war sein Astralleib von goldener Schönheit, aber sein Mund war wie beim Schwein. Er lebte nahe dem Geierkulm an dessen Fuß. Als nun der ehrwürdige Narada morgens in die Stadt Rājagaha um Almosenspeise ging, sah er den Peta traurig an der Straße stehen und sprach ihn an:

Narada:     Wie gülden glänzt dein Körper dir,

in jede Richtung leuchtet er,

dein Mund jedoch ist wie beim Schwein.

Welch Werk hast früher du gewirkt? (4)

Peta:       Im Tun, da hab ich mich bezähmt,

im Reden aber tat ich's nicht,

deshalb seh ich nun also aus,

wie du es, Narada hier siehst. (5)

So sag ich dir nun, Narada,

was du hier selber also siehst:

Tu nimmer Böses mit dem Mund,

damit kein Schweinemaul du wirst. (6)

Bemerkungen:

Der Mönch Narada kommt außer hier noch in I,3, III,7 - 9 und öfter in Vv vor. In den Lehrreden erscheint er nur in S 12,68, während der Mönch Narada in A V/50 ein anderer sein muß, da diese Rede lange nach dem Buddha unter König Mundo, dem Urenkel Ajatasattus, spielt.

I,3: Der Stinkmund

Ebenfalls zur Zeit des Buddha Kassapo lebten zwei gute Freun­de als Mönche. Sie übten sich in Tugend und Herzensläuterung und lebten in Frieden und Harmonie bei einem Dorfe. Eines Ta­ges erschien bei ihnen auf seiner Wanderschaft ein Ordensbru­der, den sie freundlich aufnahmen. Er ging dann mit ihnen auf Almosengang ins Dorf. Dort sah er, wie die Dorfbewohner die beiden Mönche aufs höchste verehrten und ihnen die besten Din­ge spendeten. Da überlegte er sich: "Entzückend ist dieses Dorf, es gibt reichlich Almosen, die Menschen sind von Glau­ben erfüllt. Hier kann man gut leben, aber nicht, solange die beiden anderen hier sind."

Und er begann, einen bei dem anderen zu verleumden, zu ver­dächtigen und schlecht zu machen. Zuerst wollten sie es nicht glauben, aber schließlich fraß sich das Gift doch ein, und sie wurden mißtrauisch. Und weil sie mißtrauisch waren, deu­teten sie alle Indizien falsch. Schließlich verließen sie, ohne dem anderen etwas zu sagen, den Platz, und jeder ging anderswo hin.

Als die Leute nach den beiden fragten, sagte der Verleumder, sie hätten dauernd miteinander gestritten, und er hätte ver­gebens versucht, sie zu versöhnen. Die Leute aber waren froh, daß sie jedenfalls noch ihn hatten.

Nach einigen Tagen aber überfiel ihn immer stärker das schlechte Gewissen. Vorwürfe und Reue plagten ihn und ver­düsterten sein Gemüt. Binnen kurzem starb er - und wurde in der Erzhölle wiedergeboren. Zur Zeit unseres Buddha war sei­ne Höllenqual abgelaufen, und er wurde von der Hölle befreit. Nun war er ein Peta, der nahe Rājagaha lebte. Vom Geierkulm herabkommend, sah ihn Narada und sprach ihn an:

Narada:     Gar himmlisch lieblich bist du anzusehn und schön,

du stehst und schwebst im Raume in der Luft,

doch deinen übelriechend Mund zerfressen Würmer.

Was ist es für ein Werk, das einstmals du gewirkt? (7)

Peta:       Ich war Asket, war böse, Schlechtes redend,

Im Wandel Büßer, unbezähmt in Worten.

Erlangt hab ich durch Buße schöne Artung,

doch stinkt mein Mund, weil ich hab hintertragen. (8)

Dies hast du, Narada, nun also selbst gesehn,

was mitleidsvoll die Guten würden sagen:

"Sprich niemals hintertragend, niemals lügend,

dann wirst gewiß ein wunschgenießend Yakkha du." (9)

Die beiden Mönche aber trafen sich nach einiger Zeit wie­der. Da erzählten sie sich gegenseitig, was der Verleum­der gesagt hatte. So wurden sie wieder Freunde, und die alte Harmonie kam wieder auf. Sie begaben sich zu ihrem Dorf, und als die Leute sie erblickten, waren sie über­glücklich und versorgten sie mit allem. Die beiden aber übten sich in der Lehre und entwickelten immer tiefere Einsicht. Schließlich erreichten sie beide die Heiligkeit.

Bemerkungen:

Der böse Mönch war ein reiner Verleumder, er hetzte mit Lügen die an­deren gegeneinander auf und verbreitete Unwahrheiten über sie. Hin­tertragen im eigentlichen Sinne hatte er wohl nicht, denn von Hinter­tragen spricht man nur bei wahren Dingen. Aber vielleicht hatte er auch einmal ein leichtes Vergehen des einen weitergetragen oder etwas aus der Vergangenheit und es dann aufgebauscht und zur Spaltung be­nutzt. Jedenfalls gelangte er in die schlimmste aller Höllen, in die Erzhölle, was der Mönch in I,2 noch nicht erlebte. Sein Sinn ist nun nur auf die nächsthöhere Götterwelt gerichtet. Wer nicht lügt und hinterträgt, der komme zu den Vier Großkönigen, zu denen die Yakkhas gehören (Vers 9).

I,4: Die Teig-Puppe

Anāthapindiko hatte eine Enkelin, die noch ein kleines Kind war. Ihre Amme gab ihr eines Tages eine Puppe aus Teig, aus Mehl gebacken, zum Spielen. Das Kind freute sich sehr darüber und sprach von dieser Puppe nur als von ihrer Tochter. Als sie aber einmal nicht aufpaßte, da fiel die Puppe auf die Erde, und der Keksteig, der ganz hart gewor­den war, zerbrach. Das Kind aber war untröstlich und jam­merte immer: "Meine Tochter ist gestorben." Niemand ver­mochte sie zu trösten.

Damals hatte Anāthapindiko gerade den Buddha zum Mahle ge­laden, und beide saßen zusammen. Da kam die Amme mit dem Kind zu Anāthapindiko. Er fragte, warum sie denn weine. Die Amme erzählte den Grund. Da nahm er das Kind auf den Schoß und sagte tröstend: "Ich werde für deine Tochter Almosen spenden." Dann wandte er sich an den Buddha und sprach: "Ich möchte gern für die Puppe, meine Urenkelin, Almosen spenden. Gut wäre es, wenn der Erhabene mit 500 Mönchen morgen zum Mahle zu mir käme." Der Erwachte stimmte schweigend zu. Am nächsten Tage fand das Essen statt. Am Ende wandte sich der Buddha mit folgenden Versen an Anāthapindiko:

Auf wen bezogen man auch ist,

wenn ohne Geiz man Gabe gibt,

sei's für die Vorverstorbenen,

sei's für des Hauses Götter hier, (10)

für die Vier Großen Könige,

die Weltenhüter, ruhmesreich,

Kuvero, Dhatarattho auch,

Virūpakkho, Virūlhako,

die werden alle so verehrt,

und Geber sind nicht ohne Frucht. (11)

Was aber Weinen, Kummer ist,

Wehklagen oder was es sei,

nicht nützen die Verwandten so

dem Peta im geringsten nur. (12)

Doch wer hier jene Gabe gibt,

verwendend für den Orden sie,

dem wird für lange Zeiten dies

zum Vorteil dienen ganz gewiß. (13)

Bemerkungen:

Vers 10: Vorverstorbene (pubba-peta). Hier steht Peta im allgemeinen Sinne als Tote, aber durch die Konfrontation mit den dann genannten Göttern doch auf die Welt der Gespenster (Peta) bezogen. (Ebenso siehe Pv A p. 92 (Ü: S. 100 für Pv II,5)

Die Hausgötter (vatthu-deva) sind die Erdgötter von Grund und Boden (vatthu), den römischen Laren vergleichbar. Sie gehören zu den Unter­gebenen der Vier Großkönige, deren Namen in Vers 11 genannt sind. Jeder steht einer Gruppe Jenseitiger vor.

Vers 12/3 = Vers 23/4

I,5: Außerhalb der Mauern

In jenem Weltzeitalter, das dem 91. Äon mit dem Buddha Vi­passi unmittelbar voranging, lebte in einer Stadt namens Kāsipurī König Jayasena. Seine Frau, Königin Sīrimā, gebar einen Sohn, Phussa. Dieser war ein Bodhisatta und ging bald in die Hauslosigkeit und erreichte die Erwachung. Der König war sehr stolz auf seinen Sohn und nahm in An­spruch, daß er allein für ihn und den Orden sorgte. Der König hatte aber noch drei Söhne, von einer anderen Frau, die dachten, daß ein Buddha für die ganze Welt erscheint, nicht nur für einen Menschen, wie ihren Vater. So veranlaß­ten sie, daß an der Grenze Unruhe auszubrechen schien. Als der König davon hörte, sandte er seine drei Söhne zur Be­schwichtigung. Sie waren erfolgreich. Der König war hoch­erfreut und stellte ihnen die Erfüllung eines Wunsches in Aussicht. Da wünschten sie, auch dem Buddha Phussa aufwar­ten zu dürfen. Der König aber schüttelte den Kopf: "Alles könnt ihr wünschen, nur das nicht." Sie baten, wenigstens für eine Zeit den Orden versorgen zu dürfen. Für sieben Jah­re? Sie gingen immer weiter herunter, aber jedesmal verwei­gerte der König es. Als sie schließlich bei drei Monaten angekommen waren, gab er nach. So versorgten die drei den Buddha, ihren Halbbruder, für die drei Monate der Regenzeit mit allem Notwendigen. Sie hatten dafür ihren Gouverneur in der Gegend, wo der Buddha weilen würde, instruiert, ein Kloster zu bauen und alles heranzuschaffen, was nötig war. Als alles bereit war und die Regenzeit begann, begaben sie sich mit zahlreichen Helfern zu dem neuen Kloster und ver­sorgten den Buddha und den Orden die drei Monate. Alles wurde gut organisiert, und die Bevölkerung half eifrig mit. Es gab aber ein paar Chaoten, die versuchten, die Spenden zu verhindern. Sie unterschlugen sie und aßen selber davon. Dann steckten sie den Eßsaal in Brand. Das Spenden aber konnten sie nicht verhindern. Nach Ablauf der Regenzeit kehrten die Prinzen und ihre Helfer nach Kāsipurī zurück. Der Buddha Phussa aber wanderte mit ihnen und ging dann ins Nirvāna ein.

Nachdem die drei Königssöhne und ihr Gouverneur und andere Helfer gestorben waren, wurden sie in den Himmeln wiederge­boren. Die Chaoten aber in den Höllen. Und wenn diese beiden Gruppen in ihrem Bereich gestorben waren, erschienen sie je­weils dort wieder, die einen in Himmeln, die anderen in Höl­len. So ging das 92 Weltzeitalter lang. In unserem glückli­chen Weltzeitalter, das fünf Buddhas trägt, geschah es, dass die Chaoten unter dem Buddha Kassapo erstmals wieder die Höl­le verlassen konnten und ins Petareich aufstiegen. Als Petas sahen sie, wie Menschen spendeten und damit ihren Peta-Ver­wandten nützten. Da fragten sie den Buddha Kassapo, wodurch sie dies auch erreichen könnten. Er sagte, das sei noch nicht möglich. Erst wenn später ein Buddha namens Gotamo erscheinen werde, dann werde auch ein König namens Bimbisāro erscheinen, der sei ihr Verwandter vor 92 Äonen gewesen, und was er dem Buddha spende, das könne ihnen zugute kommen. Da freuten sie sich so, daß ihnen war, als ob dies schon am nächsten Tag eintreten würde.

Als dann der Buddha Gotamo in der Welt erschien, kamen die drei Königssöhne und viele Begleiter aus der Götterwelt erst­mals wieder als Menschen zu irdischer Geburt. Sie wurden bald Asketen, und zwar die drei Brüder der Flechtenträger von Gāya, die der Buddha Gotamo bald belehrte, bekehrte und die bald Heilige wurden. Ihr Gouverneur aber wurde König Bimbisāro. Als der König bald den Buddha einlud, da freuten sich die Petas und hofften, er würde ihnen die Gabe widmen. Der König aber dachte allein daran, wie er dem Buddha ein Kloster stif­ten könne. Da heulten und jammerten die Petas, und zwar nachts so laut, daß der König es hörte. Er bekam einen Schreck und fragte am Morgen den Buddha, was das nächtliche Geistergejam­mer wohl zu bedeuten habe, ob ein Unglück bevorstehe. Der Buddha aber beruhigte ihn und erklärte ihm, daß frühere Ver­wandte aus dem 92. Weltzeitalter um Hilfe bäten. Da spendete der König dem Buddha und dem Orden, und mittels der Kraft des Buddha wurden die Petas ihm dabei sichtbar, wie sie außerhalb der Mauern standen.

Wenn der König Trinkwasser spendete und sagte, es möge sei­nen Verwandten zugute kommen, da erschienen schon in der Petawelt reiche Lotusteiche mit entzückenden Blumen. Sie tranken davon, badeten dort und labten sich. Durst und Schwäche vergingen ihnen, und ihre Haut wurde gülden. Als Bimbisāro Reisgrütze spendete und andere Nahrungsmittel, da bekamen sie ebenso zu essen. Sie genossen es und wurden gekräftigt. Der König gab Kleidung und Unterkunft, da ent­standen Paläste mit bestem Mobiliar und viele Kleider. Da­nach sprach der Buddha zur Erklärung zum König folgende Verse:

Buddha:     Sie stehen vor den Mauern da,

an Kreuzungen, an Plätzen auch,

sie stehn an Pfosten vor der Tür,

zum eignen Haus gekommen her. (14)

Zum Essen, Trinken, Fülle gibt's

an Nahrung, die vorhanden ist,

doch niemand an die Wesen denkt,

die einst sich so ihr Los gewirkt. (15)

Nur wenn von Mitleid sind erfüllt

Verwandte, solche geben dann

rechtzeitig, was erlesen, rein,

an passend Essen, Trinken ist:

"Für unsere Verwandten sei's,

Verwandte sollen glücklich sein." (16)

Und diese dann versammeln sich,

Verwandte aus der Petawelt.

Was ist an Essen, Trinken, da,

des freuen sie aufrichtig sich: (17)

Petas:      "Lang mögen leben Unsrige,

von denen dieses wir erlangt,

die uns gewürdigt und verehrt,

denn Geben bleibt nicht ohne Frucht." (18)

Buddha:     Nicht gibt's im Jenseits Ackerland,

nicht findet man auch Viehzucht dort,

nicht gibt es Handel, so wie hier,

nicht gibt es Geld, Kauf und Verkauf.

Nur das, was hier gegeben ward,

den Petas drüben kommt zugut. (19)

Wie Regen, der auf Bergen fiel,

nun stets bergabwärts weiterfließt,

so kommt, was hier gegeben ist,

den Petas drüben wohl zugut. (20)

Wie große Ströme, übervoll,

den Ozean erfüllen stets,

so kommt, was hier gegeben ist,

den Petas drüben wohl zugut. (21)

Peta:       "Sie gaben, taten wohl für mich,

Genossen, Freunde, wer verwandt,

uns Petas möge geben man,

gedenkend, was man sich erwirkt." (22)

Buddha:     Was aber Weinen, Kummer ist,

Wehklagen oder was es sei,

nicht nützen die Verwandten so

dem Peta im geringsten nur. (23)

Doch wer hier jene Gabe gibt,

verwendend für den Orden sie,

dem wird für lange Zeiten dies

zum Vorteil dienen ganz gewiß. (24)

Dies ist die Pflicht Verwandter, hier beschrieben:

Den Petas ist Verehrung reichlich worden,

den Mönchen aber hat man Kraft gegeben,

nicht wenig also ist Verdienst, was ihr gewirkt. (25)

Bemerkungen:

Diese 12 Verse kehren wörtlich als 7. Stück des Khuddakapātha wieder.

Vers 23 - 24 = Vers 12 - 13.

Die Geschichte klingt phantastisch und scheint dem Gesetz des Wandelseins zu widersprechen. Wie können Wesen 92 Äonen lang in der Hölle oder im Him­mel bleiben? Wie ist solche Beständigkeit innerhalb der allgemeinen Unbe­ständigkeit des Daseins möglich?

Was das himmlische, übermenschliche Dasein angeht, so hat dies ja viele Ebenen. Es heißt hier nur, daß die Wesen nicht unterhalb davon sanken, al­so nicht Menschen oder gar untermenschliche Wesen wurden. Die Himmel sel­ber sind sehr unterschiedlich, auch die Brahmas gehören dazu. Und die le­ben äonenlang. Angesichts dessen wird die Zeitangabe schon relativer. Dann ist ein Leben, das eines höheren Brahma, mehrere Äonen lang.

Schwieriger ist indes das gleichbleibende Höllendasein zu verstehen. Wenn Devadatto für viel schlimmere Taten, als die hier beschriebenen Chaoten sie begangen haben, "nur" ein halbes Äon in die Hölle kam, wieso sollen dann jene 92 Äonen leiden. Wo ist da die Gerechtigkeit und die Saat-Ernte­Verhältnismäßigkeit? Dazu wäre zu sagen: Erstens heißt es von Devadatto, daß er in die Erzhölle kam, in die schlimmste Leidensform. Davon ist hier, im Gegensatz zu Pv I,3, nie die Rede. Es könnte doch sein, daß ein halbes Äon Erzhölle schlimmer ist als 92 Äonen "normale" Hölle.

Zweitens sind die Höllen ebenso unterschiedlich gestaffelt wie das Peta­reich. Die "mildesten" Formen sind von den höllennahen Gespenstern kaum zu unterscheiden. Die Chaoten könnten dann immer nur an dieser Grenze er­schienen sein.

Drittens gehören zur Hölle auch die Höllenwächter, die Quälgeister, die sozusagen "glückliche Höllische" sind, weil sie während dieser Zeit sel­ber nicht leiden, sondern andere leiden lassen. Das mag die Leidenszeit schon erheblich verkürzen.

Viertens, und vor allem aber, gibt es Höllen nur, solange es die Sinnen­welt gibt. Und die Sinnenwelt gibt es nur während der Weltausbreitung, nicht während der Weltzusammenballung. Dann bestehen die Wesen nur aus Brahmas. Also steht das Höllendasein der Chaoten unter der stillschweigen­den Voraussetzung einer Wenn-dann-Klausel. Wenn es Höllen gibt, dann sind sie dort. Wenn es diese nicht gibt, dann sind sie Brahmas wie die anderen Wesen.

Trotzdem mag der Eindruck des Phantastischen bleiben. Aber noch viel phantastischer ist es, daß im geschlossenen Leidenskreislauf des Sam­sāro ein Buddha erscheinen kann. Das ist ein ungleich größeres Wunder, als 92 Äonen in Himmel oder Hölle zu weilen. Und das Spenden oder Ver­weigern gegenüber einem Buddha hat ebenfalls wunderbare und phanta­stisch klingende Auswirkungen. Wer in den Anziehungsbereich eines Bud­dha kommt - im Guten oder Bösen -, der erlebt einen Abglanz von Be­ständigkeit.

Die Rahmenerzählung zeigt auch die große Bedeutung dieses 92. Äons. Im 91. Äon lebte der Buddha Vipassi, von dem noch heute Jünger als Nicht­wiederkehrer im Himmel der Reinhausigen existieren, wie es in D 14 be­schrieben ist. Und die Laien, die seit dem 92. Äon in Himmeln lebten, stellten zu Lebzeiten des Buddha die größte Schar von Indern, die ge­schlossen dem Orden beitraten und binnen kurzem samt und sonders Hei­lige wurden. Das waren die drei Kassapos, die Führer jeweils von Hun­derten von Asketen. So wie sie vor 92 Äonen mit ihren Freunden dem Buddha Phussa aufgewartet hatten, so dienten sie nun als Mönche gei­stig dem Buddha Gotamo. Das 92. Äon scheint dasjenige zu sein, das noch Ausstrahlungen bis in die Zeit des Buddha hatte. So weit zurück lagen die karmischen Ursachen für die drei Kassapos und für Bimbisāro.

I,6: Die Menschenfresserin der fünf Kinder

In einem Dorf bei Sāvatthī lebte ein vermögender Mann. Sei­ne Ehefrau war unfruchtbar. Seine Verwandten drängten ihn, eine andere Frau zu nehmen, aber da er sie liebte, wollte er es nicht. Da sagte sie zu ihm: "Ich bin unfruchtbar, o Herr. Eine andere Braut muß her, laß die Linie der Familie nicht aussterben." Als sie ihn so drängte, willigte er schließlich ein und nahm sich eine zweite Frau hinzu. Diese wurde dann bald schwanger. Da wurde die erste Frau plötz­lich neidisch und fürchtete, daß die zweite Frau nun Herrin im Haus sein würde, während man sie zurücksetzen würde. Übermannt von dieser Eifersucht suchte sie eine Pilgerin auf, die ihr ein Abtreibungsmittel verschaffte, das sie der zweiten Frau beibrachte. Das Folgende schildern die Verse.

Bald nach dem Meineid starb die erste Frau und wurde nahe ihrem Dorf als Petī wiedergeboren. Eines Tages kamen acht Ordensältere nach verbrachter Regenzeit auf dem Wege nach Sāvatthī dort vorbei. Dort zeigte sich die Petī ihnen, und der Führer der Mönche befragte sie. Danach - und das steht nicht mehr in den Versen - bat sie die Mönche, zu ihrem einstigen Mann zu gehen und diesen zu bitten, dem Orden zu spenden und das Verdienst daran ihr zu widmen. So ge­schah es auch. Dadurch wurde die Petī von ihrem Elend er­löst und erlangte göttergleiche Erleichterung. In der fol­genden Nacht konnte sie ihrem Mann erscheinen und ihm dan­ken.

Mönch:      Nackt bist du, unschön anzuschaun,

riechst übel, hauchst Verwesung aus,

von Fliegen bist du übersät:

Wer bist du, der du also weilst? (26)

Petī:       Bin eine Petī ja, o Herr,

ging abwärts, kam in Yamas Welt.

Nachdem ich böses Werk gewirkt,

gelangt ich in die Petawelt. (27)

Fünf Kinder morgens ich gebär,

fünf weitere am Abend dann.

Geboren kaum, da freß ich sie,

doch nimmer werde ich da satt. (28)

Mein Herz von Hunger wird verzehrt,

es brennet und es raucht davon,

zu trinken ich bekomme nichts.

Sieh, welches Unglück mir beschert! (29)

Mönch:      Was hast du Böses denn getan

in Werken, Worten und im Geist?

Für welches Wirken reift es dir,

daß du das Fleisch der Kinder frißt? (30)

Petī:       Die Mitfrau, die war schwanger einst,

und ich war böse ihr gesinnt,

verderbt im Geiste brachte ich

die Leibesfrucht zur Abtreibung. (31)

Der Embryo nach Monden zwei

ist blutig da hinweggeströmt,

und seine Mutter, aufgebracht,

rief die Verwandten schnell herbei.

Sie hieß mich schwören einen Schwur,

nachdem sie mich gescholten hat. (32)

Ich leistet einen furchtbarn Schwur,

ich log und wurde meineidig:

"Will essen eigner Kinder Fleisch,

wenn ich so etwas hätt verübt." (33)

Als Reife dieses Wirkens dann

und für die Lüge ebenfalls

freß ich hier meiner Kinder Fleisch,

von Eiter und mit Blut beschmiert. (34)

Bemerkungen:

Die Geschichte kehrt in Avadāna-śataka Nr. 49 wieder. Die Verse 27 bzw. 30 kehren sehr häufig in Pv wieder. Die Petī erschien unterhalb des Durchschnitts der Petas wieder, unschön anzusehen und häßlich riechend, dazu nackt und von Fliegen umgeben oder Blut beschmiert (makkhika = mit Fliegen; makkhita = beschmiert. Beides mag ver­wechselt sein). Das ist der Zusatz außer dem Hungerleiden. Ferner ist die Hauptstrafe für Mord und Meineid, daß sie ihre zehn Kinder täglich fressen muß, außer den Geburtswehen täglich.

I,7: Die Menschenfresserin von sieben Kindern

Mönch:      Nackt bist du, unschön anzuschaun,

riechst übel, hauchst Verwesung aus,

von Fliegen bist du übersät:

Wer bist du, der du also weilst? (35)

Petī:       Bin eine Petī ja, o Herr,

ging abwärts, kam in Yamas Welt.

Nachdem ich böses Werk gewirkt,

gelangt ich in die Petawelt. (36)

Früh sieben Kinder ich gebär,

am Abend sieben weitre dann.

Geboren kaum, da freß ich sie,

doch nimmer werde ich da satt. (37)

Mein Herz von Hunger wird verzehrt,

es brennet und es raucht davon,

ich finde Branderlöschung nicht,

von innrer Feuersglut gequält. (38)

Mönch:      Was hast du Böses denn getan

in Werken, Worten und im Geist?

Für welches Wirken reift es dir,

daß du das Fleisch der Kinder frißt? (39)

Petī:       Ich hatte einst der Söhne zwei,

mit Jugendschönheit reich begabt,

ich, durch die Fruchtbarkeit betört,

verachtete den Gatten mein. (4D)

Da wurde böse mein Gemahl

und nahm sich eine andre Frau,

und als sie von ihm schwanger ward,

da wurde ich ihr bös gesinnt. (41)

Verderbt im Geiste brachte ich

die Leibesfrucht zur Abtreibung,

der Embryo nach Monden drei

in faulem Blute ging dahin. (42)

Und seine Mutter, aufgebracht,

rief die Verwandten schnell herbei.

Sie hieß mich schwören einen Schwur,

nachdem sie mich gescholten hat. (43)

Ich leistet einen furchtbarn Schwur,

ich log und wurde meineidig:

"Will essen eigner Kinder Fleisch,

wenn ich so etwas hätt verübt." (44)

Als Reife dieses Wirkens dann

und für die Lüge ebenfalls

freß ich hier meiner Kinder Fleisch,

von Eiter und von Blut beschmiert. (45)

Bemerkungen:

Die Vorgeschichte ähnelt 1,6. Nur ist hier nicht Unfruchtbarkeit, son­dern gerade Fruchtbarkeit Anlaß des Neides. Die erste Frau besaß eine der fünf Kräfte der Frauen, die S 37,25 ff nennt, nämlich putta-bala (die Kraft, Kinder zu haben oder Söhne zu haben). Hier ist wohl die Kraft, Stammhalter zu gebären, gemeint. Die Frau war nicht, wie Gehmann übersetzt, stolz auf die Kraft und Stärke ihrer Söhne (Vers 40), sondern eingebildet auf ihre Mutterschaft (so richtig Masefield, S. 42 FN 6). Dann wurde sie eifersüchtig auf die zweite Frau, die sich ihr Mann nur genommen hatte, weil sie so überheblich war und ihren Mann verachtet hatte. Sie wollte Alleinherrscherin bleiben und mißgönnte der Mitfrau die Mutterschaft.

I,8: Der Ochse

Einem reichen Mann in Sāvatthī war sein Vater gestorben. Er war untröstlich und rannte wie ein Irrer herum, jeden fra­gend, ob er seinen Vater gesehen habe. Als der Buddha mor­gens über die Welt blickte, sah er, daß in diesem Mann die Bereitschaft zum Verständnis des Leidens und seiner Überwin­dung reif geworden war. So ging er um Almosen zu seinem Haus. Der Mann lud ihn zum Essen ein und fragte den Buddha, ob er wisse, wohin sein Vater gegangen sei. Der Buddha stellte so­fort die Gegenfrage, welchen Vater er wohl meine, den dieses Lebens oder einen der früheren Väter? Da war der Mann plötz­lich angerührt. Er sah: Ich habe ja schon viele Väter gehabt, und alle sind gestorben. So legte sich sein Kummer, und er gewann wieder etwas Fassung. Der Buddha sprach dann so zu ihm, daß sein Kummer noch weiter aufgelöst wurde, und dann gab er ihm die stufenweise Lehrdarlegung: vom Geben, Tugend, Jenseits, Herzensfrieden. Und als der Hausvater dadurch be­reitet war, legte er ihm die vier Wahrheiten dar. Dadurch ge­langte dieser sofort zur Frucht des Stromeintritts und nach dem Tode zum Himmel. Dann kehrte der Buddha ins Kloster zu­rück. Die Mönche sprachen gerade darüber, wie erstaunlich es sei, daß der Buddha in einem kurzen Gespräch den verzwei­felten Hausvater zum Stromeintritt geführt habe. Darauf er­zählte er ihnen, wie er schon früher selber als Sohn eines trauernden Hausvaters diesen vom Kummer befreit habe, aber nur für jene Existenz. Er habe damals am Beispiel eines toten Ochsen den Vater vom Kummer abgebracht:

Vater:      Was tust du wie ein Irrer denn

und reißest ab das grüne Gras

und redest immer: "Iß doch, iß!"

zu diesem toten alten Ochs? (46)

Denn nicht durch Speise und durch Trank

kann aufstehn der gestorbne Ochs,

und zwecklos redest du daher,

wie wenn du den Verstand verlorn. (47)

Sohn:       Der Ochs hat Füße noch und Kopf,

er hat den Körper mit dem Schwanz,

die Augensterne sind noch da.

Warum sollt er nicht stehen auf? (48)

Großvaters Hand und Fuß und Leib

und Kopf sieht man nicht mehr.

Wenn du bei seinem Grabmal weinst,

hast du nicht den Verstand verlorn? (49)

Vater:      Wie Feuer brannte Kummer mir,

in das man flüss'ge Butter gibt;

gleichwie man Wasser gießt hinein,

hast alles Weh du mir gelöscht. (50)

Des Kummers Stachel zog er raus,

der mir in meinem Herz gesteckt.

Den Kummer, der mich ganz erfüllt,

den Vaterkummer nahm er mir. (51)

Der Kummerstachel, der ist fort,

bin kühl geworden, brandgelöscht,

ich trau're nicht, ich wein nicht mehr,

nachdem, mein Sohn, ich dich gehört. (52)

Sprecher:   Die weise sind, die handeln so,

sie nehmen anderer sich an,

sie machen sie vom Kummer frei,

wie seinen Vater Sujāta. (53)

Bemerkungen:

Die Vorgeschichte erscheint kürzer auch in J 352 E. Dort aber erzählt dann der Buddha das Jātaka dem Hausvater und nicht den Mönchen. Die Verse 50 - 52 kommen noch sehr oft im Kanon vor: Vv 83, Pv II,6 + 13; J 352, 372, 410, 449, 454. In J steht in Vers 52 anavila statt siti­bhuta. J 352 ist in der "Schatzkiste" von Fritz Schäfer nacherzählt (1. Aufl. S. 418; 2. Aufl. S. 386).

I,9: Der Webermeister

Einstmals hatte eine Gruppe von 12 Mönchen den Buddha um einen Meditationsgegenstand gebeten, um in der Regenzeit sich danach zu üben. Als sie ihr Thema erhalten hatten, suchten sie einen geeigneten Ort. Dabei kamen sie zu einem Weberdorf in einem Wald. Dort wohnten 11 Weber, die rasch Hütten errichteten und sie mit allem versorgten. Der Weber­meister versorgte zwei Mönche, die übrigen zehn Weber je einen Mönch. Die Ehefrau des Webermeisters aber war eine ungläubige Materialistin, geizig und kleinlich. Als der We­bermeister sah, daß sie sich weigerte, den Mönchen etwas zu geben, nahm er sich eine zweite Frau, und zwar deren Schwester. Die war hochsinnig und versorgte die Mönche ehr­fürchtig mit allem Nötigen. Am Ende der Regenzeit gab jeder der Weber den Mönchen ein Gewand. Die erste Frau aber ver­fluchte ihn, wie im Vers gesagt.

Als der Webermeister gestorben war, wurde er eine mächtige Baumgottheit mit einem schönen Vimāna. Die geizige Frau überlebte ihn. Als sie starb, wurde sie eine leidende Petī, nicht weit von ihm. Sie bat ihn um Hilfe. Er verschaffte ihr bestes Essen und schönste Kleidung, aber sowie sie es berührte, wurde es zu Kot und Urin, Blut und Eiter, und das Kleid wurde glühendes Kupfer. So ging sie heulend davon.

Zu jener Zeit hatte sich ein Mönch einer Karawane angeschlos­sen, die nach Sāvatthī zog, wo er den Buddha aufsuchen woll­te. Er verirrte sich aber in einem Wald. Da sah in die Baum­gottheit und erschien ihm in menschlicher Form und zeigte ihm sein Vimāna und versorgte ihn. Da kam die Petī wieder und bat erneut um Nahrung und Kleidung. Doch wieder konnte sie nichts annehmen wie vorher. Darauf entspann sich der fol­gende Dialog:

Mönch:      Urin und Kot und Eiter, Blut

verzehret sie. Was reifte da?

Was für ein Wirken tat die Frau,

daß sie stets Blut und Eiter ißt? (54)

Gewänder neu und schön und weich,

gar rein und wollig, sie empfängt,

doch glühend Kupfer werden sie.

Was für ein Wirken tat die Frau? (55)

Yakkha:     Sie war mein Eheweib, o Herr,

nichts gebend, geizig, knickerig,

und wenn ich den Asketen gab,

dann schalt sie mich und schimpfte laut: (56)

"Urin und Kot und Eiter, Blut,

Unreines sollst verzehren du

für alle Zeit in jener Welt,

und Kleider soll'n dir Kupfer sein."

Weil schlechten Wandel sie geführt,

muß sie so essen lange Zeit. (57)

Danach fragte die Gottheit den Mönch, ob es ein Mittel gä­be, ihr zu helfen. Der Mönch erklärte ihm, wie es möglich sei. Darauf gab die Baumgottheit ihm Speise und Kleidung und widmete diese Gabe der Petī. Sofort war ihr Leiden be­endet, und sie wurde eine himmlische Nymphe.

Bemerkungen:

Die vier Verse sind kein Sloka, es erschien hier aber ausnahmsweise sinnvoller, den Dialog im Sloka-Metrum zu übersetzen.

I,10: Die Kahlköpfige

In längst vergangenen Zeiten lebte in Benares eine Hetäre, die von ungewöhnlicher Schönheit war. Besonders hatte sie herrliches schwarzes Haar, fein und weich und gelockt. Wenn sie es lose trug, reichte es ihr bis zu den Hüften. Die jungen Männer der Stadt verliebten sich bei ihrem bloßen Anblick schon in sie. Überall wurde sie als die schönste Frau gepriesen. Einige Frauen wurden nun nei­disch auf sie, besonders mißgönnten sie ihr das schöne Haar. Sie berieten sich, wie sie ihr wohl schaden könnten. Sie bestachen dann ihre Dienerin. Diese gab ihrer Herrin einen Trank, der Haarausfall verursachte. Während die He­täre im Ganges badete, verabreichte die Dienerin ihr den Trank. Daraufhin fielen ihr die Haare mit der Wurzel aus, und sie war plötzlich kahl wie ein Kürbis. Sie schämte sich ungemein und wollte nicht wieder in die Stadt gehen. Sie schlang ein Tuch um ihren Kopf und ließ sich vor den Stadt­toren nieder. Nach einigen Tagen verließ sie das Schamge­fühl wegen ihrer Kahlheit. Sie preßte Sesam aus und erwarb ihren Lebensunterhalt durch Verkauf von Öl und Alkohol. Ei­nes Tages hatten zwei oder drei Männer bei ihr zuviel ge­trunken und fielen in tiefen Schlaf. Da stahl sie ihnen die Mäntel aus Geldgier.

Etwas später sah sie eines Tages einen Mönch auf dem Almosen­gang. Der war ein Heiliger. Sie fühlte tiefen Respekt vor ihm, ohne zu wissen warum, lud ihn zu sich ein und bot ihm Ölkuchen an. Von Mitleid bewogen aß er ihn, und nachdem er ihr gedankt, ging er fort. Sie aber fühlte große Freude über ihre Gabe. Und sie wünschte, daß ihr das Verdienst dafür rei­fen würde, indem sie ihr schönes Haar wieder erhielt.

Als sie starb, wurde sie eine glückliche Petī mit einem schö­nen Vimāna im Ozean. Ihr Haar war wie zuvor, doch wegen der gestohlenen Kleider war sie nackt und konnte sich nur mit den Haaren bedecken. Außerdem war sie allein, einsam, ohne Ge­sellschaft. So vergingen lange Zeiten. Wenn sie starb, wurde sie immer wieder als glückliche Petī in denselben Umständen wiedergeboren.

Als unser Buddha in der Welt erschienen war, fuhren etwa hun­dert Kaufleute aus Sāvatthī zum Goldland. Ihr Schiff wurde in jene Gegend des Ozeans verschlagen, an dem die Petī lebte. Dort zeigte sich die Petī ihnen, und der Führer der Kaufleute wandte sich an sie:

Kaufmann:   Wer bist du, die nicht kommt heraus

aus dem Vimāna, wo du wohnst?

Komm doch heraus, du Glückliche,

wir woll'n dich gerne draußen sehn. (58)

Petī:       Ich schäme mich, ich ekle mich,

als Nackte hier herauszugehn.

Bedeckt bin ich mit Haaren nur,

hab wenig an Verdienst gewirkt. (59)

Kaufmann:   Hier geb ich was zum Anziehn dir,

nimm dieses Kleid und leg es an,

und wenn du's angezogen hast,

dann komm, o Schöne, doch heraus.

Nun komme doch, du Glückliche,

wir woll'n dich gerne draußen sehn. (60)

Petī:       Was du mir ausgehändigt hast,

das kommt zugute mir noch nicht.

Ein gläubiger Anhänger hier,

ein Jünger des erwachten Herrn, (61)

wenn diesen du bekleidest jetzt

und mir die Gabe widmest, dann

werd ich ganz glücklich sein davon,

und aller Wunsch ist mir erfüllt. (62)

Sprecher:   Den badeten die Kaufleute,

den salbten sie mit Wohlgeruch,

dem legten sie Gewänder an

und widmeten die Gabe ihr. (63)

Sofort nach dieser Zuweisung,

da zeigte sich die Ernte schon

an Speise, Kleidung und an Trank.

Das war hier dieser Gabe Frucht. (64)

So ward sie rein, und ihr Gewand

war schöner als ein Kāsi-Kleid.

Aus dem Vimāna lächelt sie:

"So also ist des Gebens Frucht." (65)

Kaufmann:   Gar wohlgeschmückt, gefällig auch

erglänzet dein Vimāna jetzt.

Laß fragen, Göttin, dich, erzähl,

von welchem Wirken dies die Frucht. (66)

Petī:       Da war ein Mönch auf Wanderschaft,

ein grader Mensch, dem spendete

ich eine Schüssel Sesambrei,

dabei gar heiter im Gemüt. (67)

Für dieses heilsam Wirken ich

die Ernte lange dann genoß

in dem Vimāna, das mir ward.

Doch wenig nur ist übrig noch. (68)

Nach Ablauf von vier Monaten

wird meine Zeit erfüllet sein,

und ich werd in die Hölle gehn,

die einzig stinkend, fürchterlich. (69)

Vier Ecken hat, vier Tore sie,

ist regelmäßig eingeteilt,

mit einem Eisenwall herum,

mit Eisen oben auch bedeckt. (70)

Ihr Boden auch von Eisen ist,

gar feurig glüht und brennet er,

wohl hundert Meilen im Quadrat

erstrahlt sie und bleibt immerdar. (71)

Dort werde lange Zeiten ich

viel Wehgefühl erfahren dann

als Frucht von bösem Wirken einst.

Darum bin ich bekümmert sehr. (72)

Der gläubige Anhänger hatte großes Mitleid mit ihr und frag­te sich, ob man den Höllensturz nicht verhindern könne. Er kam zu dem Schluß, daß sie durch die Gabe an ihn schon sol­chen Nutzen gehabt hätte. Wieviel mehr müßte ihr eine Gabe an den Buddha und den Orden nützen. Nachdem er ihr dies mit­geteilt hatte, spendete sie den Kaufleuten himmlische Nah­rung, Kleidung und Juwelen für den Orden, vor allem einen himmlischen Mantel für den Buddha. Die Kaufleute kehrten dann nach Sāvatthī zurück und übergaben dem Buddha den Mantel. Am nächsten Tag luden sie den Buddha und den Orden zum Essen ein und widmeten die Gabe ihr. Die Wirkung war, daß die Hölle für sie verschwand und daß sie bei den Göttern der Dreiunddreißig wiedergeboren wurde, geschmückt mit vielen Juwelen und mit einem Gefolge von tausend himmlischen Nymphen.

Bemerkungen:

Was aus den neidischen Frauen und der bestechlichen Dienerin wurde ist nicht überliefert.

Die negativen Taten von ihr waren: Diebstahl der Kleider der Betrunkenen; Verführung anderer zum Alkohol durch ihren Ausschank; Beruf als Hetäre. Demgegenüber wirkte die eine gute Tat an einen Heiligen so, daß sie viele Wiedergeburten eine glückliche Petī war, nur nackt und einsam. Aber dann war ihr Verdienst aufgezehrt, und es stand ihr die Hölle bevor.

Vers 58: draußen (bahitthita), v.l. mah'iddhika (große Magie). In diesem Falle wünschte er, ihre Magie zu sehen.

Vers 64: kommt noch sehr häufig später vor.

Vers 70 - 71: ebenso in M 129 und 130, J 530 p. 266, ebenso in Pv 692 - 693.

Vers 69 - 72 = Pv 239 - 242.

I,11: Der Elefant

Eine Frau war schwanger und starb noch vor der Geburt des Kindes. Sie wurde verbrannt, aber das Kind wurde auf wunder­bare Weise gerettet. Es war ein Knabe, der Sankicca genannt wurde. Als er sieben Jahre alt war, hörte er, daß seine Mut­ter so tragisch gestorben war. Das ergriff ihn derart, daß er zu Sāriputto ging und als Novize aufgenommen zu werden wünschte. Während ihm die Haare geschoren wurden, schnitt er sich selber die letzten Triebe ab und war ein Heiliger. Er lebte dann mit dreißig Mönchen im Walde. Als eine große Räuberschar die Mönche überfiel, gelang es ihm durch seine Geisteskraft, die Räuber zu zähmen. Sie waren so gepackt, daß sie ihr Handwerk aufgaben und Mönche wurden.

Als er volljährig war und die Mönchsweihe erhalten hatte, wanderte er nach Benares und ließ sich mit anderen Mön­chen am Seherstein nieder. Dort wurden sie von den Haus­leuten gut versorgt. Ein Laienanhänger des Buddha riet ihnen, eine ständige Versorgung einzurichten, was auch ge­schah.

Damals lebte in Benares ein Brahmane mit zwei Söhnen und einer Tochter. Er war aber ungläubig. Der älteste Sohn war nun ein Freund jenes Laien. Dieser nahm ihn mit zu San­kicca, der beide durch ein Lehrgespräch erfreute. Dann sag­te der Laie zu seinem Freund, er möchte doch auch eine ständige Versorgung für einen Mönch übernehmen. Der Jüng­ling erwiderte aber, es sei für sie als Brahmanen nicht üblich, solche Asketen des Sakyersohns zu versorgen. Der Laie fragte: "Würdest du denn mir etwas an Nahrung spenden?" Der Jüngling sagte ja. Da sagte der Laie: "So gib das, was du mir geben würdest, dem Mönch." Das tat jener und versorg­te nun täglich in der Frühe einen Mönch am Seherstein. Sein jüngerer Bruder und seine Schwester sahen den guten Wan­del der Mönche. Daher hörten sie ihnen zu, nahmen die Leh­re auf und bekamen Lust an guten Werken. So spendeten die drei Kinder nun den Mönchen, verehrten sie und würdigten überhaupt Asketen und Pilger. Ihre Eltern aber hatten kei­nen Sinn dafür und verachteten die Kahlköpfe. Ihre Ver­wandten rieten ihnen, die Tochter an einen Vetter zu ver­heiraten. Aber dieser hörte zu jener Zeit die Lehre von Sankicca und war so gepackt, daß er in den Orden eintrat.

Er ging aber um Almosen täglich zu seinem Elternhaus. Sei­ne Mutter aber wollte ihn unbedingt mit seiner Kusine ver­heiraten und erreichte durch ihr Reden von deren Vorzügen, daß er im Orden unzufrieden wurde. So ging er zu Sankicca und sagte, er wolle die Robe ablegen und wieder Laie werden. Sankicca aber erkannte, welche spirituellen Fähigkeiten in jenem schlummerten und erwiderte: "Warte noch einen Monat, Novize." Nach einem Monat kam er wieder. Sankicca bat ihn, noch 14 Tage zu warten. Als er nach zwei Wochen wiederkam, bat er ihn, noch eine Woche zu warten. Innerhalb dieser Wo­che aber stürzte das Haus seiner Verwandten vom Sturm zusam­men und tötete alle fünf Familienmitglieder.

Der geizige Brahmane und seine ebenso weltgläubige Frau wur­den als Petas wiedergeboren, ihre drei Kinder aber als Erd­götter.

Als die letzte Woche herum war, erschien der Novize wieder bei seinem Lehrer Sankicca und sprach: "Ich habe die verein­barte Anzahl von Tagen gewartet, o Herr. Ich möchte nach Hau­se gehen, o Herr. Bitte gebt mir eure Erlaubnis." Sankicca antwortete: "Komm hierher bei Sonnenuntergang am Tage des Neu­monds."

An diesem Uposatha-Tag gingen die drei Kinder zu einer Ver­sammlung der Yakkhos, gefolgt von ihren Eltern, wie unten in den Versen näher beschrieben. Da ließ nun Sankicca kraft sei­ner magischen Macht den Novizen diese fünf Personen aus der geistigen Welt sichtbar werden, wie sie dahinzogen, und er fragte ihn: "Siehst du sie da hinziehen, Novize?" Dieser be­jahte es. Sankicca sagte: "Dann frage sie über die Taten, die sie früher getan haben und deren Ernte sie nun im Jenseits erleben." Darauf wandte sich der Novize der Reihe nach an die Geistwesen:

Novize:     Voran auf weißem Elefanten reitet einer,

auf Maultierwagen einer in der Mitte,

dahinter eine Jungfrau in der Sänfte,

die Glanz ausstrahlt nach jeder Himmels­richtung. (73)

Ihr aber da, mit Hammern in den Händen,

im Antlitz Tränen, Körper aufgerissen,

als Mensch ihr wart, was wirktet ihr an Bösem,

daß gegenseitig euer Blut ihr trinket? (74)

Vater:      Der, welcher vorn sitzt auf dem Ilf, dem weißen,

auf dem vierfüß'gen Elefanten reitet,

war unser Sohn einst, unser Ält'ster.

Weil Gaben er gegeben, freut ihn Glück nun. (75)

Der, welcher in der Mitte folgt im Maultier­wagen,

vierspännig und gar schnelle fahrend,

war unser Sohn, der mittlere gewesen,

gar frei von Geiz, als Gabenspender leuchtet er. (76)

Die, die da hinten auf der Sänfte folgt,

die Jungfrau, weise, mit gazellenhaftem Auge,

war unsre Tochter, war die Jüngste früher.

Auch halbes Glück genießend, freut sie sich nun. (77)

Im früh'ren Leben spendeten sie Gaben,

gar heit'ren Herzens an Brahmanen und Asketen,

wir aber waren leider geizig nur gewesen

und schimpften auf Brahmanen und Asketen.

Wir dörren aus wie Gras, das abgeschnitten,

sie aber, die gegeben, wandeln glücklich. (78)

Novize:     Was ist denn eure Speise, was ist euer Lager,

wie lebt ihr, die ihr tatet böse Dinge,

die ihr bei großem, grenzenlosem Reichtum

das Glück verscherzend Leiden nun erfahret? (79)

Vater:      Wir schlagen uns einander hier

und trinken Blut und Eiter wohl,

doch soviel wir auch trinken dann,

wir werden nie befriedigt, satt. (80)

Weil nicht gegeben wir, wir müssen klagen,

nachdem, gestorben, wir in Yamas Reich gekommen.

Wir sehen den Genuß und sind doch davon ferne.

Genießen könn' wir nicht und auch Verdienst nicht wirken. (81)

Von Hunger, Durst in anderer Welt gepeinigt,

wir Petas lange brennen dann gequälet.

Weil Werke wir gewirkt, die Leiden züchten,

erfahren wir des Leidens bittre Früchte. (82)

Sprecher:   Vorüber geht Besitz und Gut,

vorüber rauscht die Lebenszeit.

Erkennend wie es also ist,

der Weise schaff ein Eiland sich. (83)

Die Menschen, die's erkennen so,

die des Gesetzes kundig sind,

versäumen hier das Geben nicht,

sie hören auf der Heil'gen Wort. (84)

Nachdem der brahmanische Vater derart die Fragen des Novizen beantwortet hatte, schloß er mit den Worten: "Ich bin dein Onkel, dies da ist deine Tante, und die drei Glücklichen da sind deine Vettern und deine Base." Da wurde der Novize plötzlich ernüchtert und ergriffen, als er das Karmagesetz leibhaftig vor sich sah, und seine Unbefriedigung am Läute­rungsleben der Mönche verschwand. Er fiel seinem Lehrer zu Füßen und sprach: "Was immer ihr von Mitleid bewogen für mich an Fürsorge hättet zeigen können, das habt ihr getan. Dadurch habt ihr verhindert, daß ich in großes Unheil fiel. Ich habe jetzt kein Interesse mehr am Hausleben und werde meine Freu­de am Brahmawandel finden." Darauf gab ihm Sankicca einen für ihn passenden Meditationsgegenstand. Er zog sich in die Ein­samkeit zurück, und in gar nicht langer Zeit war auch er ei­ner der Heiligen geworden.

Bemerkungen:

Sankiccas Verse in den Liedern der Mönche: Thag 597 - 604.

Stedes Übersetzung obiger Verse 73 - 84 auch in WW 1970, S. 284 f.

I,12: Die Schlange

Bei Sāvatthī war einem Gutsbesitzer ein Sohn gestorben, und von Kummer überwältigt ging er in seiner Trauer unter, ging nicht aus dem Haus und war unfähig zu jeder Arbeit. Als der Buddha über die Welt hin blickte, sah er jenen trauernden Vater, der ein Laienanhänger war. Er ging um Almosen zu sei­nem Haus. Da eilte der Vater ihm entgegen und lud ihn ein. Als er ihm sein Leid geklagt hatte, erklärte der Buddha ihm das Gesetz der Allvergänglichkeit, dem alle gewordenen Dinge unterliegen, alle Wesen und alle Erscheinungen. Zur Verdeut­lichung der rechten Haltung erzählte er ihm das 354. Jātaka, um ihm allen Kummer zu nehmen:

Einst lebte ein Brahmane mit Frau, Sohn, Tochter, Schwieger­tochter und einer Magd einträchtig zusammen auf einem Bauern­hof. Er lehrte alle die Betrachtung der Allvergänglichkeit auf der Grundlage der Tugend. Als er eines Tages mit sei­nem Sohn zum Pflügen ging, biß diesen eine Giftschlange, so daß er starb. Die ganze Familie aber bewahrte ihre See­lenruhe eingedenk der Vergänglichkeitsbetrachtung, auch als Sakko in Gestalt eines Brahmanen allen nahelegte, daß sie doch trauern müßten: der Vater um seinen tugendhaften Sohn und Erben, die Mutter um ihr großgezogenes Kind, die Schwester aus Bruderliebe, die Gattin aus Verlassenheit und die Magd, weil sie nun nicht mehr von ihm angetrieben werden könne. Alle erklärten dann, warum sie nicht wein­ten. Und so verschwand auch dem Gutsbesitzer sein Kummer.

Vater:      Wie Schlange ihre alte Haut

nur abstreift und dann weitergeht,

so, wenn der Leib nicht mehr genießt,

weil tot, weil er zu Petas ging. (85)

Da er verbrannt ist, weiß er nichts

von der Verwandten Klag um ihn.

Deshalb ich weine nicht um ihn,

gegangen ist er seinen Gang. (86)

Mutter:     Unaufgefordert kam er her,

ohn Abschied ging er wieder fort.

So wie er kam, so ging er auch,

warum sollt klagen ich dazu? (87)

Da er verbrannt ist, weiß er nichts

von der Verwandten Klage um ihn.

Deshalb ich weine nicht um ihn,

gegangen ist er seinen Gang. (88)

Schwester:  Abmagern würd ich, wenn ich wein,

welch Früchte brächt mir solches ein?

Verwandten, Freund, Genossen auch

würd Unlust ich nur mehren noch. (89)

Da er verbrannt ist, weiß er nichts

von der Verwandten Klag um ihn.

Deshalb ich weine nicht um ihn,

gegangen ist er seinen Gang. (90)

Gattin:     So wie ein kleines Kind dem Mond,

wenn er verschwindet, weinet nach,

so würde sich verhalten wohl,

wer Abgeschiednem trauert nach. (91)

Da er verbrannt ist, weiß er nichts

von der Verwandten Klag um ihn.

Deshalb ich weine nicht um ihn,

gegangen ist er seinen Gang. (92)

Magd:       So wie ein Wassertopf, wenn er

zerbrochen, nie wird wieder ganz,

so würde sich verhalten wohl,

wer Abgeschiednem trauert nach. (93)

Da er verbrannt ist, weiß er nichts

von der Verwandten Klag um ihn.

Deshalb ich weine nicht um ihn,

gegangen ist er seinen Gang. (94)

Bemerkungen:

Die Rahmenerzählung und der Jātaka-Bericht sind nahezu identisch. Im Jātaka ist der Vater der Bodhisatta, in der Rahmenerzählung dagegen ist der gestorbene Sohn der Bodhisatta, der als Sakko wiedergeboren war und nun seiner Familie erscheint. Im Jātaka dagegen hat Sakko kei­ne Verbindung mit der Familie, was überzeugender ist.

In dem ganzen Bericht kommt von Petas nichts vor. Hier wird Peta aber im weiteren Sinne als "Vorangegangene, Abgeschiedene" gebraucht (so in Vers 85 und 93) und kann daher nicht mit Peta im engeren Sinne wie­dergegeben werden, zumal hier der Sohn als Sakko vorgestellt wird. Und Sakko ist kein Peta (Gespenst).

Buch II

II,1: Selbsterlösung aus dem Samsāro

Im Reiche Magadha lebten in zwei Dörfern Menschen, die an die Selbsterlösung aus dem Samsāro glaubten, d.h. daß nach sehr langen Zeiten alle Wesen von selbst von der Wiederge­burt erlöst würden. In dem einen Dorf war vor 500 Jahren ein Mädchen geboren worden. Entsprechend der dort herrschen­den Irrlehre, daß man keine Tugend zu üben brauche, weil alle von selbst erlöst würden, brachte sie viele Insekten und Grashüpfer um und fand nichts dabei. Infolgedessen wur­de sie als Petī wiedergeboren und litt 500 Jahre Hunger und Durst. Zur Zeit des Buddha wurde sie wieder als Mensch in­karniert, und zwar im selben Dorf in einer Familie, wo im­mer noch die Irrlehre herrschte. Eines Tages spielte das siebenjährige Mädchen mit anderen Kindern auf der Straße. Da kam Sāriputto vorbei. Als die anderen Kinder den Mönch sahen, erwiesen sie ihm den ehrfurchtsvollen Handgruß und warfen sich vor ihm zu Boden, wie sie es bei ihren Eltern gesehen hatten. Das Mädchen aus der ungläubigen Familie blieb trotzig stehen, weil es von ihren Eltern keine Ver­ehrung der Mönche kannte. Sāriputto richtete seinen Geist auf ihr Vorleben, und er sah, daß ihr als Folge ihrer einstigen Tierquälerei bald die Hölle bevorstün­de, da sie keinerlei Verdienst aufzuweisen hatte. Er sah aber auch, daß sie, wenn sie ihn grüßen würde, noch ein­mal mit dem Peta-Dasein davonkommen und dann von ihm er­hoben werden könnte. So sagte er zu den Kindern, von Mitleid bewogen: "Ihr grüßt die Mönche, aber dieses Mäd­chen bleibt ungezogen stehen." Da faßten die anderen sie bei der Hand und veranlaßten sie mit Gewalt, Sāriputto zu grüßen. Als die erwachsen war, wurde sie mit einem Jüng­ling im Nachbardorf verheiratet. Bald wurde sie schwanger und starb im Kindbett. Sie wurde als Petī wiedergeboren. Eines Nachts zeigt sie sich Sāriputto. Als er sie sah, redete er sie an:

Sāriputto:  Nackt bist du, unschön anzusehn,

bist abgezehrt, die Adern frei,

o du, von der man Rippen sieht,

du Magre, sag, wer bist du wohl? (95)

Petā:       Bin eine Petī ja, o Herr,

ging abwärts, kam in Yamas Welt.

Nachdem ich böses Werk gewirkt,

gelangt ich in die Petawelt. (96)

Sāriputto:  Was hast du Böses denn getan

in Taten, Worten und dem Geist,

daß du als Ernte für dies Werk

zur Petawelt hinab gelangt? (97)

Petī:       Es nahm sich meiner keiner an, o Herr,

der Vater nicht, die Mutter nicht und kein Verwandter,

der mich zum Gabenspenden hätt veranlaßt,

mit heitrem Herzen, an Asketen und Brah­manen. (98)

Seitdem ich wandere herum fünfhundert Jahre

in dieser Mißgestalt, in dieser Nacktheit,

verzehrt von Hunger und verzehrt von Dürsten.

Das ist die Frucht von meinem bösen Wirken. (99)

Ich fleh: Nimm an dich meiner, o Verehrter,

o Kluger, heitren Herzens, du Vielmächt'ger.

Gib bitte etwas, das auf mich bezogen,

erlöse mich, o Herr, von schlechter Fährte. (100)

Sprecher:   "Gut", sagte Sāriputto drauf

und nahm sich also ihrer an:

Er gab den Mönchen Bissen ab

und eine Handbreit Kleiderstoff

und einen Becher Wasser auch

und widmete dies alles ihr. (101)

Sofort nach dieser Zuweisung,

da zeigte sich die Ernte schon

an Speise, Kleidung und an Trank.

Das war hier dieser Gabe Frucht. (102)

Darauf in glänzend reinem Kleid

- Benares' Bestes trug sie wohl -,

geschmückt mit allerschönstem Stoff

kam sie zu Sāriputto gleich. (103)

Sāriputto:  Gar überschön bist nunmehr du,

wie du da stehst, o Göttliche,

nach zehn der Seiten strahlend hin,

so wie der Morgenstern es tut. (104)

Woher bist du geworden so,

weshalb hast dieses du erlangt

und fallen dir Genüsse zu,

die lieb dem Geiste immer sind? (105)

Ich frage dich, o Göttin, du Vielmächt'ge,

du menschennaher Geist, durch welch Verdienst wohl

hast du bewirkt denn, daß du also leuchtest,

daß allerwärts dein Körper herrlich strahlet? (106)

Petī:       Die Rippen sichtbar, mager sehr,

ganz nackt, die Haut verwelkt, zerfall'n,

sahst mich auf schlechter Fährte du,

du Seher voll Barmherzigkeit. (107)

Den Mönchen gabst du Bissen ab

und eine Handbreit Kleiderstoff

und einen Becher Wasser auch,

und alles widmetest du mir. (108)

Die Frucht des Bissens, sieh sie an:

zehntausend Jahre Nahrung ich

genieße, Wünsche sind erfüllt,

Gerichte vielerlei Geschmacks. (109)

Die Handbreit Kleidung, sieh sie an,

die Reife, welche das gebracht:

Soviel Gewänder hab ich jetzt,

wie sie der König Nanda hat. (110)

Noch viel mehr, als da diese zähl'n,

hab ich, o Herr, an Kleidern jetzt

aus Seidenstoff, aus Wolle auch,

aus Leinen und aus Baumwollstoff. (111)

Gar viele sind es, kostbare,

sie hängen mir im Raume hier,

ich kleide immer mich mit dem,

was meinem Geist am liebsten ist. (112)

Der Becher Wasser, sieh ihn an,

von welcher Art die Frucht da ist:

Hab Lotosteiche, die gar tief,

viereckig, ausgemessen schön. (113)

Gewässer hell, zugänglich leicht,

kühl und von schönem Duft erfüllt,

an blauem, rotem Lotos reich,

von Wasserlilien übersät. (114)

So bin ich froh, ergötze mich,

ich freue mich, bin frei von Furcht.

Zu dir, dem Seher mitleidsvoll,

o Herr, dich ehrend kam ich her. (115)

Bemerkungen:

Verse 95 - 97 kommen noch öfter vor, so 463 - 465 usw.

Verse 102 - 103 = 124 - 125

Verse 104 - 106 = Pv 126 - 128 = 162 - 164 = Vv 9

Vers 110: Zu den Gewändern von König Nanda erzählt der Kommentar eine lange Geschichte (S. 78 - 80), wie dieser unzählige göttliche Kleider besaß und in seinem Reich niemand mehr zu spinnen brauchte.

Das Dogma von der automatischen Erlösung aus dem Wandelsein (samsāra­mocana; in D 2 samsāra-suddhi als Lehre Makkhali Gosalas) führt dazu, daß man sich alles erlauben kann und keinerlei Hemmungen der Triebe kennt. Egal, was man tut, man wird ja doch erlöst.

Daß die erzwungene Ehrerweisung und Verbeugung solche Wirkung haben soll, erscheint seltsam. Aber es war wohl so, daß das Mädchen noch ei­nen Rest von Peta-Dasein statt Hölle erwirkt hatte und daß jene Tat den Weg dahin ebnete. Es war aber nur eine Verschiebung der Ernte um eine kleine Zeit. Ein paar Jahre später starb sie im Kindbett, eine Ernte ihres früheren Tötens. Kaum war sie als Petī erschienen, da verschaff­te ihr Sāriputto ein göttliches Dasein. Sie hatte ja nun ihre Irrlehre aufgegeben und hatte das Saat-Ernte-Gesetz eingesehen.

II,2: Die Mutter des Thera Sāriputto

In Benares lebte ein reicher Brahmane. Er besaß einen unge­heuren Reichtum, aber ebenso groß war auch sein Geben. Er unterstützte Asketen und Priester, Pilger, Wanderer und Bett­ler. Keiner, der zu ihm kam, ging mit leeren Händen wieder fort. Besonders versorgte er die Mönche des Buddha mit allem Nötigen. Wenn er verreiste, so bat er seine Frau, die gewohn­ten Spenden weiter zu verteilen. Sie sagte zu, tat es aber nicht. Sie verweigerte allen die Gaben. Niemand, der zu ihrem Haus kam, erhielt etwas. Ja, sie sagte zu denen, die um eine Gabe baten: "Eßt Kot, trinkt Urin, trinkt Blut, freßt eurer Mutter Gehirn!" Und sie verfluchte sie mit den gemeinsten Wor­ten. Das einzige, was sie gab, war der Hinweis an die, die um ein Nachtlager baten, sie könnten in einem verfallenen, schmut­zigen Schuppen wohnen.

Nach ihrem Tode wurde sie als Petī, als unglückliches Gespenst wiedergeboren. Sie erinnerte sich aber, daß sie vor vier Le­ben die Mutter Sāriputtos gewesen war. Dieser weilte mit Mog­gallāno, Anuruddho und Kappino damals in einer Waldhütte bei Rājagaha. Als sie das kleine Kloster erreichte, verweigerten die Schutzgeister des Ortes ihr den Zutritt. Erst als sie sag­te, sie sei einst Sāriputtos Mutter gewesen, ließen sie sie herein. Dort sah Sāriputto sie und redete sie an, und es ent­spann sich das in den Versen überliefert Gespräch.

Als die Petī um Gaben gebeten hatte, gingen die vier Heiligen nach Rājagaha zu König Bimbisāro und berichteten ihm, daß sie gerne durch Spenden einer Petī helfen würden. Der König war sofort bereit. Er ließ vier Hütten bauen und reichlich Nahrung bereiten. Dann spendete er alles an Sāriputto. Dieser gab al­les dem Orden mit dem Buddha an der Spitze und widmete das Ver­dienst an dieser Gabe der Petī. Sofort kam sie aus dem Peta­Reich in die nächstliegende Götterwelt.

Sāriputto:  Nackt bist du, unschön anzusehn,

bist abgezehrt, die Adern frei,

o du, von der man Rippen sieht,

du Magre, sag, wer bist du wohl? (116)

Petī:       In früheren Geburten war

gewesen deine Mutter ich.

Im Reich der Peta bin ich nun,

von Hunger und von Durst gequält. (117)

Was ausgespien, Speichel, Schleim,

was aus der Nase ausgerotzt,

was Rückstand von verbranntem Öl,

Blut, das verlier'n Gebärende, (118)

das Blut Verwundeter und der,

der'n Kopf und Nase abgehaun

genieße ich, vor Hunger wild,

ob es vom Weib ist oder Mann. (119)

Ich nähre mich von Eiter, Blut

der Tiere und der Menschen ja,

bin heimatlos, bin ohne Haus,

seitdem vom Totenbett ich schied. (120)

In meinem Namen gib, o Sohn,

und rechne das Verdienst mir zu.

Dadurch könnt werden ich erlöst

Vom Eiter- und vom Blutverzehrn. (121)

Sprecher:   Als er der Mutter Wort gehört,

voll Mitleid Upatisso dann

besprach mit Moggallāno sich,

mit Anuruddho, Kappino. (122)

Vier Hütten baute er dann auf

und widmete dem Orden sie.

Die Hütten, Essen, Trinken er

als Gabe ihr dann überließ. (123)

Sofort nach dieser Zuweisung,

da zeigte sich die Ernte schon

an Speise, Kleidung und an Trank:

Das war hier dieser Gabe Frucht. (124)

Darauf in glänzend reinem Kleid

- Benares Bestes trug sie wohl -,

geschmückt mit allerschönstem Stoff

kam sie zu Kolito sodann. (125)

Moggallāno:Gar überschön bist nunmehr du,

wie du da stehst, o Göttliche,

nach zehn der Seiten strahlend hin,

so wie der Morgenstern es tut. (126)

Woher bist du geworden so,

weshalb hast dieses du erlangt

und fallen dir Genüsse zu,

die lieb dem Geiste immer sind? (127)

Ich frage dich, o Göttin, du Vielmächt'ge,

du menschennaher Geist, durch welch Ver­dienst wohl

hast du bewirkt denn, daß du also leuchtest,

daß allerwärts dein Körper herrlich strah­let? (128)

Petī:       Des Sāriputto Mutter war

in anderen Geburten ich,

im Reich der Petas war ich dann,

von Hunger und von Durst gequält. (129)

Was ausgespien, Speichel, Schleim,

was aus der Nase ausgerotzt,

was Rückstand von verbranntem Öl,

Blut, das verlier'n Gebärende, (130)

das Blut Verwundeter und der,

der'n Kopf und Nase abgehaun

genieße ich, vor Hunger wild,

ob es vom Weib ist oder Mann. (131)

Ich nährte mich von Eiter, Blut

der Tiere und der Menschen ja,

war heimatlos, war ohne Haus,

seitdem vom Totenbett ich schied. (132)

Der Gabe Sāriputtos jetzt

erfreu ich mich, bin ohne Furcht.

Zu dir, dem Lehrer, mitleidsvoll,

o Herr, dich ehrend kam ich her. (133)

Bemerkungen:

Upatisso (122) ist der bürgerliche Name Sāriputtos, wie Kolito (125) der Moggallānos.

Die Verse 129 - 132 fehlen in manchen Ausgaben. Sie müssen in der Ver­gangenheit stehen.

Was aus dem reichen Brahmanen wurde, ist nicht überliefert.

II,3: Mattā

In Sāvatthi lebte ein reicher Hausvater, der der Lehre er­geben war. Seine Ehefrau Mattā aber war ungläubig, jähzornig und unfruchtbar. Um die Familienlinie zu erhalten, nahm er sich eine zweite Frau namens Tissā, die ebenfalls der Lehre ergeben und von liebreichem Wesen war. Sie gebar ihm bald einen Sohn, der Bhūta genannt wurde. Mattā aber wurde im­mer neidischer und eifersüchtiger auf sie, tat Böses, kam zur Peta-Welt und zeigte sich eines Abends der Tissā. Die fragte sie, wer sie sei:

Tissā:      Nackt bist du, unschön anzusehn,

bist abgezehrt, die Adern frei,

o du, von der man Rippen sieht,

du Magre, sag, wer bist du wohl? (134)

Mattā:      Mattā bin ich, Tissā bist du,

einst war ich deine Nebenfrau.

Da böses Wirken ich gewirkt,

gelangte ich zur Peta-Welt. (135)

Tissā:      Was hast du Böses denn getan

in Taten, Worten und im Geist,

daß du als Ernte für dies Werk

zur Peta-Welt hinabgelangt? (136)

Mattā:      Gar heftig war ich einst und barsch,

voll Neid und Geiz und Heimlichkeit;

dafür, daß Schlechtes ich gesagt,

gelangte ich zur Peta-Welt. (137)

Tissā:      Das alles weiß ich noch sehr gut,

wie du so heftig immer warst.

Doch etwas andres frag ich dich:

Warum strotzt du denn so vor Schmutz? (138)

Mattā:      Du wuschest dir den Kopf einmal,

ein reines Kleid hat dich geschmückt,

ich aber war es dann noch mehr,

ich war noch mehr geschmückt als du. (139)

Der Herr Gemahl erblickte mich,

doch angesprochen hat er dich.

Da überkam mich Eifersucht

und großer Zorn stieg in mir auf. (140)

Ich griff da nach dem Kehricht und

überschüttete dich damit.

Als Ernte dieses Wirkens bin

mit Schmutz ich überschüttet nun. (141)

Tissā:      Das alles weiß ich noch sehr gut,

wie du den Kehricht auf mich warfst.

Doch etwas andres frag ich dich:

Warum verzehrt die Krätze dich? (142)

Mattā:      Heilmittel nahmen beide wir

und gingen dafür in den Wald.

Du aber nahmst das Heilkraut ein,

ich nahm die rauhen Früchte mit. (143)

Nichtsahnend, wie du also warst,

bestreute ich dein Bett damit.

Als Ernte dieses Wirkens bin

von Krätze ich hier jetzt verzehrt. (144)

Tissā:      Das alles weiß ich noch sehr gut,

wie du das Bett mir hast bestreut.

Doch etwas andres frag ich dich:

Warum erblicke ich dich nackt? (145)

Mattā:      Mit Freundinnen zusammen warst

auf 'nem Familienfeste du.

Geladen warst mit dem Gemahl,

doch ich war eingeladen nicht. (146)

Nichtsahnend, wie du also warst,

nahm ich das Kleid dir schnell hinweg.

Als Ernte dieses Wirkens bin

ich unbekleidet also hier. (147)

Tissā:      Das alles weiß ich noch sehr gut,

wie du das Kleid mir nahmest weg.

Doch etwas andres fragt ich dich:

Weshalb riechst du so sehr nach Kot? (148)

Mattā:      Die Salbe dein, die Kränze dein

und auch das wertvolle Parfüm,

ich warf es in den Abtritt wohl.

Dies Böse war von mir getan.

Als Ernte dieses Wirkens ich

bin eine, die da riecht nach Kot. (149)

Tissā:      Das alles weiß ich noch sehr gut,

wie jenes Böse du getan.

Doch etwas andres frag ich dich:

Wie kamst auf schlechte Fährte du? (150)

Mattā:      Wir beide hatten Anteil gleich

am Reichtum, das das Haus uns bot.

Obwohl's genug zum Spenden gab,

schuf ich kein Eiland doch für mich.

Als Ernte dieses Wirkens ich

kam auf die schlechte Fährte dann. (151)

Schon damals hast du mich gewarnt:

"Du pflegst ein Wirken, das ist bös.

Nicht wirst mit bösem Wirken du

erlangen gute Fährte je." (152)

Tissā:      Genau das Gegenteil tat'st du,

und auch beneidet hast du mich.

Sieh, was die reife Ernte ist

dafür, daß Böses man gewirkt. (153)

Im Hause hatt'st du Dienerinn',

du hattest Schmuck gar vielerlei.

Das alles andren dienet nun,

Genüsse sind nicht dauerhaft. (154)

Des Bhūta Vater, der wird jetzt

vom Markte kehren heim nach Haus.

Vielleicht wird er dir geben was,

darum geh noch nicht fort von hier. (155)

Mattā:      Nackt bin ich, unschön anzusehn,

bin abgezehrt, die Adern frei.

Mit unbedeckter Scham darf mich

der Vater Bhūtas sehen nicht. (156)

Tissā:      Wohlan, was soll ich geben dir,

was kann ich denn hier tun für dich,

wodurch du glücklich werden kannst,

das alle Wünsche dir erfüllt? (157)

Mattā:      Vier Mönche als die Ordensschar

und noch vier andre Männer dann,

acht Mönche mögest speisen du

und mir die Gabe rechnen zu.

Dann werd ich wieder glücklich sein,

und alle Wünsche sind erfüllt. (158)

Sprecher:   "Nun gut", versprach sie es ihr dann

und speiste acht der Mönche gut,

gab ihnen auch Gewänder mit

und rechnet' ihr die Gabe zu. (159)

Sofort nach dieser Zuweisung

da zeigte sich die Ernte schon

an Speise, Kleidung und an Trank:

Das war hier dieser Gabe Frucht. (160)

Darauf in glänzend reinem Kleid

- Benares Bestes trug sie wohl -,

geschmückt mit allerschönstem Stoff,

so kam sie auf die Mitfrau zu. (161)

Tissā:      Gar überschön bist nunmehr du,

wie du da stehst, o Göttliche,

nach zehn der Seiten strahlend hin,

so wie der Morgenstern es tut. (162)

Woher bist du geworden so,

weshalb hast dieses du erlangt

und fallen dir Genüsse zu,

die lieb dem Geiste immer sind? (163)

Ich frage dich, o Göttin, du Vielmächt'ge,

du menschennaher Geist, durch welch Ver­dienst wohl

hast du bewirkt denn, daß du also leuchtest,

daß allerwärts dein Körper herrlich strahlet? (164)

Mattā:      Mattā bin ich, du bist Tissā,

einst war ich deine Nebenfrau.

Nachdem ich böses Werk gewirkt,

gelangt ich in die Peta-Welt. (165)

Durch deine Spende, die du gabst,

erfreue ich mich ohne Furcht.

lang leben, mögest, Schwester, du

mit allen den Verwandten dein.

Wo's Kummer nicht, nicht Trübung gibt,

zu Selbstgewalt'gen mögst du gehn. (166)

Der Lehre folgend nach allein

und Gaben gebend, Schöne du,

des Geizes Übel tilgend aus

mit seiner Wurzel, tadelfrei,

wirst du in Himmel gehen ein. (167)

Bemerkungen:

Die Verse nach der Übersetzung von Stede, abgedruckt in WW 1965, S. 368 - 372. Die ganze Geschichte nacherzählt von Fritz Schäfer in Schatzkiste S. 490 - 493 der 1. und 2. Auflage.

II,4: Nandā

Nandasena:  Schwarz und auch mißgefärbt bist du,

rauh und gar schmerzlich anzusehn,

die Augen rötlich, Zähne gelb.

Ich glaub nicht, daß du bist ein Mensch. (168)

Petī:       Ich, Nandasena, Nandā bin,

die früher deine Gattin war.

Nachdem ich böses Werk gewirkt,

gelangt ich in die Petawe1t. (169)

Nandasena:  Was hast du Böses denn getan

in Taten, Worten und im Geist,

daß du als Ernte für dies Werk

zur Petawe1t hinabgelangst? (170)

Petī:       Gar heftig war ich einst und barsch,

zeigt keine Achtung gegen dich.

Weil böse Worte ich gesagt,

gelangt ich in die Petawe1t. (171)

Nandasena:  Hier gebe ich dir ein Gewand,

und dieses Kleidungsstück zieh an,

und wenn du's angezogen hast,

dann will ich dich nach Hause führn. (172)

Gewänder, Essen, Trinken auch

wirst haben du in meinem Haus,

und deine Söhne wirst du sehn

und deine Schwiegertöchter auch. (173)

Petī:       Was deine Hand in meine gibt,

kommt mir zugute aber nicht.

Die Mönche, die in Tugend reif,

befreit vom Reiz, erfahren viel, (174)

erquicke die mit Speis und Trank

und widme diese Gabe mir.

Dann werde wieder glücklich ich,

und alle Wünsche sind erfüllt. (175)

Sprecher:   "Sehr wohl", sagt er darauf zu ihr,

und reichlich Gaben er verteilt

zum Essen, Trinken, Kuchen auch

und Kleidung, Sitz und Lager noch,

Schirm, Salben, Blumenschmuck dabei

und außerdem Sandalen viel. (176)

So Mönche, die in Tugend reif,

die ohne Reiz, gar viel erfahrn,

erfrischte er mit Speis und Trank

und übertrug die Gabe ihr. (177)

Sofort nach dieser Zuweisung,

da zeigte sich die Ernte schon

an Speise, Kleidung und an Trank:

Das war hier dieser Gabe Frucht. (178)

Darauf in glänzend reinem Kleid

- Benaresseide trug sie wohl -

geschmückt mit allerschönstem Stoff,

so kam sie auf den Gatten zu. (179)

Nandasena:  Gar überschön bist nunmehr du,

wie du da stehst, o Göttliche,

nach zehn der Seiten strahlend hin,

so wie der Morgenstern es tut. (180)

Woher bist du geworden so,

weshalb hast dieses du erlangt

und fallen dir Genüsse zu,

die lieb dem Geiste immer sind? (181)

Ich frage dich, o Göttin, du Viel­mächt'ge,

du menschennaher Geist, durch welch Verdienst wohl

hast du bewirkt denn, daß du also leuchtest,

daß allerwärts dein Körper herrlich strahlet? (182)

Petī:       Ich, Nandasena, Nandā bin,

die früher deine Gattin war.

Nachdem ich böses Werk gewirkt,

gelangt ich in die Petawelt. (183)

Durch deine Spende, die du gabst,

erfreue ich mich ohne Furcht.

lang leben mögest, Hausherr, du

mit allen den Verwandten dein.

Wo's Kummer nicht, nicht Trübung gibt,

zu Selbstgewalt'gen mögst du gehn. (184)

Der Lehre folgend nach allein

und Gaben gebend, Hausherr du,

des Geizes Übel tilgend aus

mit seiner Wurzel, tadelfrei

wirst du zum Himmel gehen ein. (185)

II,5: Glänzende Ohrringe

Verse 186 - 206: identisch mit Vv 83

II,6: Kanha

Identisch mit Vorgeschichte und Text von J 454, wo nur Verse 217 - 221 und 226 fehlen. Inhalt: In Dvāraka lebten zehn Königssöhne. Einem, Kanha (= Kesavā = Vāsudeva), war der Sohn gestorben. Kanha (der Dunkle) ist der Familienname des Königs Vāsudeva, während Kesavā (der Haarreiche) ein Beiname ist. Kanhas Bruder Ghata gebrauchte eine List, um seinen un­tröstlichen Bruder vom Kummer zu befreien und rief immer: "Gebt mir den Hasen!" (In Indien der "Mann im Mond", s. 212)

Rohinneyya: Erhebe, Kanha, dich, warum

liegst du, was nützt dir Schlaf?

Dein eigner Bruder, der dir lieb

so wie dein Herz, dein rechtes Aug,

dem ward ja irre der Verstand:

Unsinn spricht Ghata, Kesavā. (207)

Buddha:     Als Kesavā das Wort gehört,

das Rohinneyya ihm gesagt,

erhob er voller Eile sich,

bekümmert um den Bruder sehr. (208)

Kesavā:     Was läufst du wie verrückt umher

hier in dem Städtchen Dvāraka,

lallst vor dich hin: "Ein Has, ein Has!"

Was für 'nen Hasen willst du denn? (209)

Aus Gold, aus Edelsteinen auch,

aus Eisen und aus Silber noch,

aus Muschelstein, Korallen ich

laß machen einen Hasen dir. (210)

Es gibt auch andre Hasen noch,

die laufen frei in Wald und Hain,

auch die ich lasse bringen dir.

Was für 'nen Hasen willst du denn? (211)

Ghata:      Fürwahr, nicht diese meine ich,

die Hasen, die auf Erden sind.

Vom Mond den Hasen wünsche ich,

den hol herab mir, Kesavā. (212)

Kesavā:     Da wirst du, lieber Bruder mein,

dein süßes Leben lassen wohl,

weil Unerreichbares du wünscht,

wenn du vom Mond den Hasen willst. (213)

Ghata:      Wenn du dies, Kanha, selbst erkennst,

wie du es einen andern lehrst,

warum betrauerst du den Sohn,

der längst gestorben, immer noch? (214)

Was man von einem Menschen nicht

und auch von Geistern nicht erlangt:

"Nicht sterb der Sohn, der mir geborn",

Unmögliches man nie erlangt. (215)

Mit Sprüchen, heilend Wurzeln nicht,

mit Medizin, mit Schätzen nicht,

kann, Kanha, man beleben dir

den Toten, dem du trauerst nach. (216)

Wer viel besitzt, wer ist sehr reich,

wie Adlige mit ihrem Land,

auch wer hat noch so viel an Geld,

er wird nicht frei von Alter, Tod. (217)

Brahmanen, Adel, Bürgervolk,

die Diener, Kastenlosen auch,

wer immer auch geboren ist,

er wird nicht frei von Alter, Tod. (218)

Die da mit Sprüchen gehen um,

mit den sechs Vedas, Brahmas Werk,

wer immer wissensreich auch ist,

er wird nicht frei von Alter, Tod. (219)

Und auch die Seher, stillgemut,

die Büßer, die gezügelt sehr,

auch sie verlassen diesen Leib,

wenn ihre Zeit sich hat erfüllt. (220)

Doch Heil'ge, die sich selbst besiegt,

gewirkt das Werk, von Trieben frei,

wenn sie die Puppe legen ab,

gibt's nicht Verdienst noch Böses mehr. (221)

Kesavā:     Wir Feuer brannte Kummer mir,

in das man flüss'ge Butter gibt;

gleichwie man Wasser gießt hinein,

hast alles Weh du mir gelöscht. (222)

Des Kummers Stachel zog er raus,

der mir in meinem Herz gesteckt.

Den Kummer, der mich ganz erfüllt,

den Sohneskummer nahm er mir. (223)

Der Kummerstachel, der ist fort,

bin kühl geworden, brandgelöscht,

ich traure nicht, ich wein nicht mehr,

nachdem dein Wort ich hab gehört. (224)

Buddha:     Die weise sind, die handeln so,

sie nehmen anderer sich an,

sie machen sie von Kummer frei,

wie's Ghata seinem Bruder tat. (225)

Wer da Verwandte also hat,

die ihm mit gutem Rat gedient,

der Wohlgesprochenes vernimmt,

wie Bruder es von Ghata hört. (226)

Bemerkungen:

Ein weiterer der zehn Königssöhne war Ankura (s. Pv II,9). Rohinneyya war ein Minister von König Kanha.

Vers 209: Über "Mann im Mond" als Hase s. J 316

Verse 217 - 220 = Vv 63 (Verse 987, 989 - 991)

Vers 221: Ich folge der Lesart Jayawickramas (arahanto) statt der von Stede und Gehmann (viharantā).

Verse 222 - 225 = 50 – 53

Vergl. E. Hardy, "Eine buddhistische Bearbeitung der Krshna-Sage" in: ZDMG 1899, S. 25 - 30: Er vergleicht Pv II,6 und J 454 mit der Krishna­Sage.

II,7: Dhanapāla

Ehe der Buddha in der Welt erschien, lebte in der Stadt Era­kaccha im Königreich Dasanna ein reicher Gildemeister namens Dhanapāla. Er war ein Ungläubiger und glaubte an nichts als an sinnlichen Genuß in dieser Welt. Daher war er geizig und gab keinem Asketen etwas. Als er starb, wurde er ein Peta in einer Wüste. Er hatte einen großen Körper, breit wie eine Palmyrapalme. Seine Haut war aufgedunsen und rauh und sein Körper deformiert. Er war nackt und abgezehrt. Seine Zunge hing ihm heraus vor Durst in der ausgedörrten Kehle. Er irrte 55 Jahre herum, ohne auch nur einen Tropfen Wasser oder einen Bissen Reis zu finden.

Als der Buddha in der Welt erschien, kehrten einige Kaufleute aus Sāvatthī von einer Handelsreise in ihre Heimat zurück. Eines Abends kamen sie an ein ausgetrocknetes Flußbett. Sie entjochten ihre Ochsen und schlugen dort ihr Nachtlager auf. Da nahte sich der Peta auf der Suche nach Wasser. Als er wie­der, wie immer, nichts fand, fiel er vor Erschöpfung der Län­ge nach hin und gab alle Hoffnung auf Wasser auf. Einer der Kaufleute sah ihn und sprach ihn an:

Kaufmann:   Nackt bist du, unschön anzusehn,

bist abgezehrt, die Adern frei,

die Rippen sichtbar, mager sehr:

Wer bist du denn, Verehrter, wohl? (227)

Peta:       Ich bin ein Peta ja, o Herr,

ging abwärts, kam in Yamas Welt.

Nachdem ich böses Werk gewirkt,

gelangt ich in die Petawelt. (228)

Kaufmann:   Was hast du Böses denn getan

in Taten, Werken und dem Geist,

daß du als Ernte für dies Werk

zur Petawelt hinabgelangt? (229)

Peta:       Im Reiche Dasanna die Stadt

Erakaccha ist vielberühmt,

dort war ein Gildemeister ich,

als Dhanapāla wohlbekannt. (230)

Ich hatte achtzig Wagen voll

vom Golde, das mir da gehört,

gar unermeßlich viel an Gold

und Perlen, Edelsteinen auch. (231)

Obwohl ich solchen Reichtum hatt',

war mir das Geben doch nicht lieb,

verschließend meine Tür genoß

ich, daß kein Bittender mich sah. (232)

Ungläubig war ich, geizig sehr,

war knickerig, schalt andre viel.

Die da zum Geben war'n geneigt,

die hielt von solchem Werk ich ab: (233)

"Für Geben gibt es keinen Lohn,

für Selbstbezwingung keine Frucht."

Die Teiche, Wälder, Brunnen viel,

die Parkanlagen, die ich pflanzt,

die Wasserhäuser, Brückenbau:

das alles hab verloren ich. (234)

Nachdem ich Treffliches versäumt,

nach bösem Wirken schied ich ab

und kam in das Gespensterreich,

von Hunger und von Durst gequält. (235)

Sind fünfundfünfzig Jahre her,

seit ich die Zeit erfüllte einst.

Ich kenne nichts zu essen hier,

für mich gibt's auch zu trinken nichts. (236)

Aus dem Verweigern folgt Entbehrn,

Entbehren kehrt Verweigern um.

Die Petas wissen das genau,

aus dem Verweigern folgt Entbehrn. (237)

Ich habe einst verweigert nur,

trotz vielem Reichtum gab ich nichts,

obgleich Gelegenheit war da,

schuf ich kein Eiland doch für mich. (238)

Daher bin ich jetzt voller Reu,

von Frucht des eignen Werks verfolgt.

Nach Ablauf von vier Monaten

wird meine Zeit erfüllt sein hier,

und ich werd in die Hölle gehn,

die einzig stechend, fürchterlich. (239)

Vier Ecken hat, vier Tore sie,

ist regelmäßig eingeteilt,

mit einem Eisenwall herum,

mit Eisen oben auch bedeckt. (240)

Ihr Boden auch von Eisen ist,

gar feurig glüht und brennet er,

wohl hundert Meilen im Quadrat

erstrahlt sie und bleibt immerdar. (241)

Dort werde lange Zeiten ich

viel Wehgefühl erfahren dann,

als Frucht von bösem Wirken einst.

Darum bin ich bekümmert sehr. (242)

Deshalb zu eurem Heil ich rat,

so viel ihr hier versammelt seid:

Wirkt keine bösen Werke mehr,

nicht offen und nicht insgeheim. (243)

Wenn üble, böse Werke ihr

tut oder werdet tun, dann ihr

von Leiden werdet nimmer frei,

selbst wenn ihr wollt im Flug entfliehn. (244)

Zu Vater und zu Mutter auch,

zu Ält'ren habet Achtung stets,

Asketen und Brahmanen ehrt,

so werdet ihr zum Himmel gehn. (245)

Als die Kaufleute diese Rede vernommen hatten, wurden sie von Mitleid erfüllt. Sie nahmen eine Schale Wasser, baten ihn, sich hinzulegen und füllten ihm das Wasser in den Mund. Aber er konnte es nicht schlucken, es lief immer wieder aus seinem Mund heraus. Er erklärte ihnen, daß dies eine Folge seines früheren Verweigerns sei, jetzt verweigere sich das Wasser ihm. Die mitleidigen Kaufleute fragten dann, ob es kein Mit­tel gäbe, ihn von diesem Durst zu befreien. Er erwiderte: "Wenn meine bösen Taten ihre Ernte erschöpft haben und wenn an den Buddha oder die Jünger Gaben gegeben werden und das Verdienst mir gewidmet wird, dann kann mein Petadasein enden." Die Kaufleute gingen nun nach Sāvatthī, suchten den Buddha auf, wurden von ihm belehrt, nahmen Zuflucht und gaben sieben Tage lang ein großes Almosen für den Orden mit dem Buddha an der Spitze und widmeten es dem Peta.

Bemerkungen:

Hier wird fein gezeigt, wie die Verdienstübertragung allein noch nicht genügt. Erst wenn das böse Karma erschöpft ist und die betreffende Peta-Existenz sich dem Ende zuneigt, dann kann durch Verdienstüber­tragung ein göttliches Dasein erlangt werden anstatt eines weiteren, weniger üblen Peta-Daseins. Hier schildert nun der Kommentar die Ver­dienstübertragung, sagt aber nichts, wie sie gewirkt hat. Nach dem Kon­text wurde dadurch wohl das drohende Höllendasein in vier Monaten ver­hindert. Dem Peta stand ja nicht nur ein weiteres Peta-Dasein bevor, sondern die Hölle.

Vers 237: san-yamo (Zurückhaltung) ist meist etwas Heilsames, wenn es Ansichhalten in den Trieben ist. Hier aber ist es negativ gebraucht als Zurückhaltung im Geben, als Festhalten, daher übersetzt "Verweigern". Genau im Maße des Verweigerns als Mensch ist das Entbehren als Peta.

Vers 239: ebenso in Pv I,10 die in vier Monaten drohende Hölle (Vers 69)

Verse 240 - 242 = 70 - 72 = M 129 u. 130 = J 530

II,8: Cūlasetthi

Ajatasattu: Ein nackter, magrer Pilger bist du, Herr

warum gehst du bei Nacht herum, wohin?

Sag an mir doch, ob's möglich wär für mich,

daß Reichtum ich verschaffen könnte dir. (246)

Peta:       Benares heißt die Stadt, die vielgerühmte,

Hausvater war ich dort, sehr reich, sehr arm an Gutem,

ich gab nichts, hatt' nur Gier nach Sinnen­dingen.

so bin ich, tugendlos, in Yamas Reich hinab­gelangt. (247)

Vom Nadelstich des Hungers bin erschöpft ich,

bitt die Verwandten um geringe Gabe.

Sie aber, nicht gewohnt zu geben, glauben nicht,

daß Frucht der Gabe sich im Jenseits zeigt. (248)

Doch meine Tochter, die spricht immer wieder:

"Will Gabe geben Vätern und Großvätern."

Brahmanen kommen zum bereiten Opfer.

Andhakavinda will ich nahen, um zu essen. (249)

Ajatasattu: Der König sprach: "Wenn du genossen Gabe,

komm wieder schnell, ich will dich ehren,

sag an es mir, wenn du ein Mittel weißt,

ich glaube dir, wenn du die Mittel teilst mir mit." (250)

Sprecher:   Er sagte zu und ging zu den Brahmanen.

Die aßen dort, doch waren sie nicht gabenwürdig.

Darauf kehrt er zurück nach Rājagaham

und stellte wieder sich beim Herrscher ein. (251)

Ajatasattu: Als er den Peta sah, wie er zurückgekommen,

der König sprach: "Was soll ich geben,

sag an mir doch, ob es ein Mittel gibt,

wodurch auf lange Zeit du wirst befriedigt?" (252)

Peta:       Erwachten samt dem Orden mögst bewirten, König,

mit Speise und mit Trank und Kleidung,

und diese Gabe widme mir zu meinem Heile,

so würde ich auf lange Zeit befriedigt sein. (253)

Sprecher:   Nachdem der König vom Palast herabgestiegen,

gab eigenhändig er die Gabe, ohn' zu wägen,

dem Orden und berichtete dies dem Vollendeten.

Die Gabe aber widmet er dem Peta. (254)

Sprecher:   Nachdem er so geehrt, erschien er herrlich glänzend

erneut dann vor dem Herrscher, sagend:

"Bin jetzt ein Yakkha, magisch macht­begabt.

Nicht gibt es Menschen, die mir gleich an Wunder. (255)

Sieh diese Fülle, unermeßlich, von dir angewiesen.

Nachdem, gewidmet mir, dem Orden du gegeben, ohne Wägen,

gesättigt bin beständig ich für immer durch das Viele.

Beglückt ich wandel weiter, Menschenkönig." (256)

II,9: Ankura

Vor langen Zeiten lebten im Norden Indiens zehn Königssöhne, die sehr wild waren. Sie eroberten ganz Indien. Dann teilten sie Indien in zehn Teile, wo jeder von ihnen regieren sollte. Sie hatten aber ihre einzige Schwester vergessen. Als sie das merkten, wollte sie alles neu verteilen, um einen elften Teil herauszubekommen. Aber da sagte der jüngste Bruder, Ankura, er habe keine Lust, König zu sein, sondern wolle Handel trei­ben. Die Brüder könnten daher seinen Anteil an ihre Schwester geben. Zum Ausgleich könnten sie ihm von den Steuern ihrer Reiche etwas abgeben. Alle stimmten zu. Ankura aber begann, Handel zu treiben, und er gab gerne reichlich Almosen.

Ankura hatte einen Sklaven, der ihm ein treuer Lagerverwal­ter war. Er gab ihm eine Frau aus guter Familie, aber als beiden ein Sohn geboren wurde, starb der Vater. Ankura setz­te den Sohn später in die Stellung des Vaters ein. Als er erwachsen war, erhob sich die Frage, ob er ein Sklave sei oder nicht. Die Schwester der zehn Brüder entschied, daß der Sohn einer freien Frau ebenfalls frei sei. Damit war der Sohn als freier Mann anerkannt. Er schämte sich aber seiner Abkunft von einem Sklaven und zog daher von der Stadt Dvaraka, wo Ankura lebte, fort in die Stadt Bheruva. Dort heiratete er die Tochter eines Schneiders und übte selbst den Schneiderberuf aus. In Bheruva lebte damals ein reicher Gildemeister namens Asayha-mahā-setthi, der für seine Frei­gebigkeit an Asketen und Bettler usw. berühmt war. Der Schneider zeigte allen, die nach jenem fragten, freudig den Weg zu dessen Haus, wie in den Versen berichtet wird. Als er gestorben war, wurde er als eine Baumgottheit wiederge­boren, und zwar in einer Wüste. Dort stand ein mächtiger Banyanbaum, in dem er wohnte. Nicht weit von ihm lebte ein Peta, der auf Erden der Aufseher über die Spenden Asayhas gewesen war, selber aber ungläubig gewesen war. Er er­schien Ankura später. Als Asayha starb, gelangte er in den Kreis des Götterkönigs Sakko bei den Göttern der Dreiund­dreißig.

Ankura bereitete eines Tages zusammen mit einem Brahmanen eine Wagenkarawane vor. Sie luden ihre Waren auf viele Wagen und wollten in der Ferne Handel treiben. In einer Wüste ver­irrten sie sich. Nachdem sie mehrere Tage umhergeirrt waren, ging Gras, Wasser und Essen auf die Neige. Als die Baumgott­heit dies sah, dachte sie an das Gute, das Ankura ihr frü­her getan hatte, und sie wies der Karawane den Weg zu dem Banyanbaum. Dort schlugen sie im dichten Schatten ihr Lager auf, und die Gottheit zeigte ihnen Wasser und verschaffte ihnen dank ihrer magischen Macht auch reichlich Nahrung. Der Geschäftsfreund Ankuras aber dachte: Wenn wir diesen mächtigen Baum fällen, dann haben wir genug zum Verdienen und brauchen nicht in die Ferne zu ziehen, sondern können heimkehren. So sprach er:

I.

Kaufmann:   Wenn wir jetzt nach Kamboja ziehn,

um Reichtum zu erwerben dort,

den Yakkha, der uns Wünsch erfüllt,

den Yakkha woll'n wir nehmen mit. (257)

Den Yakkha woll'n ergreifen wir

im Guten oder mit Gewalt,

ihn auf den Wagen legen dann

und schnell nach Dvāraka so fahrn. (258)

Ankura:     Vom Baum, in dessen Schatten man

hier sitzen oder liegen kann,

soll keinen Zweig man brechen ab,

ein Freundverräter wäre man, bös. (259)

Kaufmann:   Der Baum, in dessen Schatten man

hier sitzen oder liegen kann,

dürft fällen man an seinem Stamm,

falls dies von einem Nutzen wär. (260)

Ankura:     Vom Baum, in dessen Schatten man

hier sitzen oder liegen kann,

soll man kein Blatt selbst reißen ab,

ein Freundverräter wär man, bös. (261)

Kaufmann:   Den Baum, in dessen Schatten man

hier sitzen oder liegen kann,

dürft man mit Wurzel reißen aus,

falls dies von einem Nutzen wär. (262)

Ankura:     Bei wem man eine Nacht auch nur im Hause wohnt,

beim Manne, dessen Speis und Trank man dort er­ hält,

dem darf nicht mal im Geist man Übel wünschen.

Von rechten Menschen Dankbarkeit wird stets gelobt. (263)

Bei wem man eine Nacht auch nur im Hause wohnt,

von wem man wird mit Speis und Trank geehrt,

dem darf nicht mal im Geist man Übel wünschen.

Die Hand, die nie verrät, verbrennt den Freund­verräter. (264)

Wer den, der früher trefflich wirkt,

mit Bösem später schädiget,

solch Mensch schlägt sich mit eigner Hand,

wird Gutes nicht erblicken mehr. (265)

II.

Yakkha:     Nicht bin ich leicht von Göttern, nicht von Menschen,

auch nicht von Herrschermacht wohl zu besiegen.

Ein Yakkha bin ich, bin magiegewaltig,

mit Windeseile geh ich, bin gar schön und kräftig. (266)

Ankura:     Ganz gülden glänzet deine Hand,

fünf Finger triefen honigsüß

und tropfen von verschiednem Saft.

Bist du wohl der, der Mauern stürzt? (267)

Yakkha:     Ich bin kein Gott, kein Elfengeist,

auch Sakko nicht, der Mauern stürzt.

Als Peta kenn mich, Ankura,

der von Bheruva hierher kam. (268)

Ankura:     Wie hast gelebt, gewandelt wie

du früher in Bheruva denn,

aus welchem Brahmawandel sprießt

wohl das Verdienst an deiner Hand? (269)

Yakkha:     Ein Schneider bin gewesen ich,

in Bheruva hab ich gelebt,

ich lebte ärmlich, kümmerlich,

zum Geben hatte gar nichts ich. (270)

Doch meine Werkstatt hatte ich

ganz nahe bei Asayha dort,

des Gläub'gan, Gabenmeisters, der

verdienstlich wirkte und war fromm. (271)

Als Bettler von verschiedner Art

ich auf den Straßen ziehen sah,

da fragten diese mich alsbald,

wo des Asayha Wohnung sei: (272)

"Wie soll'n wir gehen, Heil mit dir,

wo können Gaben kriegen wir?"

Also gefragt, zeigt ihnen ich

die Wohnung des Asayha dann, (273)

streckt meinen rechten Arm da aus:

"Dort müßt ihr gehen, Heil mit euch,

dort ist's, wo Gaben man erlangt

im Haus, in dem Asayha wohnt." (274)

Deshalb hab ich die Hand erlangt,

die Wünsch erfüllt, von Honig trieft,

daher durch Bahmawandel mir

Verdienst an meiner Hand entstand. (275)

Ankura:     Du gabst doch selber keinem da

an Gaben eigenhändig je,

nur Geben andrer freute dich,

als deine Hand den Weg gezeigt. (276)

Deshalb hast du die Hand erlangt,

die Wünsch erfüllt, von Honig trieft,

daher durch Brahmawandel dir

Verdienst an eigner Hand entstand. (277)

Der aber, Herr, der spendete,

mit heitrem Herz, mit eigner Hand,

wohin ist der gegangen wohl,

nachdem den Leib er legte ab? (278)

Yakkha:     Der, welcher Unvollbringbares vollbrachte,

des Angīrasen Fährte kenn ich nimmer,

doch hab ich von Vessavana gehört,

daß Asayha zu Sakko sei gegangen. (279)

Ankura:     Es ziemt sich, Treffliches zu tun,

zu geben Gaben, wie man kann.

Wer wunscherfüll'nde Hand gesehn,

wer würd Verdienst da wirken nicht? (280)

Wenn ich nun gehe fort von hier

und kehr zurück nach Dvāraka,

dann will ich spenden Gaben reich,

die mich zum Wohle führen hin. (281)

Ich werde geben Speis und Trank,

Gewänder, Lager und auch Sitz,

Trinkstätten, Brunnen will ich baun,

und Brücken, wo es unwegsam. (282)

III.

Ankura:     Warum sind deine Finger krumm,

warum verzogen dein Gesicht,

warum die Augen triefen dir,

was hast du Böses denn getan? (283)

Peta:       Angīraso der Hausner hieß,

der gläubig einst im Hause wohnt,

von dem war ich da angestellt,

um Gaben für ihn zu verteil'n. (284)

Wenn ich die Bettler nahen sah,

die kamen um Almosen her,

dann trat beiseit ich und verzog

gar höhnisch dazu mein Gesicht. (285)

Deshalb sind meine Finger krumm,

deshalb verzogen mein Gesicht,

deshalb die Augen triefen mir,

solch böses Werk hab ich gewirkt. (286)

Ankura:     Mit Recht, du schlechter Mensch, ist dir

verzogen nunmehr das Gesicht

und triefen deine Augen dir,

weil über Gaben anderer

du einen schiefen Mund gemacht. (287)

Wie kann auch, wer da Gaben gibt,

bedienen eines andern sich

bei Speise, Trank und Kuchen auch,

Gewändern, Lager und dem Sitz? (288)

Wenn ich nun gehe fort von hier

und kehr zurück nach Dvāraka,

dann will ich spenden Gaben reich,

die mich zum Wohle führen hin. (289)

Ich werde geben Speis und Trank,

Gewänder, Lager und auch Sitz,

Trinkstätten, Brunnen will ich baun

und Brücken, wo es unwegsam. (290)

IV.

Sprecher:   Von seiner Reise heimgekehrt,

wieder in Dvāraka zurück,

da richtet' er die Gabe ein,

die ihm zum Wohl gereichen sollt. (291)

Und er gab Speise und auch Trank,

Gewänder, Lager und auch Sitz,

Trinkstätten, Brunnen baute er,

dabei gar heiter im Gemüt. (292)

"Wer hungrig und wer durstig ist,

wer ein Gewand zur Kleidung braucht,

wes' Zugtiere ermüdet sind,

der möge sie hier spannen aus. (293)

Wer Schirm sich wünscht und Wohlgeruch,

Sandalen und auch Blumenschmuck,

der komme her!" - so rufen jetzt

Barbiere, Köche, Parfümiers,

beständig von der Früh bis spät

im Hause des Ankura jetzt. (294)

Ankura:     "Der Schlaf von Ankura ist gut",

so meint die Menge wohl von mir,

doch schlafe schlecht ich, Sindaka,

weil ich hier keine Bettler seh. (295)

"Der Schlaf von Ankura ist gut",

so meint die Menge wohl von mir,

doch schlafe schlecht ich, Sindaka,

weil hier so wenig Bettler sind. (296)

Sindaka:    Wenn Sakko einen Wunsch gewährt,

der Dreiunddreißig Götterherr,

was würdest von der ganzen Welt

du wählen wohl als deinen Wunsch? (297)

Ankura:     Wenn Sakko einen Wunsch gewährt,

der Dreiunddreißig Götterherr,

daß wenn ich aufsteh in der Früh,

beim Sonnenaufgang, zu der Zeit,

dann soll'n hier Götterspeisen sein

und tugendhafte Bettler auch, (298)

daß Gaben mögen schwinden nicht

und daß Gegebnes mich nicht reut,

beim Geben heiter sei mein Herz, ­

das wünsche ich von Sakko mir. (299)

Sonaka:     Nicht alle Habe gib hinweg an andre,

gib Gabe zwar, doch hüt auch Reichtum;

Reichtum ist darum besser als das Geben,

bei zuviel Geben gibt es nicht Familien. (300)

Nichtgeben, auch zuviel davon,

das beides preisen Weise nicht.

Reichtum ist darum besser als das Geben,

ans Mittelmaß sich halte wohl der Kluge. (301)

Ankura:     Ich möchte aber gerne vielen geben,

's gibt rechte Menschen noch, und denen gönn ich's.

So wie die Regenwolke Täler füllet,

so möchte alle Bettler ich erquicken. (302)

Wenn das Gesicht bei dem Anblick

Bittender sich erheitert gleich

und man beglückt vom Geben ist,

das ist für Hausbewohner Wohl. (303)

Wenn das Gesicht bei dem Anblick

Bittender sich erheitert gleich

und man beglückt vom Geben ist,

das ist Bewährung in Verdienst. (304)

Bevor man gibt, der Geist sei froh,

beim Geben heiter sei das Herz,

danach beglückt sein stets zutief,

das ist Bewährung in Verdienst. (305)

Sprecher:   Stets sechzigtausend Wagen Speis

im Haus des Ankura da sind

gespendet worden täglich nun

den Leuten, auf Verdienst bedacht. (306)

Dreitausend Köche sind es hier,

Juwelen, Ohrring tragen sie,

wohnend im Haus des Ankura,

beim Gebeopfer tätig gern. (307)

Stets sechzehntausend Jünglinge,

Juwelen, Ohrring tragen sie,

zerkleinern wohl das Feuerholz

für große Gabe Ankuras. (308)

Stets sechzehntausend Frauen noch,

gar schön mit allem Schmuck geschmückt,

verschiedne Speisen rühren sie

für große Gabe Ankuras. (309)

Stets sechzehntausend Frauen noch,

gar schön mit allem Schmuck geschmückt,

mit Löffeln stehen sie bereit

für große Gabe Ankuras. (310)

Gar vielen gab er vieles gern

für lange Zeit, der Adlige,

bedachtsam und mit eigner Hand,

im Herz beteiligt immerdar. (311)

Zur dunklen, hellen Monatshälft,

zu jeder Jahreszeit, wie's sei,

die große Gabe gab er stets

für lange Zeit, der Ankura. (312)

V.

Sprecher:   So spendete und opferte

gar lange Zeiten Ankura,

und als den Menschenleib er ließ,

kam zu den Dreiunddreißig er. (313)

Ein Löffel-Bettelessen gab

jetzt Anuruddho Indaka.

Nachdem den Menschenleib er ließ,

kam auch zu Dreiunddreißig er. (314)

Doch Indaka, der übertrifft

ja zehnfach dort den Ankura

an Form, an Ton, an Saft und Duft,

an Tastung, die dem Geiste lieb, (315)

an Lebensdauer und an Ruhm,

an Schönheit und an Glücklichsein,

an Oberherrschaft übertrifft

der Indaka den Ankura. (316)

Als bei den Dreiunddreißig einst

Erwachter bei dem Grauen Stein

am Fuße des Korallenbaums,

der Höchste aller Menschen weilt, (317)

und als im ganzen Weltsystem

die Götter sich versammelten,

umgaben den Erwachten sie,

verweilend auf dem höchsten Berg. (31B)

An Schönheit keiner übertraf

den Buddha von der Götterschar,

die Götter übertreffend all

erstrahlt der Vollerwachte da. (319)

Zwölf Meilen weit von ihm entfernt

verweilte Ankura auch dort,

dem Buddha näher Indaka,

er überstrahlte Ankura. (320)

Der Vollerwachte blickte hin

auf Indaka und Ankura,

das Gabenspenden preisend er

hub an zu sprechen alsogleich: (321)

Buddha:     Gar lange Zeit hast, Ankura,

gegeben große Gabe du,

doch sitzt du weit entfernt von mir,

komm jetzt in meine Nähe doch. (322)

Sprecher:   Ermahnt von dem, der innen weit,

erwiderte dann Ankura:

Ankura:     Was ist schon jene Gabe wert,

leer war an Gabenwürd'gen sie. (323)

Der Indaka, der Yakkha hier,

er gab geringe Gabe nur,

doch überstrahlen tut er uns,

gleichwie der Mond der Sterne Schar. (324)

Buddha:     Wenn man auf harten Acker sät,

dann nützt noch soviel Samen nichts,

er bringt nicht reiche Früchte, und

der Ackersmann ist nicht beglückt. (325)

So wird auch reiche Gabe, die

an Tugendlose wird verwandt,

nicht reiche Früchte bringen, und

der Geber wird so nicht beglückt. (326)

Wenn man auf guten Boden sät,

dann nützt auch wenig Samen schon,

wenn Regen kommt zur rechten Zeit:

Da wird der Ackersmann beglückt. (327)

So wird auch, wenn man wenig gibt

an Tugendhafte, die bewährt,

Verdienst man ernten, reichliches,

mit großer Frucht für solche Tat. (328)

Sprecher:   Wer Gaben gibt, der überleg,

wo große Frucht sein Geben bringt.

Wer überlegend also gibt,

solch Geber in den Himmel kommt. (329)

Wer überlegend, wie's Willkommner lobte,

an Gabenwürd'ge Gaben spendet hier,

solch Gaben bringen große Früchte ihm,

wie Samen, der auf gutes Feld gesät. (330)

Bemerkungen:

Mit 74 Versen ist dies der zweitlängste Bericht des Petavatthu, nach Pv IV,1 mit 87 Versen. Die Geschichte ist von Fritz Schäfer nacher­zählt in Schatzkiste S. 71 - 77 der 1. und 2. Auflage. Nur Verse 301 ­ 304 sind dort als Vers wiedergegeben (S. 76).

Zur Vorgeschichte s. auch J 454 und Pv II,6. Zur Zeit Ankuras wurden die Menschen 20.000 Jahre alt.

Vers 257:   Kamboja ist n i c h t das heutige Kambodscha, sondern eine Gegend im heutigen Kaschmir.

Der gierige Brahmane verwechselt den Baum und die Baumgott­heit, die hier Yakkha genannt wird.

Vers 279:   Angīrasa ist ein Beiname des Asayha. Unvollbringbares voll­brachte (a-sayha-sāhino), ein Wortspiel. A-sayha heißt: nicht ertragen; sahati = ertragen. Dies sonst ein Beiname des Buddha: Thag 536. Vessavana ist einer der Vier Großen Könige.

Vers 288:   Ankura macht Asayha hier den Vorwurf, daß er nicht eigen­händig gegeben hat, sondern sich auf einen Angestellten ver­ließ, der dann schlecht handelte.

Vers 295:   Sindaka war ein Angestellter Ankuras, der ihm beim Geben half. Weil Ankura soviel gegeben hatte, waren alle satt, und es kamen weniger Bettler.

Vers 300:   Sonaka ist ein Weltkluger, der das Geben einschränken will.

Vers 313:   Indaka war ein Spender des Heiligen Anuruddho. Einem Heili­gen zu spenden, hat ungleich mehr Verdienst, als Andersfährtigen zu spenden.

Vers 324:   Indaka war gerade k e i n Yakkha, er gehörte nicht zu den Göttern der Großen Könige, sondern zu dem höheren Himmel der Dreiunddreißig. Yakkha wird aber unspezifisch oft für "Jenseitiger" gebraucht. So auch C = devaputta.

Vers 317:   Der Buddha besuchte einmal den Himmel der Dreiunddreißig und soll dort abhidhamma gepredigt haben.

II,10: Uttaras Mutter

Nach dem Tode des Buddha und nach dem Ersten Konzil weilte der ehrwürdige Mahākaccāno mit zwölf Mönchen bei Kosambi im Walde. Damals war ein Minister König Udenas von Kosambi ge­storben. Der König setzte dessen Sohn an dieselbe Stelle. Dieser, namens Uttara, ging eines Tages mit Zimmerleuten in den Wald, um Bauholz zu holen. Da sah er Mahākaccāno allein sitzen, im Fetzenkleid. Der Mönch beeindruckte ihn, und er begann ein Gespräch. Der Mönch legte ihm die Lehre dar, und Uttara nahm Zuflucht zu den drei Juwelen. Er lud ihn am nächsten Tag zum Essen ein, zusammen mit den zwölf Mönchen. Das Essen fand auch statt. Uttara war so erfreut, daß er die Mönche einlud, regelmäßig zu kommen. So kamen sie jeden Tag, und Uttara hörte viel von der Lehre. Er erreichte schließ­lich den Stromeintritt. Er baute ein Kloster und bestärkte alle seine Verwandten im Guten und in der Lehre.

Seine Mutter jedoch war ungläubig, hartherzig, und sie kri­tisierte sein Geben und verfluchte ihn dafür. Aber am Grün­dungstag des Klosters, der jährlich gefeiert wurde, stimmte sie einmal zu, daß ein Bündel von Pfauenfedern gespendet wurde.

Nach ihrem Tode wurde sie eine Petī. Wegen der einen Spende hatte sie schöne, lange, schwarze Haare, an den Enden ge­lockt. Sonst aber war sie nackt und häßlich anzuschauen. Ih­re langen Haare dienten ihr als Bekleidung. 45 Jahre lang litt sie Hunger und Durst. Wenn sie am Fluß trinken wollte, verwandelte sich das Wasser sofort in Blut. Eines Tages sah sie den ehrwürdigen Kankharevata am Ganges sitzen. Sie be­deckte sich mit ihren Haaren und bat ihn um Wasser.

Sprecher:   Es weilte einst zur Mittagszeit

am Gangesufer still ein Mönch.

Da nähert eine Petī sich,

gar häßlich, schrecklich anzusehn. (331)

Die Haare waren überlang,

bis auf die Erde hingen sie,

die dienten ihr als ihr Gewand.

sie sprach zu dem Askten da: (332)

Petī:       Vor fünfundfünfzig Jahren hab

das Zeitliche gesegnet ich.

Seitdem kenn weder Essen ich,

noch hab ich meinen Durst gestillt.

Gib bitte mir zu trinken, Herr,

es dürstet mich nach Wassertrank. (333)

Kankha-     Der Ganges hier mit Wasser kühl

revata:     fließt vom Himālaya herab.

Nimm doch daraus und lösch den Durst,

was bittest du um Wasser mich? (334)

Petī:       Wenn selber ich mir Wasser hol

aus diesen Gangesfluten hier,

dann wird es alsogleich zu Blut,

drum bitte ich um Wasser dich. (335)

Kankha-     Was hast du Böses denn getan

revata:     in Worten, Werken und im Geist,

wofür als dieses Wirkens Frucht

dir Gangeswasser wird zu Blut? (336)

Petī:       Mein Sohn, der Uttara genannt,

war gläub'ger Laienjünger einst.

Er, gegen meinen Willen, gab

Asketen Kleidung, Essen und

Arzneien, Lager und auch Sitz. (337)

Doch ich beschimpfte ihn dafür,

von Geiz im Herzen heimgesucht:

"Das, was du an Asketen gabst

entgegen meinem Willenswunsch,

an Kleidung und an Essen auch,

Arzneien, Lager und auch Sitz, (338)

das soll in andrer Welt für dich

zu Blut dir werden, Uttara."

Für dieses Wirkens Frucht wird mir

das Gangeswasser nun zu Blut. (339)

Der Mönch gab dann Wasser, erbettelte Almosenspeise, gab diese und aufgelesene und gesäuberte Kleiderfetzen an die Mönche und widmete sie der Petī. Dadurch kam sie zu gött­licher Existenz.

Bemerkungen:

Die Geschichte auch in Avadāna-Śataka Nr. 46, variiert.

Der Kommentar bemerkt (S. 151), daß der Text erst auf dem 2. Konzil in das Petavatthu eingefügt wurde.

II,11: Das Fadenknäuel

Siebenhundert Jahre vor dem Erscheinen des Buddha lebte in einem Dorf bei Sāvatthī ein junger Mann, der einen Einzel­erwachten unterstützte. Seine Mutter suchte ihm ein Mäd­chen aus guter Familie. An seinem Hochzeitstag ging er mit Freunden zum Baden. Da wurde er von einer Schlange gebis­sen und starb. Weil er einen Einzelerwachten unterstützt hatte, war ihm ein großes Verdienst gewiß. Weil er aber im Todesaugenblick sehnsüchtig an seine Braut gedacht hatte, gelangte er nur zu einem glücklichen Gespensterdasein. Dort besaß er große magische Macht. Er wollte gern seine Braut zu sich holen und überlegte, durch welche Tat sie wohl soviel Verdienst erwerben könnte, daß dies möglich war. Da sah er einen Einzelerwachten, der seine Robe flickte. Flugs nahm er kraft seiner magischen Macht menschliche Form an, grüßte ihn und fragte, ob er wohl Garn brauche. Jener antwortete nur: "Wir bereiten Roben, Laienanhänger." Da zeigte er zum Hause seines Mädchens und sagte, dort möge er um etwas Garn bitten. Der Einzelerwachte ging zu jenem Haus und stand stumm an der Tür. Das Mädchen aber erkannte, daß er Garn benötigte. Voll Verehrung für den Ehrwürdigen gab sie ihm ein ganzes Fadenknäuel. Der Peta aber ging als Mensch auch zum Haus des Mädchens und blieb dort einige Ta­ge. Um ihrer Mutter zu helfen, füllte er kraft seiner Magie alle Gefäße im Haus mit Gold und Juwelen, worauf er über­all eine Inschrift anbrachte: "Dieser Reichtum ist von den Göttern gegeben und darf von niemandem genommen werden." Darauf nahm er sein Mädchen und entführte es zu seinem Vi­māna. Ihre Mutter spendete von dem Reichtum an alle Bedürf­tigen und erfüllte auch ihre Bedürfnisse. Als sie starb, sagte sie zu ihren Verwandten: "Wenn meine Tochter wieder­kommt, zeigt ihr das Vermögen."

Nachdem das Mädchen siebenhundert Jahre lang mit dem Peta in dessen Vimāna verbracht hatte, wurde sie es leid. Sie bat ihn, sie zu ihrem Haus zurückzubringen, und sprach zu ihm:

Mädchen:    Einst gab ich einem Pilger, einem Mönche,

ein Fadenknäuel, um das er mich gebeten.

Als Ernte dafür hab ich reinste Frucht erlangt:

Viel Kleider sind, Millionen, mir erstanden. (340)

An Stätte, die mit Blumen übersät, entzückend,

vielfach geschmückt, bedient von Männern, Frauen,

so leb ich im Genuß und kleide schön mich,

der große Reichtum, der versiegt mir nimmer. (341)

Als Ernte jener Tat ist dies gefolgt mir,

Glück und auch Wonne hab ich hier erlangt.

Und geh ich wieder in die Welt der Menschen,

Verdienst will wirken ich, führ mich, Verehrter. (342)

Yakkha:     Vor siebenhundert Jahren bist du hergekommen,

alt und verfallen würd'st du dort erscheinen,

Verwandte alle sind auf Erden längst gestorben,

was willst du denn zurück zu Menschen kehren? (343)

Mädchen:    Vor siebenhundert Jahren bin zu dir ich kommen,

viel himmlisch Glück hab ich bei dir genossen,

und geh ich wieder in die Welt der Menschen,

Verdienst will wirken ich, führ mich, Verehrter. (344)

Sprecher:   Er nahm sie, faßte fest am Arm sie,

führt sie zurück als Alte, Schwache:

Yakkha:     "Sag andern auch, die zu dir werden kommen:

'Erwirkt Verdienst, dann wird euch Wohlsein folgen.'" (345)

Mädchen:    Gesehen hab ich: Wer versäumet Gutes,

muß leiden, sei ein Peta, sei ein Mensch er.

Doch so er wirket, daß er Wohlsein aufzieht,

als Gott, als Mensch, wird er im Glück ein Wesen. (346)

Das Mädchen belehrte dann die Menschen an ihrem Ort über Saat und Ernte. Dann nahm sie den Reichtum, der noch vor­handen war, nachdem sie sich den Nachkommen ihrer Familie offenbart hatte, und spendete sieben Tage lang an Asketen und Brahmanen. Dann starb sie und erschien bei den Drei­unddreißig wieder.

Bemerkungen:

Diese Entführung ähnelt I,1, II,12 und IV,11. Hier in II,11 wird aber berichtet, daß der Mensch eine gute Tat tun muß, die es ihm ermöglicht, zu einem Vemānika Peta zu kommen. Außerdem muß der Peta genug magi­sche Macht besitzen, um den Menschen dorthin holen zu können. Hier kamen beide Bedingungen zusammen, und so konnte die Frau siebenhun­dert Menschenjahre bei ihrem Bräutigam bleiben, die ihr wie sieben Jahre vorkamen (344). Ihre menschliche Lebenskraft alterte dort viel langsamer. Aber nach den siebenhundert Jahren näherte sie sich dem Ende. Daher wurde sie unzufrieden und wollte auf Erden zurück, um noch gute Werke zu tun und für das nächste Leben zu sorgen. Der Peta warnte sie indes: Auf Erden werde sie eine alte, gebrechliche Greisin sein und nur noch sieben Tage zu leben haben. Sie bestand aber aus gutem Grund darauf, zurückzukehren. Da brachte er sie zurück.

Daß das Haus siebenhundert Jahre stehengeblieben ist und daß noch Nach­kommen leben, das wäre bei uns von Burgen und Schlössern denkbar, die jahrhundertelang im Besitz derselben Familie sind und wo noch Besitz der Vorfahren aufbewahrt wird. Jedenfalls tat sie zwei gute Werke: Sie belehrte die Menschen über das Karma, und sie unterstützte Aske­ten. Dadurch kam sie zwei Himmel über das Menschentum.

Was aus dem Peta wurde (Yakkha in 343 genannt) und was aus seiner Mut­ter wurde, ist nicht berichtet. Auch ist nicht gesagt, ob der Einzel­erwachte, den er unterstützt hatte und der, dem seine Braut das Faden­knäuel schenkte, derselbe ist.

II,12: Der ohrenlose Höllenhund

Zu jener Zeit, als der Buddha Kassapo auf Erden weilte, lebte in der Stadt Kimbilā ein Laienanhänger jenes Erwachten, der ein Stromeingetretener war. Er hatte eine große Freundesschar, die auch dem Buddha ergeben war. Er vollbrachte viele gute Wer­ke, legte Parks an, baute Brücken, und vor allem errichtete er dem Orden ein schönes Kloster. Zusammen mit seinen Freunden be­suchte er dieses Kloster oft, um den Mönchen zu lauschen. Die Ehefrauen dieser Jüngergemeinde waren samt und sonders auch Anhängerinnen des Buddha. Auch sie besuchten gern und oft das Kloster. Einträchtig gingen sie hin und nahmen viele Gaben für die Mönche mit. Unterwegs pflegten sie sich in Rasthäusern aus­zuruhen.

Als die Frauen eines Tages wieder in einem Rasthaus eine Pau­se machten, wurde eine Gruppe Halbstarker dort auf sie aufmerk­sam, denn die Frauen waren alle ausnehmend schön und anmutig. So fühlten sie sich von ihnen angezogen. Die Frauen beachteten aber ihre Annäherungsversuche nicht, da sie tugendhaft waren. Da beratschlagten die Jugendlichen, was zu tun sei. Einer stell­te die Frage: "Wer von uns kann wohl die Tugend einer von die­sen zerstören?" Ein anderer erwiderte: "Ich kann das." Da mach­ten sie eine Wette: "Wir wetten tausend Kahāpana. Wenn du das fertigbringst, müssen wir dir die tausend Kahāpana geben; wenn nicht, dann mußt du uns tausend geben." Aus Gier nach dem Geld und aus Furcht, die Wette zu verlieren, nahm der Jüngling sei­ne Vina und schlug süße Töne an. Er sang mit einschmeichelnder Stimme verführerische Lieder, und durch diese Sexualmusik be­strickte er das Herz einer der Frauen. Sie pflegte mit ihm der Lust und brach die Ehe. Er aber gewann stolz die tausend Kahā­pana von seinen Genossen. Diese waren aber wütend über ihren Verlust und hinterbrachten die Sache dem Ehemann. Dieser woll­te den Halbstarken nicht glauben, fragte seine Frau aber, ob etwas daran sei. Sie erwiderte: "Ich weiß nichts von derglei­chen." Auf diese vage Antwort erwachte sein Mißtrauen. Als sie das merkte, zeigte sie auf einen in der Nähe stehenden Hund und schwor: "Wenn ich eine solche böse Tat getan hätte, dann soll mich dieser ohrenlose Hund fressen, wo immer ich wiedergeboren werde." Da war der Mann halb beruhigt. Um ganz sicher zu gehen, fragte er aber die anderen Frauen. Diese aber logen, daß sie davon nichts wüßten. Als er näher nachbohrte, schworen sie: "Wenn wir davon wissen sollten, dann wollen wir in allen künftigen Existenzen als Sklavin­nen wiedergeboren werden."

Die Ehebrecherin aber hatte ein schlechtes Gewissen, das sie immer mehr quälte. Sie siechte dahin und starb bald darauf. Als glückliche Petī erschien sie am See Kanna-munda (= "Ohrenlos"), einem der sieben großen Seen des Himālaya. Ihr Vimāna war an allen Seiten von schönen Lotusteichen um­geben. Als die anderen Frauen nacheinander gestorben waren, fanden sie sich samt und sonders als Sklavinnen der Petī wieder.

Angesichts der Frucht ihrer guten früheren Werke genoß die Petī am Tage himmlisches Wohl. Jede Nacht um Mitternacht aber zwang eine unsichtbare Macht sie, aufzustehen und an den Lotusteich zu gehen. Dort wartete ein schwarzer Hund in der Größe eines jungen Elefanten, schrecklich anzuschauen, mit gestutzten Ohren, glühenden Riesenaugen, scharfen Kral­len, zottigem Haar und einer Zunge, die wie der Blitz her­auskam. Er warf sie zu Boden und verschlang wie ausgehungert in wilder Gier ihr Fleisch, bis nur noch das Gerippe übrig war. Dann ergriff er mit den Zähnen das Gerippe, schleifte es zum Teich und warf es hinein. Dann verschwand er. Die Petī aber erlangte sofort ihre göttliche Gestalt zurück. Sie kletterte am Ufer empor und ging zu ihrem Lager zurück.

So lebte sie 550 Jahre. Da wurden sie alle unzufrieden mit der Pracht und sehnten sich nach Männern. Nun floß aus dem See Kannamunda ein Fluß in den Ganges. Am See gab es viele herrliche Obstbäume, besonders Mangos. Da dachten die Frauen: Wenn wir einen dieser göttlichen Mangos in diesen Fluß wer­fen, mag ein Mann sie finden und aus Gier nach dem herrli­chen Geschmack hierherkommen. Dann können wir uns mit ihm amüsieren. Sie taten so. Einige der Mangos wurden von Aske­ten herausgefischt und verzehrt, andere von Förstern, andere strandeten auf Sandbänken. Aber ein Mango erreichte Benares. Dort badete eines Tages der König von Benares im Ganges an einem extra Badeplatz, der von einem Kupfernetz abgeteilt war. Da verfing sich der Mango. Als die Leute des Königs den über­großen Mango sahen, der prächtig erschien, brachten sie ihn dem König. Der war indes mißtrauisch. Er ließ aus dem Gefäng­nis einen zum Tode verurteilten Räuber holen und gab ihm zum Test eine Scheibe Mango. Der Mann strahlte. Nie zuvor hätte er etwas Herrlicheres gegessen. Der König gab ihm eine weitere Scheibe. Da verschwanden sein graues Haar und seine Falten, und er war wieder ein schöner Jüngling. Als der König das sah, war er verwundert und erstaunt, aß selber eine Scheibe und er­fuhr auch eine Verschönerung seines Körpers. Er fragte seine Männer, wo es solche Mangos gäbe. Sie erwiderten, die gäbe es nur im Himālaya. Wie könne man sie bekommen, wollte er weiter wissen. Da verwiesen die Höflinge ihn an die Förster. Der Kö­nig gab einem Förster, der in Not war, tausend Kahāpanas und schickte ihn zur Suche nach dem Mango. Nach vielen Beschwer­nissen gelangte der Mann schließlich an den Herkunftsort. Als die Frauen ihn sahen, wollte ihn jede für sich haben. Als er sie erblickte, wurde er aber erschreckt. Da er keine guten Wer­ke getan hatte, die es ihm ermöglichen würden, mit Geistwesen der Lust zu pflegen, rannte er vor Schreck über die Geister davon, kehrte nach Benares zurück und berichtete alles.

Der König aber hatte keine Furcht vor Geistern, sondern war begierig, jene schönen Frauen und den schönen Mango zu sehen. Er übergab die Regierung seinen Ministern und machte, wie er sagte, einen Jagdausflug, mit Pfeil, Bogen und Schwert bewaff­net. Schließlich kam er zu den Mangos. Als die Frauen ihn sa­hen, erschien er ihnen wie ein junger Gott. Als sie aber hör­ten, daß er ein Königs sei, hielten sie sich achtungsvoll zu­rück. Sie führten ihn zu ihrer Herrin und dienten nun auch ihm. Der König aber genoß himmlische Lust mit der Petī. Nach 150 Jahren wachte er zum erstenmal um Mitternacht auf und sah das Drama, als er ihr verstohlen zum See gefolgt war. Drei Tage lang sah er es mit an und dachte über den Sinn nach. Schließlich kam er zu dem Ergebnis, daß es ein Feind sei­ner Geliebten sein müsse. Er schlich ihr wieder nach und erschoß den Höllenhund mit seinem Pfeil. Dann tauchte er das Frauengerippe in den Teich, und als sie ihre gött­liche Form wieder angenommen hatte, begann er sie über den Unterschied zwischen ihrem herrlichen Tagesleben und dem grausigen Nachtleben zu fragen, indem er folgende Ver­se sprach:

König:      Die Treppenfluchten sind aus Gold,

erheben sich vom Goldsand aus,

darin blühn herrlich Lilien auf,

schön duftend, die den Geist erfreun. (347)

Viel Bäume überschatten sie,

die Teiche, die von Wohlgeruch

umweht sind und von Lotus voll,

von rotem, weißem übersät. (348)

Gar lieblich strömen Duft sie aus,

sind herrlich, sanft vom Wind bewegt,

die Schwäne, Reiher hört man da,

und Enten wimmeln überall. (349)

Von Scharen vieler Vögel voll,

die singen mancherlei Gesang,

die Bäume geben Früchte reich,

viel Blumen in den Wäldern blühn. (350)

Nicht gibt es unter Menschenvolk

so reiche Stadt wie diese hier,

darin sehr zahlreich Schlösser sind,

aus Silber und aus Gold gebaut.

Es strahlen glänzend rings umher

die Himmelsgegenden, die vier. (351)

Hast Dienerinnen hundertfach,

die alle Wünsche dir erfülln,

Armreifen, Muscheln tragen sie

und golddurchwirkte Kleiderpracht. (352)

Auch Lagerstätten hast du viel,

die alle rein aus Gold bestehn,

mit schönem Ziegenfell belegt,

mit wollnen Decken ausstaffiert. (353)

Dort kannst du niederlassen dich,

und all dein Wünschen ist erfüllt,

doch wenn die Mitternacht sich naht,

dann stehst du auf und gehest fort. (354)

Im Park zur Lichtung schreitest du,

nah an den Lotosteich heran,

und stehst an seinem Ufer dann,

du Schöne, in dem grünen Gras. (355)

Ein Hund mit abgeschnittnen Ohr'n,

der frißt dich auf dann Glied für Glied,

und wenn du aufgefressen bist,

so daß nur dein Gerippe bleibt,

dann tauchst du unter in den Teich,

und flugs dein Körper ist wie einst. (356)

Mit allen Gliedern voll begabt,

gar schön und lieblich anzusehn,

in feine Kleider eingehüllt

kommst wieder du zu mir sodann. (357)

Was hast du Böses denn getan

in Werken, Worten und im Geist,

daß als die Ernte für dies Werk

der ohrenlose Hund dir frißt

die Glieder eins um andre ab? (358)

Petī:       Zu Kimbila als Hausner lebt

ein gläub'ger Buddhajünger einst,

und dessen Gattin war ich da,

ohn' Tugend, Ehebrecherin. (359)

Weil ich ausschweifend hab gelebt,

sprach einstmals mein Gemahl zu mir:

"Es paßt nicht, und es ziemt sich nicht,

daß du mich weiter hintergehst." (360)

Da tat ich schrecklich einen Schwur

und sprach die freche Lüge aus:

"Nicht hab ich hintergangen dich,

in Werken nicht, nicht im Gemüt. (361)

Wenn ich dich hintergangen hätt',

in Werken oder im Gemüt,

dann soll ein ohrenloser Hund

mir Glied um Glied wohl fressen ab." (362)

Als Ernte dieses Wirkens und

für's Lügen, für dies beides sind

nun siebenhundert Jahre um,

die mir der ohrenlose Hund

die Glieder eins ums andre frißt. (363)

Du Majestät, die viel vermag,

um meinetwillen kamst du her.

Vom Ohrenlosen bin ich frei,

ohn Kummer bin ich, ohne Furcht. (364)

Ich bitte, Majestät, dich nun,

ich fleh dich an, die Hand zum Gruß:

Genieße übermenschlich' Lust,

ergötze, König, dich mit mir. (365)

König:      Genossen hab ich volle Lust,

ergötzt hab ich genug mich hier.

Ich bitt dich einzig, Glückliche,

bring schnell mich nach Benares heim. (366)

Die Petī versuchte mit allen Mitteln, den König zum Blei­ben zu überreden, aber vergeblich. Voll Trauer und Trüb­sal brachte sie ihn dann nach Benares zurück, ließ ihm als Andenken Juwelen und kehrte weinend in ihre Einsam­keit zurück. Der König aber tat viele gute Werke und ge­langte in den Himmel.

Bemerkungen:

Der Anfang der Erzählung mutet ungemein modern an. Eine Gruppe von Rockern, die antiautoritär verzogen sind, weiß mit ihrem Leben nichts anzufangen und sieht keine sinnvolle Aufgabe für die eigenen Kräfte. So kommen die Jünglinge auf dumme Gedanken. Da Tugend für sie ein in­haltloser Begriff ist, und da sexuelle Lust ihnen als höchster Wert ge­schildert wurde, wollen sie die Frauen verführen ("anmachen"). Ange­sichts der Überlegenheit der Frauen an Zahl und der Nähe des Rasthau­ses wagen sie es nicht mit Gewalt und Vergewaltigung. Der Rädelsführer der Bande will angeben, und aus Großmannssucht prahlt er, daß er eine Frau gefügig machen werde. Mit einlullender und niederziehender Musik findet er bei einer der Frauen, wohl der schwächsten an Tugend Eingang. Von der üblen Sexualmusik umgarnt, gibt sie sich dem Rocker hin.

Der Unterschied zu heute ist nur, daß dergleichen damals eine große Aus­nahme war, ganz besonders zu Zeiten des Buddha Kassapo, als die Menschen noch ungleich höher in der Tugend standen. Was bei uns heute an der Ta­gesordnung ist, war damals ein ungewöhnlicher Sonderfall. Was aus den Rowdies geworden ist, wird nun nicht berichtet, es kann nichts Gutes sein.

Die Ehebrecherin aber hatte früher so viele gute Werke getan, daß sie trotz Ehebruch und Meineid eine Vemānika Petī wurde. Auch daß sie ein solch schlechtes Gewissen hatte, zeigt, wie sehr sie im Inneren der Un­tugend abgeneigt war. Trotzdem hat die Untat ihre Folgen, jede Nacht. So mischt sich das Karma, süß (Vimāna) und salzig (Hund).

Der König hatte offenbar so viele tugendhafte Früchte gesät, daß er 150 Jahre in dem übermenschlichen Vimāna paradiesische Himmelslust er­leben konnte, wie ein junger Gott. Es spricht auch für ihn, daß er nach dieser Zeit wieder ein Leben mit aktiver Tugend leben will, statt nur die Ernte aufzuzehren, und so handelt er ja dann auch. Daß er die Petī von dem Höllenhund befreien konnte, ist einmal sein gutes Karma und zweitens auch das ihre. Irdische Reue und 700 Jahre Hundequal, das war die Ernte ihres bösen Wirkens, die nun zu Ende war. Danach war sie eine glückliche Petī, der als einziger Unterschied zum Götterdasein nur die Gesellschaft von Männern fehlte.

Da die Menschen zur Zeit des Buddha Kassapo 20.000 Jahre alt wurden, fiel die Abwesenheit des Königs von 150 Jahren nicht so auf. Es lebten wohl noch alle seine Zeitgenossen, er war nur "verreist".

II,13: Ubbarī

Sprecher:   Einst Brahmadatta König war

als Herrscher über Pañcala.

Als Tage, Nächte gingen hin,

erfüllt der König seine Zeit. (367)

Als seine Leiche ward verbrannt,

da weinte Kön'gin Ubbarī,

nicht sehend Brahmadatta mehr,

rief klagend "Brahmadatta" sie. (368)

Ein Seher naht, ein Denker, der

im Wandel wohl bewähret war.

Er fragte die, die dort er traf,

die dort versammelt hatten sich: (369)

Seher:      Für wen ist der Verbrennungsplatz,

von Düften mannigfach umweht,

und wessen Gattin hier beweint

den, der da weiterwanderte,

nicht sehend Brahmadatta mehr,

ruf klagend "Brahmadatta" sie. (370)

Sprecher:   Dort antworteten jene ihm,

die dort versammelt hatten sich:

Der Brahmadatta ist's, o Herr,

heil dir und Brahmadatta auch, (371)

es ist dies sein Verbrennungsplatz,

von Düften mannigfach umweht,

und dessen Gattin hier beweint

den, der da weiterwanderte,

nicht sehend Brahmadatta mehr,

ruft klagend "Brahmadatta" sie. (372)

Seher:      Der Tausend sechsundreißig sind

an Brahmadattas hier verbrannt,

wer dieses Namens ist es dann,

dem du hier trauerst nach, sag an! (373)

Ubbarī:     Der König, Sohn der Cūlani,

der Herrscher über Pañcala,

dem meine Trauer gilt, o Herr,

dem Gatten, der mir alles war. (374)

Seher:      Sie alle waren Könige,

die hießen Brahmadatta einst,

sie alle Söhne Cūlanis,

des Herrschers über Pañcala. (375)

Den allen bist der Reihe nach

gewesen erste Königin.

Weshalb läßt du die früheren

und trauerst um den letzten nur? (376)

Ubbarī:     Wenn ich als Frau hab da gelebt

so lange Zeiten nun, o Herr,

ist's deshalb wohl, daß du gesagt,

ich kreiste oft im Wandelsein? (377)

Seher:      Du warst schon Frau, du warst ein Mann,

auch in den Tierschoß gingst du ein,

was da vergangne Zeiten sind,

da findet man kein Ende je. (378)

Ubbarī:     Wie Feuer brannte Kummer mir,

in das man flüss'ge Butter gibt;

gleichwie man Wasser gießt hinein,

hast alles Weh du mir gelöscht. (379)

Des Kummers Stachel zogst du raus,

der mir in meinem Herz gesteckt.

Den Kummer, der mich ganz erfüllt,

den Gattenkummer nahmst du mir. (380)

Der Kummerstachel, der ist fort,

bin kühl geworden, brandgelöscht,

ich trau're nicht, ich wein nicht mehr,

nachdem ich, Großer, dich gehört. (381)

Sprecher:   Nachdem sein Wort vernommen sie,

das wohlgesprochen der Asket,

ergriff sie Mantel, Schale und

ward hauslos eine Pilgerin. (382)

Nachdem sie fortgezogen war

vom Haus in die Hauslosigkeit,

entfaltet sie ein liebend Herz,

um einzugehn in Brahmawelt. (383)

Sie wanderte von Dorf zu Dorf

durch Städte und durch Königsland,

und Uruvela hieß das Dorf,

wo ihre Zeit erfüllte sich. (384)

Nachdem ein liebend Herz gepflegt,

erschien sie in der Brahmawelt,

das Frauensein war ihr entreizt,

so kam sie in die Brahmawelt. (385)

Bemerkungen:

Der Kommentar sagt, daß der Buddha einer Witwe, die um ihren Mann trau­erte, diese Geschichte vom König Cūlani-Brahmadatta erzählte und sie dadurch vom Kummer befreite.

Ein König Cūlani-Brahmadatta, Herr über die Pañcala, ist der Held des 546. Jātaka, und zwar ist Sāriputto damals der König gewesen. Dort wird aber über seinen Tod und seine Witwe nichts gesagt.

In Thig 51 - 53 trauert eine Frau namens Ubbiri (nicht Ubbarī wie hier) um ihr Kind und wird dann Nonne und Heilige.

In J 207 trauert umgekehrt wie hier ein König um seine Frau Ubbari. Die war aber eitel und in ihre Schönheit verliebt. So wurde sie als Mist­käfer wiedergeboren.

Verse 379 - 381 = 50 - 52 = 222 – 224

Vers 385: das Frauensein (itthi-citta, eig. Frauen-Herz) war ihr ent­reizt (vi-rāga), aber ebenso muß Männern das Männerdasein entreizt sein, wenn sie zu Brahma kommen wollen. Da Ubbarī hier die Lehre nicht kannte, kam sie über Brahma nicht hinaus.

Buch III

III,1: Der im Wasser nicht untersank

Westlich Benares, jenseits des Ganges, lebte im Dorfe Cundat­thilā ein Jäger. Er tötete Tiere im Walde, kochte sich das beste Fleisch über dem Feuer, aß davon und nahm den Rest in einem Korb zum Dorf mit. Am Dorfeingang liefen ihm die Kin­der nach und riefen: "Gib mir Fleisch, gib mir Fleisch!" So gab er denn ein kleines Stück. Eines Tages hatte er keine Jagdbeute gemacht und brachte nur Blumen aus dem Walde mit. Da gab er jedem ein Büschel ab.

Als er gestorben war, wurde er ein Peta. Hungrig und durstig wanderte er auf dem Ganges stromaufwärts ohne einzusinken, um sein Dorf und seine Verwandten aufzusuchen. Nicht einmal im Traum bekam er Essen und Trinken. König Bimbisāros Hauptmini­ster, Koliya, sah ihn so, als er im Boot stromabwärts fuhr. Da kam es zu dem unten geschilderten Gespräch. Dann fuhr Koli­ya weiter stromabwärts und kam nach Benares. Dort lud er den Erwachten zum Mahle ein und erzählte ihm von dem Vorfall. Darauf ließ der Erwachte durch magische Macht einige Petas der Menge sichtbar werden und bat sie, von Mitleid bewogen, den Menschen zu erzählen, warum sie in die Petawelt gekommen seien, damit die Zuhörer rechtzeitig Gutes wirken könnten.

Koliya:     Ohn' daß du ein im Wasser sinkst,

da wandelst auf dem Ganges du;

nackt bist du, doch wie kommt dir wohl

als Peta zu ein Blumenschmuck? (386)

Peta:       (Es sprach der Peta alsogleich:)

Nach Cundatthila will ich gehn,

in Richtung Vāsabhagāma,

das nahe bei Benares liegt. (387)

Sprecher:   Als der Minister, der bekannt

ist unterm Namen Koliya,

ihn hat gesehn, da gab er ihm

Reisgrütze und ein gelb Gewand. (388)

Dann hielt mit seinem Boot er an

und zahlte einen Bader aus.

Der nahm des Peta sich dann an,

wie man sogleich es sehen konnt. (389)

In feine Kleider dann gehüllt,

geschmückt mit seinem Blumenschmuck,

so stand der Peta danach da.

Die Gabe an ihm man erblickt.

Drum gebe immer wieder man

aus Mitleid an die Petas was. (390)

In Fetzenkleidern einige,

andre bedeckt mit ihrem Haar,

so Petas, die auf Essen aus,

man konnte sehen überall. (391)

Nach fernen Landen ein'ge ziehn,

bekommen nichts und kehren um,

vor Hunger schwach und schwindelig

zur Erde sinken nieder sie. (392)

Und ein'ge fallen davon um,

zur Erde sinken nieder sie.

Weil Treffliches sie nicht getan,

sind sie von Sonnenglut verzehrt. (393)

Petas:      Einst haben Böses wir getan,

als Mütter wir im Hause war'n.

Weil wir gegeben haben nichts,

da schufen wir kein Eiland uns. (394)

Gar viel an Essen und an Trank,

das schütteten wir lieber weg,

als daß wir gaben Pilgern was,

die da erreichten höchstes Ziel. (395)

Das Nichtstun, Faulsein liebten wir,

gefräßig, hatten Süßes gern.

Wir gaben Lumpen, Abfall nur

und schimpften die Bedürft'gen aus. (396)

Was Häuser, Dienerinnen und

was unser Schmuck gewesen ist,

das alles dienet andern nun,

und Leiden nur ist unser los. (397)

Sprecher:   Korbmacher sind nicht angesehn,

und Wagenbauer sind dubios,

und immer wieder kastenlos,

in Armut oder als Barbier. (398)

Bei solch Familien, niedrigen,

die elend, dürftig leben stets,

da werden sie geboren dann.

Das ist das Los der Geizigen. (399)

Die aber Treffliches gewirkt

als Geber, die da frei von Geiz,

die gehen in den Himmel ein,

im Wonnehain, da leuchten sie. (400)

Paläste, Schlösser haben sie,

der Wunscherfüllung freun sie sich,

hochwohlgeboren werden sie

und bleiben bis zum Tode reich. (401)

In Giebelhäusern, Schlössern mit

Wolldeckenbetten, Pfauenfächern,

in solch Familien, ruhmesreich

sind die geborn, die sich besiegt. (402)

Von einem Platz zum anderen

gehn sie mit Blumen reich geschmückt,

und Diener warten ihrer auf,

von früh bis spät auf Wohl bedacht. (403)

Nicht wer da kein Verdienst erwarb,

nur wer Verdienst erworben hat,

gelangt wohl in den Wonnehain,

wo Kummer nicht, nur Lust regiert. (404)

Wer kein Verdienst erworben hat,

hat hier kein Wohl und auch nicht dort.

Doch wer Verdienst erworben hat,

hat hier schon Wohl und drüben auch. (405)

Wer da Gesellschaft sich ersehnt,

muß vieles tun, was heilsam ist,

und hat er sich Verdienst erwirkt,

dann freut im Himmel Fülle ihn. (406)

Bemerkungen:

Dieser Text illustriert sehr deutlich, wie Karma sich mischt. Hätte der Mann nur getötet und nicht auch gegeben, dann wäre er ein elendes Ge­spenst geworden, ein Peta mit höllennaher Qual. Hätte er nur gegeben und sonst nichts Böses getan, so hätte ihn das Geben, gepflegt und oft geübt, in den untersten Himmel bringen können, vorausgesetzt, er hätte das, was er gab, nicht durch Untugend (Töten usw.) erworben.

Hätte der Mann weder getötet noch gegeben, sondern wie ein Durchschnitts­mensch dahingelebt und nur sein Verdienst aufgezehrt, dann wäre er ein normales Gespenst geworden: nackt und hungrig, aber ohne zusätzliche Qual.

Im vorliegenden Fall scheinen sich das Böse (Töten) und Gute (Geben) die Waage zu halten, so daß keins sich auswirkte und er so solche Ernte hät­te wie ein Durchschnitts-Peta. Nur die Gabe der Blumen, die ohne Untugend erworben waren, zeigte sich noch als ein Plus. Er war zwar nackt und hungrig, aber er trug einen Blumenschmuck, also wenigstens etwas Schönes.

Außerdem ist hier der im Pv seltene Fall, daß die Gabe eines Laien dem Peta direkt zugute kommt. Es bedurfte hier nicht, wie sonst meist, erst der Gabe an den Orden, um dem Peta etwas zu verschaffen. Auch das dürfte ein Plus aus seinem Geben sein. Ein gewisser Überschuß von Verdienst, der das Töten überwog, machte es ihm möglich, von der Gabe des Mini­sters direkt zu profitieren.

III,2: Auf dem Berge Sānuvāsin

Vor langen, langen Zeiten regierte in Benares König Kita­va. Nachdem sein Sohn einmal von einem Spaziergang im Schloßpark zurückkehrte, sah er einen Mönch vom Almosen­gang kommen. Der Prinz sah, wie die Menschen den kahlköp­figen Pfaffen verehrten und wurde eifersüchtig. Mit rohen Worten beschimpfte er ihn. Der Mönch aber ging still wei­ter. Es war ein Einzelerwachter namens Sunetta. Der Prinz aber fühlte plötzlich ein höllisches Brennen im ganzen Körper. Davon starb er und wurde in der Erzhölle wiederge­boren. Nach langer Höllenqual wurde er in der darauffol­genden Existenz ein Gespenst. Nachdem er seine Zeit als Peta abgelitten hatte, wurde er wieder Mensch, sogar zu Lebzeiten unseres Erwachten Gotamo. In dem Fischerstädt­chen Kundinagara wurde er bei Fischern geboren. Er erin­nerte sich aber seiner drei vorangegangenen Leben und hat­te daher eine Höllenangst vor der Untugend. Daher ging er nicht mit seinen Eltern und Verwandten auf Fischfang, und brachten sie Fische lebend heim, so setzte er sie mitlei­dig wieder ins Wasser. Darauf wurde seine Sippe erbost und jagte ihn aus dem Hause. Nur sein Bruder bedauerte dies etwas. Hauslos, wie er unfreiwillig geworden war, be­gegnete er eines Tages wieder einem Mönch, und zwar Anando. Dieser riet ihm, nun doch auch wirklich ein Hausloser zu werden. Das tat er und trat in den Orden ein. Nach gar nicht langer Zeit aber hatte er das Ziel der Askese, das höchste Heil erlangt. Auch einer der Heiligen, war er, Potthapada, geworden.

Die Eltern und sein Bruder aber waren inzwischen gestorben und als Petas wiedergeboren worden. Die Eltern schämten sich nun, daß sie ihren Sohn einst aus dem Haus gejagt hat­ten. Sie wandten sich an seinen Bruder, der ihn liebgehabt hatte, und sagten ihm, er möge um Hilfe bitten.

Sprecher:   In Kundinagara ein Mönch

am Berge Sānuvāsi lebt.

Potthapadā hieß der Asket,

die Sinne hat gemeistert er. (407)

Die Eltern und der Bruder sein

gingen hinab in Yamas Welt.

Weil böse Werke sie gewirkt,

gelangten sie zur Petawelt. (408)

Auf übler Fährte, nadeldürr,

erschöpft und nackt und abgezehrt,

in Schrecken stets, von Furcht gejagt,

sie schämten sich, mit Blut befleckt. (409)

Sein Bruder eilig naht sich ihm,

auch nackt, allein auf einsam Weg,

auf allen Vieren ging er so

und zeigt dem Ordensältren sich. (410)

Als dieser aber weiterging,

stillschweigend weiter ging fürbaß,

da machte er bemerkbar sich:

"Ein Peta bin ich, Bruder dein." (411)

Bruder:     Die Eltern sind, o Herr, gelangt

auf üble Fährte, Yamas Welt.

Weil böse Werke sie gewirkt,

gelangten sie zur Petawelt. (412)

Auf übler Fährte, nadeldürr,

erschöpft und nackt und abgezehrt,

in Schrecken stets und großer Furcht,

erschienen sie mit Blut befleckt. (413)

Nimm unsrer an dich, voll Erbarm,

gib etwas und weis es uns zu.

Von solcher Gabe, die du gabst,

erhalten sich die Blutigen. (414)

Sprecher:   Nachdem der Ältre und die zwölf

zurück von dem Almosengang,

da trafen an dem gleichen Ort

sie sich zur Mahlzeit alle dann. (415)

Der Ältre wandte sich an sie:

"Gebt alles mir, was ihr empfingt,

dem Orden stifte ich ein Mahl

aus Mitleid mit Verwandten mein." (416)

Sie übertrugen alles ihm,

der Ältre an den Orden gab's,

und Vater, Mutter, Bruder er

hat es gewidmet dann also:

"Dies sei für die Verwandten mein,

Verwandten soll es wohl ergehn." (417)

Unmittelbar nach diesem Akt

kam ihnen auch schon Nahrung zu,

gar saubre und erlesene,

gut angerichtet und gewürzt. (418)

Der Bruder, der jetzt schön und stark

und glücklich, dieser äußerte:

Bruder:     Gar reichlich Speise gibt's, o Herr,

doch sieh uns an, wir sind noch nackt.

Bewirke doch für uns, o Herr,

daß Kleidung auch erlangen wir. (419)

Sprecher:   Es hob der Ältere sodann

vom Kehrichthaufen Fetzen auf,

drapierte sie als Mantel dann

und widmete dem Orden dies. (420)

Verdienst daraus er widmete

den Eltern und dem Bruder gleich:

"Dies sei für die Verwandten mein,

Verwandte sollen glücklich sein." (421)

Unmittelbar nach diesem Akt

kam ihnen auch schon Kleidung zu.

Gekleidet schön der Bruder gleich,

er wandte sich dem Ältren zu: (422)

Bruder:     Soviel der König Nanda wohl

an Garderobe er besitzt,

noch mehr an Kleidern, Mänteln wir,

o Herr, besitzen also jetzt. (423)

Aus Seide und aus wollnem Stoff,

aus Leinen und aus Flachs sie sind,

gar reichlich sind und kostbar sie,

im Raume um uns hängen sie. (424)

Wir ziehen davon immer an,

was grade unserm Geiste lieb.

Bewirke doch für uns, o Herr,

daß wir besitzen auch ein Haus. (425)

Sprecher:   Aus Blättern baut der Ältre gleich

'ne Hütte, gab dem Orden sie

und widmete dann das Verdienst

den Eltern und dem Bruder auch:

"Dies sei für die Verwandten mein,

Verwandte sollen glücklich sein." (426)

Unmittelbar nach diesem Akt,

da standen auch schon Häuser da,

es waren Giebelhäuser schön,

geräumig, vielfach unterteilt. (427)

Bruder:     Es gibt wohl unter Menschen nichts

an Häusern, das da diesen gleicht,

ja, unter Göttern selbst es gibt

an Häusern nichts, das diesen gleicht. (428)

In heitrem Glanze leuchten sie

nach allen vier der Richtungen.

Bewirke doch für uns, o Herr,

daß auch Getränk bekommen wir. (429)

Sprecher:   Der Ältre einen Wassertopf

füllt voll, gab ihn dem Orden hin

und widmete dann das Verdienst

den Eltern und dem Bruder auch:

"Dies sei für die Verwandten mein,

Verwandte sollen glücklich sein." (430)

Unmittelbar nach diesem Akt

Trinkwasser war schon reichlich da,

vier große Lotosteiche voll,

gar tief und ausgemessen gut. (431)

Das Wasser klar, der Zugang leicht,

gar kühl und köstlich an Geruch,

von weißem, rotem Lotos voll,

mit Wasserlilien reich bedeckt. (432)

Sie badeten und tranken, dann

erschienen vor dem Ältren sie:

Petas:      Gar reichlich Wasser haben wir,

doch unsre Füße sind noch wund. (433)

Wenn wir da laufen, treten wir

auf Kieselstein und Schneidegras.

Bewirke doch für uns, o Herr,

daß einen Wagen kriegen wir. (434)

Sprecher:   Der Ältere nahm einen Schuh,

gab ihn dem Orden in der Welt

und widmete dann das Verdienst

den Eltern und dem Bruder auch:

"Dies sei für die Verwandten mein,

Verwandte sollen glücklich sein." (435)

Unmittelbar nach diesem Akt

die Petas kamen angefahrn:

Petas:      Aus Mitleid gabst du uns, o Herr,

zu essen und was anzuziehn, (436)

gabst uns ein Haus, zu trinken auch,

gabst uns ein Fahrzeug noch dazu.

Der voll Erbarmen du, o Herr,

bist in der Welt, dich preisen wir. (437)

Bemerkungen:

Im Kommentar zu J 220 wird von einem König Kitavasa von Benares berich­tet. Sein Sohn war Prinz Bösewicht, der Vizekönig. Als dieser eines Ta­ges nach dem Park ging, sah er einen Einzelerwachten. Die Menge verehr­te diesen mit gefalteten Händen und pries ihn als Asketen. Aus Eifer­sucht stieg er vom Elefanten, entriß dem Mönch seine Almosenschale, warf sie zu Boden und zertrat sie mit dem Fuß. Der Prinz aber brannte innerlich und wurde in der Hölle wiedergeboren.

Diese Kommentargeschichte ist wohl nach der Rahmenerzählung von Pv III,2 gestaltet worden.

Vers 407: Dieser Potthapādo ist nicht zu verwechseln mit dem Pilger Potthapādo in D 9.

Vers 432 a: PTS hat sīt'odika (kühles Wasser), aber sita kommt in b nochmal vor. Daher scheint die Lesart seta (weiß, hell) in Anm. 57 besser. So auch PED unter Hinweis auf Pv III,2 hier: "clear (trans­parent) water".

In Pv IV,7 wird die Rahmenerzählung in Versen erzählt, jedoch nur bis zum Peta-Dasein, auch ist dort nicht gesagt, daß der Seher Sunet­ta ein Einzelerwachter war.

III,3: Beim See Rathakāra

Zur Zeit des Buddha Kassapo, der unserem Buddha in diesem Äon voranging, lebte eine Frau, die viele gute Werke tat. Sie schenkte vor allem dem Orden des damaligen Buddha ein schönes Anwesen. Sie hatte andererseits aber auch etwas Ungutes getan. So gelangte sie nach dem Tode nicht in den Himmel, sondern wurde nur ein glückliches Gespenst (vemā­nika petī). Sie lebte bei einem der sieben Seen des Himā­laya, beim See Rathakāra ("Wagenmacher"). Wegen ihrer gu­ten Werke eignete ihr dort ein prächtiges Schloß, und sie war sehr schön. Als Folge früheren unguten Wirkens war sie aber stets allein und hatte niemand, der sie und ihre Pracht bewunderte. Sie sehnte sich besonders nach einem Mann. Sie warf daher einige Mangos von göttlichem Geschmack in den Ganges und hoffte, daß ein Mann sie kosten und auf der Suche nach deren Herkunft zu ihr gelangen würde. Die­se Hoffnung erfüllte sich auch. Ein Jüngling in Benares sah die Mangos auf dem Ganges und gelangte dadurch zu ihr in den Himālaya. Freudestrahlend empfing sie ihn in ihrem Schloß.

Er:         Du wohnst in einem Schloß, erbaut aus Edelsteinen,

es leuchtet, strahlt in mannigfacher Weise.

Da bleibst du, und du bist von großer Macht auch,

so wie der volle Mond in seinem Laufe. (438)

Wie gülden scheint die Haut dir ja zu glänzen,

gleich wie geschmolznes Gold bist du gar prächtig.

Du sitzt auf einem Ruhelager ohnegleichen,

doch bist allein du. Hast du keinen Gatten? (439)

Auf allen Seiten hast ringsum du Lotosteiche,

die übersät mit vielen Blumen, weißem Lotos,

am Grunde und am Ufer voller Goldsand,

und nicht gibt es Morast dort oder Sumpfgewächse. (440)

Viel Schwäne ich erblicke hier, den Geist erfreuend,

sie ziehen übers Wasser hin, gar majestätisch,

sie geben angenehme Töne von sich,

volltönig wie die Trommel klingt es da. (441)

Du strahlst und leuchtest ruhmreich, überrühmlich,

in einem Boot fährst auf dem Wasser du dahin

mit schönen Wimpern, lächelnd, lieblich redend,

und alle Glieder schimmern trefflich, prächtig dir. (442)

Dies Schloß ist frei von Fehl und steht auf ebenem Boden,

Lustgärten hat's, wo Lust, Genuß nur zunimmt.

Ich wünsche mir, o Frau, schön anzublicken,

im Wonnehain mit dir mich zu erfreun. (443)

Sie:        Ein Werk mußt wirken du, das hier empfindbar,

und richte stark dein Herz auf diesen Ort hier.

Nachdem gewirkt du Werke, die hier fühlbar,

kannst du erlangen mich, Erfüllung deiner Wünsche. (444)

Sprecher:   "Gut", sagte er, nachdem er sie vernommen.

Er wirkte Werke, die dort fühlbar wurden.

Nachdem er Werke wirkt, die dort empfindbar,

der Jüngling ward geboren dort, wo sie da lebte. (445)

Bemerkungen:

Das Motiv "Männer durch Mangos" findet sich auch in Pv II,12. Ferner wird in J 186 erzählt, wie Mangos von einem anderen der sieben Seen des Himā­laya von selber den Ganges herabfließen und von Menschen als Götterspei­se geschätzt werden.

Mit unseren Vorstellungen von Gespenstern und Schattenreich ist der vor­liegende Bericht unvereinbar. Hier zeigt sich, welche Bandbreite die Petawelt hat. Die günstigste Möglichkeit wird hier geschildert. Von einer Götterwelt unterscheidet sich diese Existenz nur durch die Einsamkeit. "Paradies in Einzelhaft" könnte man dies nennen. Nicht Mangel an Speis und Trank, an Kleidung und Wohnung, wie bei den durchschnittlichen Ge­spenstern, zeichnet diesen Bereich aus, sondern allein der Mangel an Ge­sellschaft. Insofern ist die Petī auch hier eine "arme Seele". Wenn die Zeit der strafweisen Einsamkeit abgelaufen ist, dann kann der Jüngling durch gute Werke bei ihr wiedergeboren werden. Für beide ist dann ihr Da­sein göttlich. Der Jüngling erlebt gar nicht erst Mangel, weil er keine mangelhaften Taten tat. Nach dem Kommentar starb der Jüngling, nachdem er lange dort glücklich mit ihr gelebt hatte, als seine guten Werke er­schöpft waren. Sie aber lebte viel länger, weil ihre guten Werke gegen­über einem Buddha viel mehr Gewicht hatten. Sie lebte dort nämlich die ganze Zeit bis zum Erscheinen unseres Buddha.

III,4: Die Spreu

In einem Dorf bei Sāvatthī lebte ein Händler, der seinen Lebensunterhalt durch Betrug verdiente. Mit falschem Maß und Gewicht verfälschte er den Reis, den er verkaufte, in­dem er das Gewicht durch Beimischung von Erde und Spreu erhöhte. Sein Sohn war darüber aufgebracht und dachte: "Er handelt nicht ehrlich gegenüber meinen Freunden und Gönnern, die in unser Haus kommen." Erbost über das Un­recht des Vaters gab er seiner Mutter eines Tages einen heftigen Schlag mit einem ledernen Joch auf den Kopf. Sei­ne Frau, also die Schwiegertochter des Händlers, stahl sich öfter Fleisch, das Gemeinbesitz des Dorfes war, und aß es selber. Zur Rede gestellt von den Dörflern, schwor sie einen Meineid: "Wenn ich jenes Fleisch gegessen haben sollte, dann will ich im nächsten Leben das Fleisch mei­nes eigenen Rückens verzehren." Die Frau des Händlers leug­nete gegenüber Bettlern, daß etwas zu essen im Hause sei usw. Wenn jene aber nicht nachließen, dann schwor sie eben­falls einen Meineid: "Wenn etwas von dem da sein sollte, von dem ich gesagt habe, es sei nicht da, dann will ich mich im nächsten Leben von Exkrementen nähren."

Nachdem diese vier Personen gestorben waren, fanden sie sich als Petas wiedervereint, und zwar in den Vindhya­Bergen. Der Vater nahm immer brennendes Stroh (Spreu) und streute es über seinen Kopf und erlitt so großen Schmerz. Der Sohn zersplitterte seinen Kopf mit eisernen Hämmern und erlebte dadurch unermeßlichen Schmerz. Die Schwieger­tochter kratzte sich mit langen, scharfen Nägeln Fleisch vom Rücken und verschlang es gierig. Die Frau des Händlers erlebte immer wieder, daß ihr ein köstliches Mahl von ge­sichtetem Reis gereicht wurde. Wenn sie aber zugriff, dann verwandelte es sich in faulen, stinkenden Kot, in dem viel­fältige Würmer wimmelten. Sie aber griff gierig mit beiden Händen danach und schluckte alles, wobei sie großen Schmerz empfand.

Auf einer Wanderung sah Mahāmoggallāno diese Petas:

Moggallāno: Die Spreu vom Reis der eine, andrer andres,

und diese Frau ihr eigen Fleisch verzehrt,

du aber stinkend widerlichen Dung.

Wofür ist dieses alles denn die Reife? (446)

Ehefrau:    Der da, der einst verletzte mich, die Mutter,

mein Mann, der war als Kaufmann ein Betrüger,

und die vom eigenen Fleische lebt, die Schwieger­tochter,

die war ein böses Lügenmaul gewesen. (447)

Ich aber, als ich einstmals Mensch gewesen,

war eine Hausfrau, Oberhaupt der Sippe.

Vor Reinen ich verbarg mein Gut,

damit ich nichts zu geben braucht. (448)

Mit Lügenworten täuschte ich:

"In diesem Hause gibt es nichts,

doch wenn ich was verborgen hätt,

dann möchte Dung ernähren mich." (449)

Als Reife dieser Wirkensart

und dieser Lügenworte auch,

verwandelte in Dung sich hier

mein Reis, der so wohlschmeckend war. (450)

Die Werke sind nicht wirkungslos,

die Taten werden nicht zu nichts.

Ich esse und ich trinke nun,

was übelriecht, mit Würmern, Kot. (451)

Bemerkungen:

Für diese "Viererbande" ist die Ernte ein genaues Spiegelbild der Saat. Diese "saubere" Familie mißbrauchte genau die vier Kräfte: Vertrauen, Tatkraft, Achtsamkeit, Ruhe. Die Mutter glaubte nur ans Geld, traute nur dem Sichtbaren und hatte kein Vertrauen in Saat und Ernte über den Tod hinaus und kein Vertrauen in Asketen, die zum Heil strebten. Der Sohn mißbrauchte seine Tatkraft, um seine Mutter gewaltsam zu behandeln. Der Vater mißbrauchte seine Achtsamkeit, um mit schlauen Tricks zu betrügen. Die Schwiegertochter verschaffte sich Ruhe durch falsche Angaben.

III,5: Der Knabe

Eine Schar von Laienanhängern des Erwachten gründete in Sāvatthī einen Dhamma-Klub. Man baute einen großen Pavillon in der Stadt und versorgte dort den Erwachten und die Mönche. Nur ein Mann protestierte dagegen, daß man die Kahlköpfe so ehre. Er äußerte: "Besser wäre es, all die­ses auf den Abfallhaufen zu werfen, als es jenen zu geben." Als die anderen diese Worte vernahmen, dachten sie, daß er mit diesen beleidigenden Worten sich schwer gegen den Buddha vergangen hätte. Sie berichteten es seiner Mutter und empfahlen ihr, sich beim Buddha und dem Orden zu ent­schuldigen. Sie machte ihrem Sohn Vorwürfe und veranlaßte ihn, widerwillig mit zum Buddha zu kommen. Beide entschul­digten sich dann. Danach versorgten sie eine Woche lang den Orden mit Reis und Grütze.

Der Sohn starb bald darauf und wurde gleich im Schoß einer Hure wieder inkarniert. Als er zur Welt kam und sie sah, daß es kein Mädchen, sondern ein Junge war, setzte sie ihn auf dem Leichenfeld aus. Wegen seiner Verdienste blieb er dort aber unbelästigt. Götter wachten über ihn.

Als der Erwachte am Morgen voll Erbarmen über die Welt blickte, sah er den Knaben auf dem Leichenfeld und ging dorthin. Viele Leute folgten ihm, denn sie meinten, er müs­se einen besonderen Grund haben, dorthin zu gehen. Als sie das Kind gesehen hatten, fragten sie ihn nach Saat und Ern­te. Er erzählte, daß der Protest den Täter in die elende Lage gebracht habe, seine Reue und seine reiche Spende aber hätten ihn beschützt. Da adoptierte ihn ein reicher Haus­vater. Nach dessen Tod erbte der Junge dessen riesigen Reichtum und verrichtete viele gute Werke. Nach seinem Tode kam er zu den Dreiunddreißig Göttern.

Sprecher:   Wie wunderbar ist des Willkommnen Kenntnis,

wie gut erklärt der Meister die Personen.

Verdienst kommt manchem zu in Menge,

und wieder andre haben davon kaum was. (452)

Der Knabe hier, auf Leichenfelde ausgesetzt,

verbracht die Nacht an seinem Daumen lutschend.

Nicht Yakkhas, plagend Kriechtier auch nicht,

dem Knaben, der Verdienst gewirket, konnten schaden. (453)

Die Füße leckten ihm hier wilde Hunde,

Schakale, Krähen ließen unberührt ihn.

Geburtsunreinheit nahmen Vogelscharen,

und Dohlen wischten sauber ihm die Augen. (454)

Es war da niemand, um ihm aufzuwarten,

auch keiner ihm Senfsamen und Arzneien gab,

nicht ward das Horoskop ihm hier gestellt,

nicht warf das Glückslos man hier über ihn. (455)

Ihn, der in solches Elend war gefallen,

in dunkler Nacht auf Leichenfelde ausgesetzt,

wie Klumpen frischer Butter schwankend,

gar zweifelhaft, ob er noch Leben barg, (456)

ihn sah der, den da Götter, Menschen ehren,

und mit gewaltger Weisheit sagte er voraus:

Der Knabe hier in dieser Stadt wird

in höchste Sippe kommen, Reichtum haben. (457)

Anhänger:   Wem gilt das Werk und wem der Brahmawandel,

warum hat gute Tat hier diese Reife,

nachdem solch Elend hatte ihn befallen,

und wie kommt künftig er zu solcher Macht? (458)

Sprecher:   Der Ordensschaar, Erwachter an der Spitze,

erwies die Menge einst die höchste Ehre.

Nur einer dacht im Herzen anders,

und harte, ungeziemend Worte äußert er. (459)

Doch solch Gedanken hat er bald vertrieben,

und später fand er Heiterkeit, Entzücken,

Erwachten, der im Siegerwalde weilte,

versorgte sieben Tage er mit Reis und Grütze. (460)

Das war das Werk, das war der Brahmawandel,

von dieser guten Tat ist dies die Reife,

nachdem erst solches Elend hatte ihn befallen,

und so kommt künftig er zu solcher Macht. (461)

Nachdem in unsrer Welt er hundert Jahre lebte,

mit allen Wunschgenüssen reich versehn,

da beim Zerfall des Leibs, im Jenseits

gelangte zur Gesellschaft Sakkos er. (462)

III,6: Serinī

Im Kurulande, der Gegend des heutigen Delhi, lebte in Hatthinipura eine Hure namens Serinī. Wenn Mönche des Buddha in die Stadt kamen und die Bewohner sie freudig und ehrfürchtig begrüßten, dann baten sie auch Serinī: "Komm, beteilige dich am Geben!" Sie aber weigerte sich: "Wozu soll ich diesen kahlköpfigen Asketen etwas geben? Warum soll ich etwas aufgeben für nichts und wieder nichts?"

Und so hielt sie, was sie besaß, bis zu ihrem Tode fest. Als sie starb, erschien sie als Petī. Sie lebte im mora­stigen Burggraben einer Grenzfestung im Norden. Ein Anhän­ger des Buddha, ein Kaufmann, erblickte sie nachts auf einer Geschäftsreise zu jener Grenzstadt bei deren Graben und sprach sie an:

Anhänger:   Nackt bist du, unschön anzusehn,

bist abgezehrt, die Adern frei,

o du, von der man Rippen sieht,

du Magre, sag, wer bist du wohl? (463)

Petī:       Bin eine Petī ja, Herr,

ging abwärts, kam in Yamas Reich.

Nachdem ich böses Werk gewirkt,

gelangt ich in die Petawelt. (464)

Anhänger:   Was hast du Böses denn getan

in Taten, Worten und im Geist,

daß du als Ernte für dies Werk

zur Petawelt hinab gelangt? (465)

Petī:       Am öffentlichen Badeplatz

ich heimste halbe Groschen ein.

Genug zum Geben hatt' ich zwar,

doch schafft damit kein Eiland mir. (466)

Jetzt geh ich durstig an den Fluß,

doch komm ich näher, ist er leer.

Am heißen Tag ich Schatten such,

doch komm ich näher, glüht er heiß. (467)

Es bläst ein Wind da über mich,

der feurig ist und brennend heiß.

Das habe ich, o Herr, verdient

und auch manch andres Böse noch. (468)

Nach Hatthinipura geh hin

und richte meiner Mutter aus:

"Die Tochter dein hab ich gesehn

auf schlechtem Gang, in Yamas Welt.

Weil übles Wirken sie gewirkt,

gelangt sie in die Petawelt. (469)

Vierhunderttausend ich besaß,

- und niemand gibt's, der davon weiß ­

versteckte alles dies gar fein

wohl unter meinem Ruhebett. (470)

Davon mög geben Gabe sie,

- ein langes Leben ich ihr wünsch ­

und wenn sie dann gegeben hat,

mög widmen sie mir das Verdienst.

Dann werd ich dadurch glücklich sein,

die Wünsche all sind mir erfüllt." (471)

Sprecher:   "Gut", sagt er, als er das gehört

und ging nach Hatthinipura.

Zu ihrer Mutter sprach er da:

Anhänger:   "Die Tochter dein hab ich gesehn,

auf schlechter Bahn in Yamas Welt,

nachdem sie böses Werk gewirkt,

gelangt sie in die Petawelt. (472)

Sie damals hat gebeten mich,

nach Hatthinipura zu gehn ­

und sage meiner Mutter dort:

'Die Tochter dein hab ich gesehn,

auf schlechter Bahn in Yamas Welt,

nachdem sie böses Werk gewirkt,

gelangt sie in die Petawelt. (473)

Vierhunderttausend ich besaß,

- und niemand gibt's, der davon weiß ­

versteckte alles dies gar fein

wohl unter meinem Ruhebett. (474)

Davon mög geben Gabe sie,

- ein langes Leben ich ihr wünsch ­

und wenn sie dann gegeben hat,

mög widmen sie mir das Verdienst.

Dann werd ich dadurch glücklich sein,

die Wünsche all sind mir erfüllt.'" (475)

Sprecher:   Sie gab die Gabe also dann

und widmete ihr das Verdienst.

Da ward die Petī glücklich gleich,

ihr Leib war lieblich anzuschaun. (476)

Bemerkungen:

Serinī hatte, wie Vers 466 (v.l.) kurz andeutet, ihr "Arbeitsfeld" an den öffentlichen Badeplätzen der Stadt. Dort verdiente sie ihr Geld, ihre "halben Groschen", wie sie es verächtlich als Petī ausdrückt, so wie wir sagen würden "ihre Kröten". Das Wort addha-māsaka (halbe Gro­schen) hat Gehmann (richtig aber Masefield) übersetzt mit "half a month". Zwar heißt addha-māsa halber Monat, aber māsaka heißt nur "Groschen" (die kleinste Münze damals). Sie verdiente so reichlich, daß sie 400.000 hinterließ. Und obwohl sie in Geld schwamm, wies sie milde Gaben an die Buddha-Mönche schroff ab und bezeichnete sie mit verächtlichen Worten.

Die Größe ihrer Möglichkeiten zum Geben und das Minus, das sie durch ihre geizige Haltung in die Welt setzte, bewirkten ihr Los im Jenseits. Das Nichtgeben an die Gabenwürdigsten, die Asketen des Sakyersohns, bei großem Reichtum und dann noch die Verachtung, diese drei Tatsachen führten zu ihrer elenden Existenz, während ein normales Nichtgeben nur zu mittelnormaler Petawelt führt, ohne die besonderen Leiden der Seri­nī, der sich alles verweigerte: das Wasser, der Schatten, der Wind.

Im Menschenleben hatte sie als Hure an den Badeplätzen herumgelungert und ihr schamloses Gewerbe betrieben. Als Petī war sie an den Morast des Burggrabens gebannt. Den tiefen Festungsgraben aber bezeichnet der Buddha als Gleichnis für Mangel an Scham (A VII/63).

Wie der Kommentar als selbstverständlich hinzufügt, spendete die Mutter von dem versteckten Hort dem Orden und holte nach, was Serinī im Leben versäumt hatte. Die Ernte stellte sich sofort ein (Vers 476).

III,7: Der Wildsteller I

In Rājagaham lebte ein Wildsteller. Von Beruf Jäger schoß und mordete er Tiere tags und nachts. Er hatte jedoch ei­nen guten Freund, der war ein überzeugter Anhänger des Bud­dha. Dieser ließ nicht ab, ihn von seinem bösen Wirken ab­zubringen, fand aber nur zum Teil Gehör. So wurde der Jäger als Vimāna-Peta wiedergeboren. Als solchen erblickte ihn der Ordensältere Narada:

Narada:     Gar jung bist du, von Fraun und Männern nachts umgeben,

du glänzt in der Erfüllung deiner Sinneswünsche.

Aus irgendeinem Grund am Tage mußt du leiden.

Was hast in früherer Geburt du denn getan? (477)

Peta:       Im schönen Rājagaham einst,

am Geierkulm, der lieblich ist,

da habe Tiere ich gejagt,

mit Blut befleckt war grausam ich. (478)

Ich wandelt unter Wesen, die ganz harmlos,

doch ich, verderbten Geist's, war äußerst grausam.

Stets war erfreut ich, anderen zu schaden,

Zurückhaltung, die kannt ich überhaupt nicht. (479)

Doch hatt' ich einen lieben Freund,

ein gläub'ger Anhänger er war.

Er nahm sich meiner freundlich an

und bremste immer wieder mich: (480)

Anhänger:   "Tu fürder keine böse Tat,

sonst gehst auf üble Fährte du.

Wenn später du dir wünschest Wohl,

dann töte nicht, dann zügle dich." (481)

Peta:       Obwohl ich diese Worte hört,

wohlwollend auf mein Heil bedacht,

nicht folgte gänzlich ich dem Rat,

erfreut am Üblen, lange, stur. (482)

Doch jener Mann, der wirklich weise, immer wieder

nahm an sich meiner, riet mir, mich zu zügeln:

"Wenn du's nicht lassen kannst, am Tag zu töten,

dann zügle wenigstens dich in der Nacht." (483)

So tötete ich Tiere nur am Tage,

und nachts enthielt ich mich, gezügelt.

Nun kann ich nachts lustwandeln nach Belieben,

doch tags, da werd vom Elend ich gefressen. (484)

Für's Wirken, das da heilsam ist gewesen,

da leb ich außermenschlich nächtens,

doch tags, da wollen wilde Hunde mich verschlingen,

von allen Seiten stürmen sie auf mich da ein. (485)

Die, welche ständig sind verbunden

der Weisung des Willkommnen und ihr folgen,

die, meine ich, erreichen das Todlose,

die Stätte jenseits des Gestaltens. (486)

Bemerkungen:

s. III,8

III,8: Der Wildsteller II

In Rājagaham lebte ein junger Mann aus reichem Hause. Er hat­te übergenug für seinen Lebensunterhalt, aber es genügte ihm nicht, seinen Reichtum zu genießen. Er frönte vielmehr der Jagdleidenschaft. Vom Jagdfieber gepackt, ging er tags und nachts auf die Jagd. Auch dieser Jägersmann hatte einen guten Freund, der ein Anhänger des Buddha war. Bei ihm lernte er einen Mönch kennen, auf dessen wiederholte Vorhaltungen er schließlich nachts das Jagen aufgab, nachdem der Mönch ihm ge­sagt hatte: "Wenn du nicht in der Lage bist, das Jagen ganz aufzugeben, dann enthalte dich doch wenigstens nachts." Auch er wurde als Vimāna-Peta wiedergeboren, und auch ihn erblickte der Ordensältere.

Narada:     Im Giebelhaus, dort im Palast,

auf Ruhebett mit Wollbezug

und bei Musik im Fünferspiel

erfreuet dich, was du da hörtst. (487)

Doch wenn die Nacht am Schwinden ist,

wenn morgens geht die Sonne auf,

geworfen auf das Leichenfeld

mußt vieles Leid erfahren du. (488)

Was hast du Böses denn getan

in Taten, Worten und im Geist,

daß du als Ernte für dies Werk

so vieles Leid erfahren mußt? (489)

Peta:       Im schönen Rājagaham einst,

am Geierkulm, der lieblich ist,

da habe Tiere ich gejagt,

ein Jäger war ich, unbezähmt. (490)

Doch hatt ich einen lieben Freund,

ein gläub'ger Anhänger er war:

In der Familie oft ein Mönch,

ein Jünger Gotamos, war Gast.

Er nahm sich meiner liebreich an,

und immer wieder mahnte er: (491)

(492 - 497 identisch mit 481 - 486)

Bemerkungen:

Die beiden Texte vom Wildsteller werfen die Frage auf, wieso das bloße Abstehen vom Morden bei Nacht schon zu einem Vimāna-Peta führt. Daß die beiden tags von Höllenhunden gejagt und vielleicht gefressen werden, ist als Vergeltung für das blutrünstige Jagen von Tieren einsehbar. Aber daß die nächtliche Enthaltung gleich zu einem glücklichen götterähnli­chen Vimāna bei Nacht führt, ist es weniger. Es verbirgt sich wohl hin­ter dem bloßen Zurückhalten, Sichzügeln (saññato, von sam-yama = sich zügeln, sich zusammennehmen) noch mehr. Irgendwie haben beide wohl in der Nachtzeit etwas Positives gewirkt. Darüber schweigt der Kommentar jedoch. Nicht unmöglich ist es, daß beide nachts meditiert haben, sich um Milde bemüht haben, daß sie aber tags von der alten Leidenschaft doch getrieben wurden, die sie aber nicht mehr hundertprozentig guthei­ßen konnten, wie es früher der Fall gewesen war. Der Schwung der alten Gewohnheit riß sie immer wieder hin, aber die Gegengedanken nahmen auch zu. So etwa könnte man sich Saat und Ernte vorstellen.

III,9: Der betrügerisch Entscheidende

König Seniyo Bimbisāro von Magadha, ein Stromeingetretener, sah im buddhistischen Feiertag (Uposatha) solchen Segen, daß er außer den vier normalen Feiertagen des Monats (Voll-, Neu-, Halbmond) noch zusätzlich zwei weitere einhielt, also sechs. Viele seiner Untertanen folgten seinem Vorbild. Da er allen den Segen des Feiertags gönnte, pflegte er diejenigen, die zu ihm kamen, manchmal teilnahmsvoll zu fragen, ob sie wohl den Feiertag einhielten.

Diese Frage wurde eines Tages auch einem Richter gestellt. Der war unehrlich, korrupt, bestechlich, betrügerisch. Er nahm Geschenke an und entschied dann zugunsten des Schenken­den. Auf die Frage des Königs schämte er sich nun aber ein­zugestehen, daß er nichts vom Feiertag hielt und ihn daher nicht einhielt. So belog er den König und sagte: "Ich halte ihn ein." Auf dem Rückweg vom Königspalast fragte ihn ein Be­kannter, wie er denn den heutigen Feiertag begangen habe. Da gestand der Richter, daß er in Gegenwart des Königs Furcht gehabt habe, die Wahrheit zu gestehen, daß er nie den Feier­tag einhielte. Der andere meinte: "Und wenn du heute auch nur noch den halben Feiertag einhältst, dann ist das besser als nichts."

Der Beamte stimmte zu, ging nach Hause, wusch sein Angesicht, verzichtete auf das Abendessen und sonstige weltlichen Dinge, sondern widmete sich feiertäglichen Betrachtungen. Als er kurz vor Mitternacht zu Bett gehen wollte, war seine karmische Lebenszeit abgelaufen. In seinem leeren Magen erhoben sich stechende Blähungen und in den Gedärmen heftige Koliken. Dar­an starb er dann.

Er erschien wieder als ein Vemānika-Peta in einer Berges­höhle hausend. Obwohl er nur einen halben Feiertag eingehal­ten hatte, erlebte er göttliches Glück. Wegen seiner Bestech­lichkeit und seiner Lüge vor dem König riß er sich zu ande­rer Zeit sein eigenes Fleisch vom Rücken und verzehrte es. Als der ehrwürdige Narada vom Geierkulm kam, sah er das Ge­spenst:

Narada:     Du trägst ja Blumen, Krone, Schmuck,

und deine Glieder strömen Sandelduft,

gar heiter ist dein Angesicht,

und wie die Sonne strahlest du. (498)

Das übermenschliche Gefolg,

so scheint's, ist deine Dienerschar.

Zehntausend Mädchen da umgeben dich,

Armbänder ziern aus Muscheln sie

und goldne Bänder in den Haarn. (499)

Von großer Macht scheinst du zu sein,

Haarsträubendes ich aber seh:

Vom eignen Rücken reißt dein Fleisch

du ab, und das verzehrst du dann. (500)

Was hast du Böses denn getan

in Taten, Worten und im Geist,

daß du als Ernte für dies Werk

vom eignen Rücken reißt dein Fleisch

und daß du es verzehrst sodann? (501)

Peta:       Zu eignem Schaden handelt ich,

als ich noch in der Welt gelebt,

ich hintertrug, und ich belog

mit Täuschung und mit Krummheiten. (502)

Als ich in die Versammlung ging

und ich die Wahrheit sagen sollt,

verachtete das Rechte ich

und wandte mich dem Unrecht zu. (503)

So frißt der Mensch sich selber auf,

der hinterrücks was hinterträgt,

so wie ich heute essen muß

vom eignen Rücken hier mein Fleisch. (504)

Du, Narada, hast dieses also jetzt gesehen.

Die anderer sich nehmen an, die sollten sagen:

"Nicht hintertragen und nicht lügen mögest du,

damit dein eigen Fleisch du mußt nicht fressen." (505)

Bemerkungen:

Diese Erzählung ist im Grunde dieselbe wie im Jātaka 511. Dort ist der Hauspriester des Königs der bestechliche Richter. Zur Rede gestellt, sagt er dort:

"Ich habe schon frühe gegessen; ich will aber nach Hause gehen, meinen Mund ausspülen, das Uposatha betätigen und am Abend nichts mehr verzehren. Auch bei Nacht will ich die Tugend bewahren; so werde ich zur Hälfte das Uposa­tha gehalten haben." (Dutoit, Jataka Bd. V, S. 2)

Nur über den Tod des Täters wird in J 511 nichts berichtet. Er wurde im Himālaya ein Vemānika-Peta, der nachts göttliches Glück genaß, aber am Tage mußte er mit langen Fingernägeln sein Rückenfleisch abreißen und es verzehren, wobei er vor Schmerzen brüllte.

"Wenn aber die Sonne unterging, so verschwand dieser sein Körper, und ein göttlicher Körper ward ihm wieder zuteil. Reich geschmück­te göttliche Tänzerinnen umringten ihn mit mannigfachen Instrumen­ten in der Hand; indem er so göttliches Glück genaß, stieg er in einen göttlichen Palast in dem entzückenden Mangowalde hinauf." (S. 3 f.)

Der Pāliausdruck für "hinterrücks reden" (pitthi-mamsiko) heißt "Rücken­fleischer", d.h. sich ins eigene Fleisch schneiden (ebenso Sn 244 und J 220). Die Überschrift "Der betrügerisch Entscheidende" (kuta-viniccha­yiko) kommt auch in J 511 vor.

Nicht so leicht verständlich ist, wieso das einmalige Einhalten eines hal­ben Feiertages so viel Glück bringt und die Hälfte des sonstigen gewohn­heitsmäßigen üblen Wandels als korrupter Richter aufzuzehren vermag. Es könnte sein, daß die gute Haltung in der Sterbestunde hier den Ausschlag gibt und, zusammen mit anderen guten Wirkensarten von früher, für einige Zeit zu halber Göttlichkeit führt, während das überwiegende Böse sich erst später voll auswirkt.

Ebenso fragwürdig ist, daß hier soviel von Hintertragen die Rede ist, wäh­rend der Richter vor dem König doch nichts hintertrug, sondern nur einfach log. Aber die Verbindung von Lügen und Hintertragen läßt sich aus der Exi­stenz her leicht einsehen. Nehmen wir einmal einen Beispielsfall aus der Gegenwart:

Ein Baumeister hat einem Reichen ein schönes Haus gebaut. Der Reiche aber zahlt ihm keinen Lohn, sondern behauptet wahrheitswidrig, er hätte schon gezahlt. Der Baumeister verklagt ihn bei Gericht. Der Reiche geht im Dun­keln durch die Hintertür zum Richter, gibt ihm Geld und erzählt ihm einiges Ungünstige von dem Baumeister. Der Richter läßt sich bestechen und sagt bei der Gerichtsverhandlung das Ungünstige: "Sie verkehren häufig in Homosexuel­len-Lokalen." Oder: "Sie haben Ihre Alimente nicht gezahlt." Oder: "Sie wa­ren Informant der Stasi." Oder: "Sie haben im Fragebogen der Militärregie­rung 1946 unterschlagen, daß sie im Krieg bei der Partisanenbekämpfung ein­gesetzt waren." usw. - alles tatsächliche Fälle. Dadurch wird der Kläger öffentlich ins Unrecht gesetzt, obwohl diese Dinge gar nicht das geringste mit dem zu entscheidenden Fall zu tun haben. Sie sollen nur den Kläger schlecht machen und suggerieren: Wer so etwas tut, der lügt auch vor Ge­richt. Und so wird die Klage abgewiesen. Der Richter hat hier hinterhältig Wahrheiten aufgetischt und dann ein lügnerisches Urteil wahrheitswidrig ge­sprochen.

Die Ernte im Jenseits für Hintertragen ist verständlich: Er frißt sich sel­ber auf. Er schadet sich selber. Er widerspricht sich selber. Er quält den Körper, dessen Qual er stillen will. Diese Mischung aus Hintertragen und Lügen nennen wir Verleumden.

Die Todesursache wird von Gehmann übersetzt: "His span of life was cut short by a stake blown down from his poor abode through a high wind." (S. 220) Richtig aber die neue Übersetzung von 1980: "Sharp, acute pains that were caused by the strong wind arising tram his empty condition cut short his span of life." (S. 219) Gemeint ist hier der innere Wind und die Leerheit der Eingeweide, nicht ein äußerer Wind und ein ärmliches Haus.

III,10: Der Reliquienverächter

Nach dem Tode des Buddha wurden die Asche und Knochenreste an die Abgesandten verschiedener Stämme verteilt, und diese errichteten dafür auf ihrem Gebiet insgesamt zehn "Schreine" (Stupa: Kuppelmal). Auch König Ajatasattu von Magadha errich­tete ein solches Kuppelmal, und zwar auf der Felsenburg bei seiner Hauptstadt Rājagaham. Diesem Kuppelmal erwies er sie­ben Jahre, sieben Monate und sieben Tage Verehrung, d.h. so­lange er noch lebte. Er wurde, so wie er seinen Vater ermor­det hatte, von seinem Sohn ermordet.

Die meisten seiner Untertanen eiferten ihm nach und erwiesen dem Kuppelmal des Buddha ebenfalls ihre Verehrung, doch gab es auch einige tausend Ungläubiger, die vom Buddha nichts wis­sen wollten und über den Reliquienkult lachten. Unter ihnen war auch ein steinreicher Hausvater in Rājagaham. Eines Tages sah er, wie seine Frau, seine Tochter und Schwiegertochter, die alle Anhänger des Buddha waren, gläubigen Herzens mit Blu­men, Duftstoffen und anderen Gaben zum Schrein ziehen wollten. Er aber äußerte verächtlich: "Was soll's, diese Knochen zu verehren?", und er wollte sie davon abhalten. Sie aber ließen sich nicht hindern und gingen zum Kuppelmal, diesmal und wei­terhin. Diese drei Frauen erkrankten bald und wurden dann in der Götterwelt wiedergeboren, der Hausvater aber später als ein höllennahes Gespenst. Eines Tages ließe der ehrwürdige Mahākassapo, der den Buddha überlebte, aus Mitleid dieses Ge­spenst bei dem Kuppelmal und die drei Göttinnen sichtbar wer­den und redete den Peta an:

Mahākassapo:Ich seh im Luftraum stehen dich,

dein Atem übelriechend stinkt.

Aus deinem Munde, dem da fauler Duft entströmt,

da kriecht Gewürm. Was hast gewirkt du früher? (506)

Warum erheben Schwerter sich

und sausen auf dich da herab?

Warum folgt ätzend Lauge nach

und träufelt auf dich stets herab? (507)

Was hast du Böses denn getan

in Taten, Worten und im Geist,

daß du als Ernte für dies Werk

hast solches Leiden jetzt erlangt? (508)

Peta:       Im schönen Rājagaham einst,

am Geierkulm, der lieblich ist,

da hatte großen Reichtum ich

und herrschte über Geld und Gut. (509)

Mein Eheweib, die Tochter mein

und meine Schwiegertochter auch,

die nahmen Lotosblüten und

auch neues Öl sie packten ein.

So wollten sie zum Schreine gehn,

doch ich verbot es ihnen da.

Dies böse Werk hab ich gewirkt. (510)

Gar viele Tausend sind wir hier,

und jeder leidet Wehgefühl.

Weil Schrein-Verehrung tadelt' ich,

werd in der Hölle ich gequält. (511)

Wer, wenn von großen Heiligen

ein Schrein von ihnen wird verehrt,

abhalten jemand will davon,

der erntet dafür Elend nur. (512)

Sieh aber diese Frauen da,

mit Blumen sind sie schön geschmückt,

sie ernten ihrer Blumen Frucht,

Erfüllung ernten sie und Ruhm. (513)

Wer weise ist, der wird verehrn,

was da erstaunlich, wunderbar,

und was die Haare sträuben läßt,

und loben, großer Denker, dich. (514)

Wenn diesen Zustand ich verlaß

und wieder geh in Menschenschoß,

dann werd verehren ich den Schrein,

gar unermüdlich, immerzu. (515)

Bemerkungen:

Diese Erzählung wird auf Widerspruch stoßen. Hat nicht der Buddha immer wieder betont, daß Ritualismus nutzlos ist und daß es allein auf die innere Läuterung ankommt? Und ist nicht der Reliquienkult des Christen­tums ein abschreckendes Beispiel für primitiven Aberglauben und eine blühende Devotionalien-Industrie? Nägel vom Kreuz Christi gibt es ton­nenweise, und die Stücke vom Kreuz Christi machen einen Wald aus. Daher ist das vorliegende Stück als spätere Zutat aus der Zeit des Verfalls­buddhismus zu werten, so wird mancher denken.

Darauf wäre zu erwidern: Es gibt eine Geisteshaltung, die den Ritualis­mus verachtet, aber selber noch unterhalb von dessen Niveau steht. Und es gibt eine Haltung zum Ritualismus, die ihn nur als Anlaß für innere Erhebung und Zuwendung zu Höherem benutzt.

Die Frauen, die hier die Reliquien des Buddha verehrten, taten es, wie es heißt, mit heiterem Herzen. Und der Buddha selber sagt von den Kup­pelmalen: Wenn die Gläubigen dort Blumen niederlegen und das Herz hei­ter zuwenden, gelangen sie nach dem Tode in himmlische Welt (D 16 V).

Und genau das wird hier von den drei Frauen geschildert.

Der Reiche aber stand noch unterhalb des Niveaus des ersten Grades religiöser Zuwendung, er war ein Vollblut-Materialist, der nur sein Geld und dieses eine Leben kannte. Aus dieser seichten und egoisti­schen Haltung, die alles Religiöse ablehnte, lebte und webte er. Der Versuch, die Frauen an dem Gang zum Kuppelmal zu hindern, war nur ein Ausfluß dieser Haltung. Und deswegen ging es ihm im Jenseits schlecht. Er wurde ein höllennahes Gespenst. "Hölle" steht im Text, das Wort Peta kommt gar nicht vor, aber in der Rahmenerzählung.

Im Buddhismus ist der uferlose Reliquienkult schon dadurch einge­schränkt, daß nur zehn Kuppelmale mit Resten des Körpers des Buddha errichtet wurden. Trotzdem hat es auch im Buddhismus eine Ausweitung gegeben, die zu oberflächlichem Ritualismus ohne tieferen Gehalt führte. Davor ist keine Religion geschützt.

Buch IV

IV,1: Ambasakkhara

In der Adelsrepublik der Licchavier zu Vesāli lebte, als einer von ihnen und als der Mächtigste, der Fürst Ambasak­khara. Er glaubte nicht an Saat und Ernte, war ein Nihi­list. Er verhängte daher drakonische Strafen gegen Rechts­brecher, weil er nicht ans Karma glaubte.

In der Stadt lebte gleichzeitig ein frommer Kaufmann, der gute Werke tat, wie eine Brücke bauen. Er war von Natur her tugendhaft, ohne Ärger, sprach freundlich und lobte die Tu­genden anderer. Nur einmal versteckte er beim Baden einem Begleiter zum Scherz dessen Kleidung und gab sie ihm erst wieder, als der andere sich gesorgt hatte.

Sein Neffe war tugendlos. Er war ein Einbrecher und brach­te das gestohlene Gut im Laden seines Onkels ohne dessen Wissen unter. Die Eigentümer brachten das heraus und zeig­ten die beiden bei Ambasakkhara an. Das Diebesgut wurde im Laden entdeckt, und der Fürst verurteilte beide, ohne auf die Unschuldsbeteuerungen des Onkels zu achten, zum Tode. So wurde diesem sofort der Kopf abgeschlagen. Der Neffe aber wurde zum schmerzhaften, langsamen Tod am Marterpfahl verurteilt.

Als der Onkel gestorben war, wurde er ein Erdgottheits-Peta und besaß ein edles weißes Pferd, das gedankenschnell lief, als Ernte für seinen Brückenbau. Und himmlische Wohlgerüche entströmten seinem Körper, als Ernte dafür, daß er die Tugen­den anderer gepriesen hatte. Wegen der versteckten Kleider aber war er nackt. Als ihm beim Rückblick auf sein letztes Leben so das Gesetz von Saat und Ernte konkret sichtbar ge­worden war, da sah er seinen Neffen am Pfahl. Sein Herz war von Mitleid bewegt, und jede Mitternacht kam er auf seinem Roß mit Windeseile zu der Richtstätte und sagte jedesmal: "Bleibe leben, mein Freund, denn leben bleiben ist besser."

Ambasakkhara ritt zu jener Zeit einmal auf seinem Staatsele­fanten um die Stadt. Da sah er, wie eine Frau in einem Haus das Fenster öffnete und auf seine fürstliche Pracht blickte. Augenblicklich verliebte er sich in sie. Als er zu seinem Palast zurückgekommen war, befahl er einem Diener herauszu­finden, ob jene Frau verheiratet sei oder nicht. Als der Diener dem Fürsten mitteilte, daß sie einen Ehemann habe, begann der Fürst, Überlegungen anzustellen, wie er den Ehe­mann beseitigen und sie gewinnen könne. Er lud den Ehemann vor und bot ihm an, er möge in seine fürstlichen Dienste treten. Aus Furcht stimmte der Mann zögernd zu. So begab er sich täglich in den Palast. Der Fürst ließ ihm Nahrung und Lohn zuteilen. Nach einigen Tagen aber, als der Mann in der Frühe zu ihm kam, sagte er zu ihm: "Geh zu einem bestimmten Lotosteich außerhalb Vesalis und bringe von dort etwas roten Ton und rote Wasserlilien. Wenn du aber nicht am selben Tag zurückkommst, ist dein Leben verwirkt." Nachdem der Mann los­gegangen war, instruierte der Fürst den Torwart, er möge die Stadttore etwas vor Sonnenuntergang, nicht bei Sonnenunter­gang, schließen. Der bestimmte Teich aber war über drei Mei­len von Vesali entfernt. Von Angst beflügelt aber erreichte der Mann das Gewässer noch vor Mittag. Da er gehört hatte, daß außermenschliche Wesen an jenem Teich hausten, umschritt er ihn ängstlich, ob Gefahr drohe. Der Schutzgeist des Tei­ches, der Außermenschliche, hatte Mitleid mit ihm, nahm eine sichtbare, menschliche Form an und fragte, zu welchem Zweck er gekommen sei. Nachdem der Mann seine Geschichte erzählt hatte, ermunterte er ihn, zu nehmen, was er wolle. Dann verschwand er. Der Mann nahm Ton und Lilien und mach­te sich auf den Rückweg. Gerade vor Sonnenuntergang kam er ans Stadttor, der Torwart aber schloß gerade das Tor. Da sah er vor dem Tor den Mann am Pfahl - dort war die Richt­stätte -und rief ihn als Zeugen an, daß er noch vor Son­nenuntergang angelangt sei. Der Delinquent aber erwiderte: "Ich erwarte den Tod, wie kann ich dein Zeuge sein? Es ist da aber ein Verstorbener von großer magischer Macht, der sich mir nähert, ihn rufe als Zeugen an." Der Mann woll­te aber wissen, wie er denn einen Toten sehen könne. Der Delinquent sagte, er werde ihn sehen, wenn er um Mitter­nacht komme. So geschah es, und er rief ihn als Zeugen an. Bei Tagesanbruch sagte der Fürst zu dem Manne, daß er die Todesstrafe verdient habe, weil er nicht rechtzeitig wieder zurückgekommen sei. Der Mann aber verteidigte sich, er sei vor Sonnenuntergang zurück gewesen. Ob er einen Zeugen habe, wollte der Fürst wissen. Der Mann erwiderte, das sei ein nackter Peta, der zu jenem Delinquenten käme. Der Fürst meinte, das könne jeder sagen, wie könne er das beweisen? Der Mann antwortete: "Laß einen vertrauenswürdigen Mann um Mitternacht hier anwesend sein." Da wurde der Fürst neu­gierig und kam selber um Mitternacht. Als der Peta auf sei­nem Roß erschien und wie üblich seinen Spruch sagte: "Bleib leben, mein Freund, denn leben ist besser", da begann der Fürst mit dem Peta ein Gespräch, beginnend mit einer Schil­derung des Zustands des Delinquenten:

Sprecher:   Im Vajjilande eine Stadt, die hieß Vesāli,

wo der Licchavier Ambasakkhara gelebt.

Der eines Tages vor der Stadt sah einen Peta

und fragte sich, was dessen Lage wohl bedeute. (516)

Fürst (zu dem Delinquenten):

Der Mann hat weder Sitz noch Lagerstätte,

er geht nicht vorwärts, und er geht nicht rückwärts,

zu essen, trinken und sich kleiden hat er nichts,

und Dienerinnen erblick ich bei ihm auch nicht. (517)

Genossen, Freunde, einst erblickt, vernommen,

die liebreich seiner an sich nahmen früher,

die kann er nunmehr nimmer mehr erblicken,

und auch sie können ihn ja nicht mehr treffen. (518)

Wer abgesunken, der hat keine Freunde,

im Unglück, da verlassen sie den Menschen.

Solang sie Vorteil sehn, da sind sie um uns,

wer oben ist, der hat gar viele Freunde. (519)

Sein Gut verlor'n, sein Reichtum führt zu Elend,

beschmiert mit Blut, die Glieder da gebrochen.

So wie ein Tropfen Tau vergeht geschwinde,

neigt seine Lebenskraft sich jetzt zum Ende. (520)

Dies schlimmste Elend muß er nun erdulden,

wenn zitternd er am Marterpfahle steckt.

zum Peta:   Was sagst du, Yakkha, denn zum Lob des Lebens?

Ist es nicht besser doch, wenn man hat Leben? (521)

Peta:       Ein Blutsverwandter jener war von mir,

sein früh'res Leben, das kenn ich genau.

Nachdem ich ihn gesehn, ich fühl Erbarmen,

daß er für böses Sein nicht in die Hölle stürzt. (522)

Denn wenn, Licchavier, er von hinnen scheidet,

wird für sein schlechtes Werk erscheinen er

in Schwerterschneiden-Hölle fürchterlich,

wo er geglüht, wo's bitter ist und schrecklich gar. (523)

Selbst jener Pfahl mit seinen Einzelheiten

ist besser immer noch als solche Hölle.

Mög er doch nicht in jene Schreckenshölle fallen,

die einzig leidvoll, stechend, brennend. (524)

Würd dieser Mann, was ich jetzt sage, hören,

von Leiden überwältigt würd sein Leben enden.

Daher sag ich es nicht in seiner Nähe,

damit da nicht durch mich sein Leben endet. (525)

Fürst:      Erfahren hab ich dieses Mannes Sache.

Jetzt möcht ich dich noch etwas andres fragen.

Doch nur, wenn du's gestattest, will ich fragen,

damit du mir darob nicht mögest zürnen. (526)

Peta:       Dafür geb ich dir gerne mein Versprechen.

Wer nicht bereit, dem dränge ich mich auf nicht.

Da du selbst ohne Wunsch würd'st meinem Worte glauben,

so frag nur, ich werd, wie ich kann, antworten. (527)

Fürst:      Was ich mit eignen Augen sehen werde,

das alles werde ich sofort gern glauben,

und selbst, wenn ich Gesehnes nicht sollt glauben,

laß Yakkha, meine Sache sein dann solches. (528)

Peta:       Gut, dies mög sein für mich versprochne Wahrheit.

Hast du gehört die Lehre, mögst du heiter werden,

Verstehn gewinnen, unverderbten Herzens.

Was von gehörter Lehre du noch nicht gehört,

das werd ich dir erklärn nach meiner Kenntnis. (529)

Fürst:      Auf einem weißen Pferde, wohlgeschmückt,

nahst du dich dem, der an dem Pfahle seufzt.

Das ist etwas, das wunderbar ist anzuschaun.

Für welches Wirken dieses ist die Ernte? (530)

Peta:       Inmitten unsrer Stadt Vesāli war zu finden

ein Pfad, der sehr morastig, höllisch Sumpf war.

Dort eines Tages, heitren Herzens, ich erbaute

aus weißem Sandelholz dort einen Übergang. (531)

So konnten ich und andre trocknen Fußes

hinüberkommen, kreuzen diesen Ort.

Dies ist gewißlich wunderbar zu sehen,

dies hier als jenes Wirkens Ernte jetzt. (532)

Fürst:      Die Schönheit dein, die strahlt in jede Richtung,

und überallhin weht dein Wohlgeruch.

Du bist ein Yakkho, und du bist gar mächtig,

doch bist du nackt, wovon die Folge ist's? (533)

Peta:       Von Zürnen frei und allzeit heitren Herzens,

zu allen Leuten sprach ich sanfte Worte.

So solchen Wirkens Frucht ist dieses:

In Schönheit strahl ich göttlich immer. (534)

Erblickt ich Ruhm und Ansehn derer, die gefestigt,

so hab gepriesen ich's, im Herzen heiter.

So solchen Wirkens Frucht ist dieses:

Ein göttlich Duft, der weht in jede Richtung. (535)

Als aber Freunde an der Furt gebadet,

nahm ihre Kleider ich, versteckte sie am Ufer.

Ich tat's im Scherz, nicht aus verderbtem Herzen,

doch bin ich nackt und insofern im Mangel. (536)

Fürst:      Wer also Böses wirket nur aus Spaß,

der erntet solche Frucht wie diese hier.

Doch wer dasselbe wirket nicht zum Spaß,

welch eine Frucht wohl erntet solcher? (537)

Peta:       Ein Mensch, der in Gesinnung ist verdorben,

in Worten und in Taten ist besudelt,

wenn dessen Leib zerfällt, und er geht weiter,

so ist die Hölle zweifellos sein Lohn. (538)

Doch andre, die da guten Gang erhoffen,

die gebefroh, im Guten gern gesammelt,

wenn deren Leib zerfällt, und es geht weiter,

so ist ein guter Ausgang zweifellos ihr Lohn. (539)

Fürst:      Daß solches sei die Frucht von Gut und Böse,

warum soll ich's für sicher wirklich glauben?

Was hätt ich denn gesehn, daß ich's könnt glauben?

Und was könnt machen, daß ich's wirklich glaube? (540)

Peta:       Was du gesehn, gehört, das kannst du glauben.

Das nämlich ist die Frucht von Gut und Böse.

Wär'n Gut und Böse beide nicht vorhanden,

wieso gäb's guten Ausgang dann und schlechten? (541)

Wenn hier nicht würden Sterbliche

die guten und die bösen Werke wirken,

so gäb es in der Menschenwelt für Hoch und Niedrig

nicht guten Ausgang oder schlechten. (542)

Weil Sterbliche in dieser Menschenwelt

die guten und die bösen Werke wirken,

deshalb gibt's in der Menschenwelt für Hoch und Niedrig

schon guten Ausgang und auch schlechten. (543)

Zwiefach, so sagt man, ist des Wirkens Ernte,

als Wohl, als Wehe zu empfinden.

Die Götter sind von Wohl ringsum umgeben,

die Toren, die an Weh nicht denken, leiden. (544)

Für mich gibt's hier kein selbstgewirktes Wirken

und niemand, der mir eine Gabe widmet

an Kleid, an Sitz, an Essen und an Trinken.

Darum bin nackt ich, und ich leide Mangel. (545)

Fürst:      Es muß doch, Yakkha, hier ein Mittel geben,

das dir da Kleidung könnte wohl verschaffen!

Sag bitte mir, was ist die Ursache dafür?

Ich hör gern ein verläßlich Wort darüber. (546)

Peta:       Kappitaka, so heißt ein Mönch des Auferwachten,

geeinigt, tugendhaft, erlöst, ein Heil'ger,

gezügelt in den Sinnen, treu der Satzung,

ist kühl geworden er, hat höchste Ansicht, (547)

ist freundlich, ansprechbar, zugänglich leicht,

willkommen stets, gefestigt in der Satzung,

Feld für Verdienst, so weilt er streitlos,

der Gaben wert von Göttern und von Menschen. (548)

Still, anspruchslos, ohn Fehler, ohne Hoffen,

erlöst, ohn Dorn, ohn Mein, ohn Wanken,

frei von Bezug, versiegt ist Sonderheit ihm,

drei Wissen hat erreicht er, eine Leuchte. (549)

Man kann ihn sehn, doch wird erkannt er selten,

als stiller Denker gilt er bei Vajjinern.

Die Yakkhos kennen ihn als ohne Regung,

voll guter Dinge er die Welt durchwandelt. (550)

Gibst du ein Kleid ihm oder zweie

und widmest mir dabei die Gabe,

und nimmt er sie entgegen also,

dann wirst alsbald du sehen mich bekleidet. (551)

Fürst:      In welcher Gegend weilet der Asket wohl,

daß wir da, ihn zu sehen, könnten gehen?

Er könnte alle Zweifel und Bedenken

der Meinungs-Zuckung sicher mir vertreiben. (552)

Peta:       Sein Wohnsitz, der ist jetzt Kappinaccanā,

von vielen Göttern ist er dort umgeben,

spricht von der Lehre dort, getreu der Wahrheit,

im Innern ohne Feindschaft, ernsten Sinnes. (553)

Fürst:      Ich geh sofort und werde jenes tuen,

ich werde dem Asketen Kleider schaffen.

Wenn er von mir sie also nimmt entgegen,

so wirst auch du versehn sein mit Gewändern. (554)

Peta:       Nicht geh zur Unzeit ich zu einem Pilger,

auch ist's für dich, Licchavier, jetzt nicht recht.

Zur rechten Zeit du mögest dich ihm nahen,

das ist, wenn du ihn siehst alleine sitzen. (555)

Sprecher:   Nach dieser Rede ging der Fürst sogleich nun

von seiner Diener Schar ringsum umgeben

nach Hause hin in seiner eignen Stadt,

und er begab sich in die eigne Wohnung. (556)

Nachdem die Hausnerpflichten er erfüllte,

nachdem er hatt' gebadet und getrunken,

aus einer Truhe wählte aus er acht Gewänder

und ging dann fort, von seiner Dienerschar gefolgt. (557)

Nachdem an jenem Ort er angekommen,

erblickt den Mönch, der - still im Herzen ­

von seinem Bettelgange grad zurück,

wie kühl geworden unter einem Baum saß. (558)

Er ging zu ihm und hat ihn angesprochen,

fragt nach Gesundheit ihn, nach Wohlergehen:

Fürst:      Bin ein Licchavier, Herr, bin von Vesāli,

als Ambasakkhara bin ich bekannt. (559)

Die acht Gewänder hier, o Herr, die feinen,

die mögst du nehmen an, von mir gegeben.

Allein zu diesem Zwecke bin ich hergekommen,

damit ich dadurch glücklich werden kann. (560)

Asket:      Von weitem schon Asketen und Brahmanen

umgehn dein Haus und meiden deine Wohnung,

in deinem Haus zerbrochen sind die Schalen,

und auch die Mönchsgewänder da verkommen. (561)

Da gibt es Leute, die das Bein Asketen stellen,

daß diese dann, kopfüber, fallen hin so.

In dieser Weise werden Pilger da mißhandelt,

und das Asketen müssen dort erleben. (562)

Nicht einmal einen Grashalm Sesamöl gibst du,

und auch Verirrten zeigst du niemals rechte Wege,

den Blinden raubst du gar den Stock.

So bist du: knickerig und ungezügelt.

Zu welchem Zweck, in welcher Form auch

willst du bei uns verteilen etwas? (563)

Fürst:      Ich gebe zu, o Herr, was du gesagt hast,

verfolgt hab ich Asketen und Brahmanen.

Doch tat ich's nur aus Spaß und unverderbten Herzens,

doch war es eine Untat, Herr, gewißlich. (564)

Der Yakkho hatt' aus Spaß gehandelt böse,

drum fühlt er Weh, und sein Genuß ist mangelhaft.

Jung ist und schön er, aber nackend auch.

Was wäre schlimmer noch für ihn? (565)

Ergriffen ward ich, als ich sah den Mangel,

aus diesem Grund will ich jetzt Gabe geben.

Nimm an, o Herr, hier diese acht Gewänder

und laß dem Yakkho zukommen die Gabe. (566)

Asket:      Gar vielfach diese Gabe ist zu preisen,

mög sie dir unversiegbar Rechtes bringen.

Ich nehme an von dir die acht Gewänder,

zum Yakkho möge diese Gabe gehen. (567)

Sprecher:   Dann der Licchavier spülte aus den Mund sich

und gab dem Ordensälteren die acht Gewänder.

Er sprach: "0 möchten diese angenommen werden,

so daß den Yakkho wir bekleidet sehen!" (568)

Dann sah er ihn besprengt mit Duft vom Sandel

auf edlem Pferde sitzend - prächtger Anblick ­

bedient, im Schmucke allerschönster Kleider,

und alle Yakkhomacht hat er erlangt nun. (569)

So sah er ihn, befriedigt, aufgerichtet,

erfreuten Herzens, allerschönsten Anblicks.

Des Wirkens mächt'ge Reife hat er nun gesehn,

mit eignen Augen es verwirklicht also. (570)

Er ging zu ihm und wandt' sich also an ihn:

Fürst:      Asketen und Brahmanen will ich geben.

Es gibt jetzt nichts, was ich nicht könnte geben.

Du warst mir, Yakkha, eine große Hilfe. (571)

Peta:       Und du, Licchavier, du hast mir gegeben

hier eine Gabe, die nicht ist vergebens.

Ich nehme dich dafür als meinen Zeugen,

als Außermenschlicher doch Menschen nahe. (572)

Fürst:      Du warst mir Glück, Genosse, Zuflucht,

du warst mir Freund auch, meine liebe Gottheit.

Ich grüße dich mit ehrfurchtsvollem Handgruß

und würde, Yakkha, gerne wiedersehn dich. (573)

Peta:       Falls weiter du ungläubig bleiben würdest,

von knickeriger Art, im Herzen falsch gerichtet,

in solch Verfassung kannst du mich nicht sehen,

und wenn, dann würde ich mit dir nicht reden. (574)

Hältst aber du das Rechte wert und wichtig,

bist gebefroh, im Guten gern gesammelt

und für Asketen und Brahmanen eine Quelle,

dann kannst erlangen du, zu sehn mich wieder. (575)

Und hast du mich gesehen nun, o Herr,

befreie jenen Mann vom Pfahl geschwinde.

Durch unsern Bund sind wir geworden Zeugen.

Ich denke wohl an seine Qual am Pfahle. (576)

Nachdem wir Freundschaft schlossen miteinander,

befreie diesen Mann geschwind vom Pfahle.

Dann wird er Dingen widmen sich, die würdig,

und wird dadurch der Hölle ganz entgehen. (577

So wird das Wirken sein Gefühl verändern.

Danach mögst zu Kappitaka du gehn

und mögst zur rechten Zeit ihm etwas spenden.

Wenn du dann bei ihm bist, so frag ihn selber. (578)

Er wird dir diesen Fall alsbald erzählen.

Hast aufgesucht du diesen Mönch da,

frag ihn aus Wißbegier, nicht aus verderbtem Herzen,

was er gehört, was nicht gehört an Rechtem.

Das alles wird er dir erklär'n nach seinem Wissen.

Die Lehre, vom Willkommenen gehört, erklärt er. (579)

Sprecher:   Nachdem der Fürst mit ihm allein gesprochen

und ihn zum Zeugen nahm, den Außermenschen,

da kehrte er zurück zu den Licchaviern

und wandte an die Menge sich, die dort versammelt: (580)

Fürst:      Ein Wort von mir, ihr Lieben, mögt ihr hören:

Das Bess're wählend werd ich Heil erlangen.

Wer wegen übler Tat ist an den Pfahl gebunden,

der ist gestraft so mehr schon als genug, (581)

wenn zwanzig Nächte er da mußt verbringen,

wo angebunden er ist weder tot noch lebend.

Ich werde ihn daher von seinen Banden lösen.

Mög die Versammlung dieses mir erlauben! (582)

Räte:       Befrei schnell diesen und auch einen andern.

Wer gab den Rat dir denn, also zu handeln?

Wie du's für richtig hältst, so mögst du handeln.

Wir, die Versammlung, werden dir's gestatten. (583)

Sprecher:   Der Fürst wandt' seine Schritte zu der Stätte

und löste unverzüglich ihn von seinem Pfahle.

Dann sagte er: "Hab keine Furcht mehr, Guter",

und übergab zur Heilung ihn den Ärzten. (584)

Kappitaka sie alle dann besuchten.

Nachdem zur rechten Zeit sie ihm gespendet,

da saßen alle vor ihm, die Licchavier.

Aufklärung suchend fragte ihn der Fürst dann: (585)

Fürst:      Wer wegen übler Tat ist an den Pfahl gebunden,

der ist gestraft wohl mehr schon als genug,

wenn zwanzig Nächte er so mußt verbringen,

wo angebunden er ist weder tot noch lebend. (586)

Da hab ich selber ihn dann losgebunden,

entsprechend ja, o Herr, dem Wort des Yakkho.

Wie ist es nun, gibt es da trift'ge Gründe,

daß jener könnt der Hölle ganz entgehen? (587)

Sag an mir, Herr, ist solches wirklich möglich?

Wir werden gläubig der Erklärung lauschen:

Ist also ein Entrinnen gar nicht möglich,

kann man vielleicht die Tat unfühlbar machen? (588)

Asket:      Wenn Tag und Nacht er wandelt nur im Rechten

und würdigt dies mit ernstem Sinne unermüdlich,

dann kann sehr wohl der Hölle er entgehen,

die Tat ist anderswo dann zu empfinden. (589)

Fürst:      Das Heil für diesen Mann hab ich vernommen.

Jetzt mögst du, Herr, auch meiner dich annehmen.

Belehre mich und leit mich an, du Weiser,

daß in die Hölle ich nicht möge kommen. (590)

Asket:      Zum Buddha nehme deine Zuflucht,

zur Lehre und zum Orden, heitren Herzens,

nimm auf dich dann die fünf der Übungsschritte,

ganz ungebrochen, ungestückelt also: (591)

Lebend'ges umzubringen hüte schnell dich,

und Nichtgegeb'nes in der Welt zu nehmen, meide,

trink keinen Rauschetrank, sprich keine Lüge

und bleib zufrieden mit der eignen Frau.

Den achtfach besten Pfad erfülle gerne,

der da gar heilsam ist und Wohl aufzieht. (592)

Gewand und in der Schale Speis,

Sitz, Lager und was sonst gebraucht,

zu essen, trinken und zu kaun,

zum Anziehn und zur Unterkunft:

das alles gib den Aufrechten,

und heiter sei in dem Gemüt. (593)

Wer Mönch da ist und tugendhaft,

wer ohne Reiz, wer viel erfuhr:

erfrische die mit Speis und Trank,

dann wachset immer dein Verdienst. (594)

Wenn du mit solchen Eigenschaften wandelst,

sie würdigest bei Tag und Nacht und unermüdlich,

so mögst du von der Hölle dich befreien,

dein Wirken anderwärts wird fühlbar. (595)

Fürst:      Jetzt nehme ich zum Buddha meine Zuflucht,

zur Lehre und zum Orden, heitren Herzens,

und die fünf Übungsschritte nehm ich auf mich,

ganz ungebrochen, ungestückelt also: (596)

Lebend'ges umzubringen hüt ich schnell mich,

und Nichtgegeb'nes in der Welt zu nehmen, meid ich,

trink keinen Rauschetrank mehr, spreche keine Lüge

und bleib zufrieden mit der eignen Frau.

Den achtfach besten Pfad erfüll ich gerne,

der da gar heilsam ist und Wohl aufzieht. (597)

Gewand und in der Schale Speis,

Sitz, Lager, und was sonst gebraucht

zu essen, trinken und zu kaun,

zum Anziehn und zur Unterkunft (598)

geb tugendhaften Mönchen ich,

die frei von Reiz, die viel erfuhrn,

und nicht mehr werd ich ändern dies,

an der Belehrung des Erwachten froh. (599)

Sprecher:   Ambasakkhara, der Licchavier, ward nun

ein weitrer Anhänger dort in Vesāli,

vertrauend, milde, pflichtgetreulich,

der Mönchsgemeinde würdig aufzuwarten. (600)

Als der vom Pfahle war gesundet,

aus eignem Willen glücklich ward er Pilger,

beim heiligen Kappitaka ward Mönch er,

Asketenfrüchte sie erlangten beide. (601)

So ist es, wenn man rechten Menschen dienet,

groß ist die Frucht für Gute und für Weise:

dem Mann vom Pfahl fiel zu die höchste Frucht,

doch Ambasakkaras Frucht, die war minder. (602)

Bemerkungen:

Mit 87 Versen ist dieses Stück das längste der ganzen Sammlung und stellt eine geschlossene Erzählung dar, die meist im mehr als achtsilbigen epi­schen Versmaß überliefert ist. Die vier Personen, die hier auftreten, sind wie folgt, näher zu charakterisieren:

Der Licchavier Ambasakkhara wird hier als König (rāja) bezeichnet, ist aber kein absoluter Herrscher, sondern nur einer der Licchavier-Fürsten in deren oligarchischem Staatswesen. Er war zwar sehr mächtig, aber doch abhängig von der Zustimmung des Rates (582/3). Er war ungläubig, weltgläu­big, materiegläubig, ein ungläubiger Thomas. Zum Unterschied zu Payāsi, einem ähnlichen Fürsten, war er aber den Asketen feindlich gesonnen und verfolgte sie. Andererseits war es ihm selbstverständlich, daß es ein Totenreich gibt und daß der Mensch nach dem Tode dorthin gelangt, denn die Erscheinung des Peta nimmt er als selbstverständlich und problemlos hin. Was er ablehnte, war das Gesetz von Saat und Ernte, die karmische Vergeltung. Er glaubte, daß jeder Peta würde, ganz unabhängig von seinem guten oder bösen Wirken - genauso wie die alten Juden dachten, daß jeder unterschiedslos ins Schattenreich (Schehol) käme. Als Fürst wollte er aber auf Erden Ordnung halten und strafte daher drakonisch, weil er eben an ei­ne jenseitige Vergeltung nicht glaubte. So verurteilte er den Dieb zum Marterpfahl. Dort wurde dieser offenbar angefesselt und sollte an Hunger und Durst sterben. Die Erzählung beginnt dann damit, daß Ambasakkhara ziemlich hämisch und schadenfroh das Leiden des Delinquenten schildert. Seine Bekehrung zu einem gläubigen Laienanhänger ist dann der Inhalt der Erzählung. Er ist dann, wie der Kommentar sagt, Stromeingetretener gewor­den, weil er die vier Glieder dazu besaß und weil diese mindere Frucht am Ende mit der höchsten Frucht der Heiligkeit verglichen wird.

Kappitaka ist ein Heiliger, der dem Fürsten sehr deutlich seine Untaten gegen Asketen vorhält. Über die fadenscheinige Ausrede des Fürsten, er habe das nur zum Spaß getan, geht er stillschweigend hinweg. Bei ihm wird der Dieb dann Mönch und erlangt, ebenso wie Kappitaka, die Heiligkeit.

Der Dieb war ein Bürger von Vesāli, Neffe eines angesehenen Kaufmanns. Nachdem er als Strafe zwanzig Tage am Marterpfahl gehangen hatte, be­freite der Fürst ihn. Die Ärzte pflegten ihn wieder gesund, und er war vom Leiden so ergriffen, daß er nun, wie Angulimālo, Mönch und Heili­ger wird. Die Strafe hatte ihm den Schrecken des Wandelseins deutlich genug gezeigt, so daß er genug vom Durst hatte.

Der Onkel des Neffen, der Kaufmann, wird ebensowenig wie der Neffe mit Namen genannt. Daß er ungerecht hingerichtet wurde, ist noch altes Kar­ma. Er war ein guter Bürger, der viel Gutes gewirkt hatte. Dies hätte ihn normalerweise in den Himmel geführt, etwa zu den Vier Großkönigen, wie den Yakkho. Er hatte aber eine einzige ungute Tat getan, auch die ohne Böswilligkeit, nämlich seinem Freund beim Baden die Kleider ver­steckt. Diese eine Tat führte dazu, daß er nur ein "Halbgott" wurde, d.h. ein Yakkho, der als glückliches Gespenst wiedergeboren wurde. Das einzige Leiden, das er da noch erlebte, war, daß er ohne Kleider war. Nackt zu gehen ist im tropischen Klima etwas anderes als bei uns. Die dortigen nackten Büßer und bei uns am Strand die Nudisten gehen freiwil­lig nackt und fühlen sich nicht als leidende Gespenster. So ist nur die subjektive Einstellung hier das Leiden. Weil es sich nach der Vorstel­lung des Kaufmanns gehört, daß man Kleider hat, deshalb leidet er unter dem Mangel. So relativ unbedeutend sein einziger Fehltritt war, ebenso unbedeutend ist eigentlich sein Mangel als Peta. Im übrigen lebt er wie ein Gott und wird daher auch als Yakkho angeredet. Nachdem er dann durch Verdienstübertragung Kleider erhalten hat, ist aus dem Peta ein voll­ständiger Yakkh geworden.

Im übrigen ist beachtlich, daß der Kaufmann weder seinem Neffen, der ihn doch ins Unglück gestürzt hatte, noch dem Fürsten, der ihn ungerecht zum Tode verurteilte, Vorwürfe macht oder ihnen grollt. Er zeigt vielmehr gegenüber beiden Wohlwollen und Erbarmen. So erweist er sich innerlich immer schon als Gott (hier als Yakkho) und ist nur kurze Zeit, ein paar Tage, noch Peta.

Vers 520:   Ich lese nihīn'attho als v.l. statt nihīn'attho, wie die PTS: "Sein Gut (aatho) verlor'n (nihīno)."

Vers 531:   Mit PED p. 255 verstehe ich seta-go-sisa als "an excellent kind of sandal wood", ebenso Gehmann "white sandal wood". Masefield dagegen (FN 4) nimmt es wörtlich als "Weißer Ochsen­kopf", aber wieso ein Ochsen-Schädel als Brücke über einen Sumpf dienen soll, ist unverständlich.

Vers 545:   Wenn hier auch von Sitz, Essen, Trinken gesprochen wird, dann ist das irreführend. Daran leidet der Peta keinen Mangel. Da aber sonst die Petas gerade darunter leiden, scheint das hier stereotyp übernommen worden zu sein. Der Kommentar schweigt.

Vers 553:   Kapi-naccana = Affen-Tanz(platz).

Letzte Zeile lese ich mit Gehmann v.l. a-vera-ke statt wie Masefield ācerake (FN 81) als Verkürzung von ācariya (PED p. 96), übersetzt "his own teacher".

Vers 572, 576, 580:

Text hat sakkhi (Zeuge), nicht sakhi (Freund), wie Gehmann stets liest, obwohl es dem Sinne nach ebenso passen würde.

Vers 592:   Die letzten beiden Zeilen dieses sechszeiligen Verses werden in der Neuausgabe abgetrennt und daher als Vers 78 aufgefaßt, so daß sich ab da die Nummern verschieben und sich 88 statt 87 Verse ergeben.

Vers 601:   Bei Kappitak'uttama ward er Mönch, d.h. bei Kappitaka, der schon das Höchste (uttama) besaß. So erlangten sie beide die höchste Asketenfrucht, waren sich gleich.

Vers 602:   Hier ist nicht von Asketenfrucht die Rede, sondern nur von großer Frucht: Der Dieb erlangte die höchste Frucht, der Fürst eine geringere. Allerdings werden in D 2 und anderswo auch alle vier Früchte Asketenfrüchte genannt, auch wenn ein Hausner sie erlangt.

IV,2: Serissaka

Identisch mit Vimāna-vatthu Nr. 84. Hier Verse 603 - 656. Ohne Grund hier wiederholt, obwohl gar kein Peta vorkommt.

IV,3: Nandaka

Sprecher:   Einst war der König Pingala

der Herrscher über Surat da.

Nachdem am Mauriya-Hof er

geweilt, nach Surat kehrt er heim. (657)

Zur Mittagszeit, die glühend heiß,

gelangte er zu einem Sumpf.

Da sah er einen schönen Weg,

doch führt der schön zu Petas nur. (658)

Zu seinem Lenker sprach der Herr:

König:      Der Weg da, der ist wirklich schön,

ist friedlich, sicher, glücklich auch.

So folge, Lenker diesem Weg,

er führt uns schnell nach Surat hin. (659)

Sprecher:   Es nahm der König diesen Weg,

der vierfach Heerbann folgt ihm nach.

Erschreckt im Herzen dann ein Mann

sprach zu dem Herrscher von Surat: (660)

Wagenlenker:Dem falschen Wege folgen wir,

haarsträubend ist und furchtbar er.

Vor uns da ist der Weg zu sehn,

doch hinter uns ist keiner mehr. (661)

Dem falschen Wege folgen wir,

die Männer Yamas sind nicht fern,

es riecht schon außermenschlich hier,

und man hört Laute, schreckliche. (662)

Sprecher:   Erschüttert Surats König sprach

zu seinem Wagenlenker da:

König:      Dem falschen Wege folgen wir,

haarsträubend ist und furchtbar er.

Vor uns da ist der Weg zu sehn,

doch hinter uns ist keiner mehr. (663)

Dem falschen Wege folgen wir,

die Männer Yamas sind nicht fern,

es riecht schon außermenschlich hier,

und man hört laute, schreckliche. (664)

Sprecher:   Er stieg auf einen Elefant

und blickt nach allen Seiten hin,

da sah er schönen Feigenbaum,

der guten Schatten reichlich bot.

war einer Donnerwolke gleich,

war dunkelblau, die Spitze schön. (665)

Zum Wagenlenker sprach der Fürst:

König:      Was ist das, was wir sehen da:

Es einer Donnerwolke gleicht,

ist dunkelblau, die Spitze schön. (666)

Wagenlenker:Ein Feigenbaum ist's, großer Fürst,

der guten Schatten reichlich gibt,

ist einer Donnerwolke gleich,

ist dunkelblau, die Spitze schön. (667)

Sprecher:   Der König von Surat fuhr hin

zu dem, was er da hatt' gesehn,

was einer Donnerwolke glich,

was dunkelblau, die Spitze schön. (668)

Er stieg vom Elefanten ab,

begab sich zu dem Baume da,

setzt sich an seinem Fuße hin

mit den Ministern, Dienern auch.

Da sah er vollen Wasserkrug

und dazu Kekse mannigfach. (669)

Ein Mann, der einem Gotte glich,

geziert mit jeder Art von Schmuck,

dem Herrn von Surat nähert sich

und redete ihn also an: (670)

Peta:       Willkommen, großer König, hier,

du hattest keinen weiten Weg.

Trink, Majestät, das Wasser hier,

iß von den Keksen, Siegesherr. (671)

Sprecher:   Es trank der König Wasser gleich,

und die Minister, Diener auch,

nachdem die Kekse sie verzehrt,

der Herrscher fragte also dann: (672)

König:      Bist Gottheit du, bist Gandhabba,

bist Sakko du, der Mauern stürzt?

Da wir's nicht wissen, fragen wir,

als was wir kennen sollen dich. (673)

Peta:       Bin Gottheit nicht, nicht Gandhabba,

bin Sakko nicht, der Mauern stürzt.

Ich bin ein Peta, großer Fürst,

von Surat nach hierher gelangt. (674)

König:      Wie tugendhaft hast du gelebt

in Surat, wie gewandelt einst?

Durch welchen Brahmawandel hast

erlangt du hier nun solche Macht? (675)

Peta:       So höre, großer König, zu,

du Sieger, Reichsvermehrer du,

und ihr Minister, Dienerschar,

Hofpriester, du, Brahmane auch. (676)

Von Surat stamme ich, o Herr,

und war ein Mann, schlecht im Gemüt,

von falscher Ansicht, tugendlos,

war knickerig und schimpfte viel. (677)

Die da zum Geben war'n geneigt,

die hielt von solchem Werk ich ab.

Wenn anderen sie gaben, dann

verhinderte ich es und sprach: (678)

"Für Geben gibt es keinen Lohn,

für Selbstbezwingung keine Frucht.

Es gibt auch keinen Lehrer hier.

Wer würd sich zähmen, wenn's nichts nützt? (679)

Die Wesen gelten alle gleich,

warum da Ältere verehrn?

Es gibt nicht Stärke, Willenskraft,

warum sollt höher streben man? (680)

Das Geben bringet keine Frucht,

die Feindschaft läutern kann man nicht.

Nur das erlangt der Sterbliche,

was zusteht ihm, was kommen soll. (681)

Es gibt nicht Eltern, Brüder nicht,

es gibt auch keine andre Welt,

es gibt nicht Opfer, Spenden nicht,

gibt überhaupt nichts Sicheres. (682)

Wer einen Menschen niederschlägt,

wer einen anderen gar köpft,

der schlägt ja gar nichts Wirkliches,

den leeren Abstand trifft er nur. (683)

Das Leben ist zerstörbar nicht,

achteckig oder kreisrund ist's,

fünfhundert Meilen ist es groß,

wer könnt zerstörn das Leben wohl? (684)

Wie Fadenknäul sich wickelt ab

und immer weiter abgerollt,

genauso rollt das Leben hin,

und immer weiter rollt es ab. (685)

Gleichwie wer da sein Dorf verläßt

und in ein andres Dorf dann geht,

genauso geht das Leben wohl

in einen andren Körper ein. (686)

Gleichwie wer da sein Haus verläßt

und dann ein andres Haus betritt,

genauso geht das Leben wohl

in einen andren Körper ein. (687)

Der Weltzeitalter vierundachtzigtausend

sowohl der Tor als auch der Weise müssen

durcheilen hier im Wandelkreise immer,

bevor für sie das Leiden könnte enden. (688)

Genau bestimmt sind Wohl und Weh,

in Körben zugemessen fest.

Der Sieger alles klar erkennt,

verwirrt ist's übrige Geschlecht." (689)

So war die Ansicht, die ich hatt',

verwirrt und von Verblendung voll,

hatt' falsche Ansicht, tugendlos,

war knickerig, beleidigte. (690)

In einem halben Jahre nun

wird meine Zeit erfüllt hier sein.

Die Hölle wird mein Los dann sein,

die einzig bitter, schrecklich ist. (691)

Vier Ecken hat, vier Tore sie,

ist regelmäßig eingeteilt,

von Eisenwall umgeben sie,

mit Eisen oben auch bedeckt. (692)

Ihr Boden auch von Eisen ist,

gar feurig glüht und brennet er,

wohl hundert Meilen im Quadrat

erstrahlt sie und bleibt immerdar. (693)

Nach hunderttausend Jahren erst

ein erster Ton zu hören ist.

Dann, großer Fürst, ein Hundertstel

vom Unzählbaren ist vorbei.

Millionen Hunderttausende,

die Wesen leiden Höllenqual, (694)

wenn falscher Ansicht, tugendlos,

sie da beschimpften Edle gar.

Da muß ich lange Zeiten dann

an Wehgefühlen fühlen viel.

Das ist die Frucht von böser Tat,

da muß ich Kummer leiden lang. (695)

So höre, großer König, dann,

du Sieger, Reichsvermehrer du:

Die Tochter mein, die Uttarā,

- o großer König, Heil sei dir - (696)

sie wirkte gute Werke froh,

hielt Feiertag, war tugendhaft,

gezügelt, gebefreudig sehr,

ansprechbar, frei von bösem Geiz. (697)

Die Übungsschritte brach sie nicht

als Schwiegertochter anderswo,

blieb Jüngerin des Sakyersohns,

des Voll-Erwachten, der bezähmt. (698)

Als einst ein Mönch, der tugendhaft

im Dorfe auf Almosen ging,

bezähmt die Augen, achtsam sehr;

gezügelt bei den Sinnestorn, (699)

als er von Haus zu Hause schritt,

kam auch zu ihrem Hause er.

Da, großer Fürst, - oh Heil sei dir ­

hat Uttarā den Mönch erblickt. (700)

Sie gab ihm einen Wasserkrug

und vielerlei an Keksen mit:

"Gestorben ist mein Vater, Herr,

o mög ihm dieses Hilfe sein." (701)

Kaum hatte dieses sie gesagt,

da stellt sich schon die Reife ein:

Ich kann nun essen, wie ich will,

bin wie König Vessavana. (702)

So höre dieses, großer Fürst,

du Sieger, Reichsvermehrer du:

"Die Welt mit ihrer Götterschar,

nicht Höh'ren als Erwachten hat.

Darum nimm Zuflucht du bei ihm

mit Fraun und Kindern, Siegesheld. (703)

Auf achtgeteiltem Pfad zum Heil,

das Todlose mögst du erfahrn,

wenn Zuflucht du zur Lehre nimmst

mit Fraun und Kindern, Siegesheld. (704)

Auf vier der Weg-Etappen fest,

erlangen sie die Früchte dann.

Das ist der Orden, aufrecht er

in Weisheit, Tugend, Einigung.

Da nimm zum Orden Zuflucht du,

mit Fraun und Kindern, Siegesheld. (705)

Lebend'ges umzubringen hüte schnell dich,

und Nichtgegeb'nes in der Welt zu nehmen, meide,

trink keinen Rauschetrank mehr, sprich keine Lüge

und bleib zufrieden mit der eignen Frau." (706)

König:      Den Nutzen mein, willst, Yakkha, du,

bedacht bist auf mein Heil du, Gott.

Ich tue gern, was du gesagt,

du bist der Lehrer ja für mich. (707)

Zum Buddha nehme Zuflucht ich,

zur Lehre, die die beste ist,

zum Orden nehme Zuflucht ich,

der Menschen und auch Göttern gleich. (708)

Lebend'ges umzubringen hüt ich schnell mich,

und Nichtgegeb'nes in der Welt zu nehmen, meid ich,

trink keinen Rauschtrank mehr, sprech keine Lüge

und bleib zufrieden mit der eignen Frau. (709)

Ich schüttle ab die Großmannssucht,

spül fort sie wie ein reißend Fluß.

Ich speie falsche Ansicht aus,

der Weisung des Erwachten froh. (710)

Sprecher:   So sprach der König von Surat,

legt ab die üble Anschauung.

Nachdem Erhabnen er geehrt,

der Herrscher fuhr im Wagen fort. (711)

Bemerkungen:

Dieser Text spielt nicht, wie die meisten anderen, zu Lebzeiten des Er­wachten, sondern etwa 200 Jahre nach seinem Tode, wie aus dem ersten Vers (657) hervorgeht. Die Herrscher von Magadha aus der Dynastie der Mauriya, deren dritter Asoka war (der Kommentar nennt ihn hier), regier­ten damals. Der König Pingala herrschte als Mahārāja über das Reich Suratthā (wörtlich: "Gutes Königreich") im Westen Indiens. Mittelpunkt war die Hafenstadt Surat, die noch heute nördlich Bombay zu finden ist. Das einzige, was die Rahmenerzählung über den Text der Verse hinaus beizusteuern weiß, ist, daß Nandaka der Oberbefehlshaber König Pingalas war. Daß der König einen solchen Mann mit schlechtem Benehmen und völ­lig chaotischen Ansichten zu solcher hohen Stellung erhob, wirft ein Schlaglicht auch auf die Geistesverfassung des Königs, der ebenfalls ganz materialistisch gesonnen war.

Daß Nandaka bei seinem üblen Wandel und der Tatsache, daß er viele an­dere Menschen von seinen verdrehten Meinungen überzeugen wollte, noch zu den Petas kam, ist nur möglich bei einem Rest guten Wandels von frü­her. Nachdem er aber kraft eines guten Werkes seiner gläubigen Tochter, die seinen Irrlehren nicht gefolgt war, ein erfülltes Gespensterdasein erlangt und vor allem das Gesetz von Saat und Ernte erkannt hatte, war er von seinen Irrlehren völlig geheilt. Er gab sich Mühe, seinem König nun ebenfalls die rechte Anschauung über Saat und Ernte zu vermitteln, was ihm auch gelang. Der König nahm die dreifache Zuflucht und über­nahm die fünf Tugendregeln des Buddha-Anhängers.

Offen bleibt, ob Nandaka durch dieses gute Werk, durch dieses beste Wir­ken für andere, die ihm bevorstehende Hölle abgewendet hat. Wenn es ihm gelang, den König so schnell vom Guten und Wahren zu überzeugen, dann dürfte das nur möglich gewesen sein, wenn er selber ganz dahinterstand. Er sagt ja auch, die Welt habe nichts Höheres als den Erwachten, der den Pfad zum Todlosen weise (703/4). Das könnte ein Hinweis sein, daß Nanda­ka selber den Stromeintritt erlangte, der die Hölle unmöglich macht. Wenn nicht, dann könnte seine Zuwendung zum Buddha aber ebenfalls die in einem halben Jahr drohende Hölle abgewendet haben.

Vers 673 = Vv 971

Vers 689 c + d:

Diese Zeilen sind wohl nicht mehr die Schilderung der früheren Irrlehren Nandakas, sondern geben seine jetzige geläuterte Auf­fassung wieder. Der "Sieger" dürfte hier der Buddha sein, wäh­rend er sonst den König u.a. als Sieger anredet.

692/3 = M 129, Pv 70/1 = Pv 240/1

694:        Hier versteigt sich der indische Zahlenrausch in astronomische Zahlenangaben. Lakkha: 100.000; koti: 10 Millionen. Hier sollen 100.000 kotis ablaufen.

Verse 706 und 709: Die fünf Sīlas wie in Vers 592 und 597

707:        Nachdem der Peta durch seine Tochter gute Erfüllung erntete und sich wie einer der Vier Großkönige fühlte (702), erscheint er dem König Pingala wie ein Yakkha, d.h. ein Gott der untersten Klasse.

710:        PTS hat opunāmi (sieben, sichten) in Z. 1; ich lese mit der v.l. und PED p. 167 odhunāmi (abschütteln).

mahā-vāte = großer Wind = Großmannssucht (Gegenteil: nivāta = keinen Wind machen, demütig). Gehmann übersetzt Z. 1: "I cast away (mouthed) blustering", ich folge dem.

711 d:      pāmokho übersetzt Gehmann, dem Kommentar folgend, mit "looking east". Ebenso Masefield, der pāmokkho liest. Aber der König fuhr von Patna, der Hauptstadt der Mauryas nach Westen, nicht nach Osten, weshalb Masefield meint, er kuckte nur nach Osten (S. 265, FN 27). Außerdem kommt dieselbe Stelle in S 11,18 vor (dort pamukho), wo Sakko in seinem Wagen fortfährt. Dort interpretiert der Kommentar pamukho richtig als "der Hervorragende", und Geiger übersetzt gut mit "der Herrscher". Der Kommentar vermutet, daß diese Erzählung auf dem 3. Konzil in den Kanon aufgenommen wurde (S. 264)

IV,4: Revatī

Identisch mit Vimāna-vatthu Nr. 52, hier Verse 712 - 736. Ohne Grund hier wiederholt, obwohl gar kein Peta vorkommt.

IV,5: Das Zuckerrohr

Peta:       Ein ganzer Wald von Zuckerrohr erschienen

für mich ist; nicht wenig an Verdienst als Frucht,

doch für mich zum Genuß nicht das geringste.

0 zeig mir, Herr, wovon ist das die Reife? (737)

Gequält bin ich, ich werd verzehrt, muß mühn mich,

daß ich zu essen irgend etwas finde,

bin abgeschnitten von mir selbst, erbärmlich

stöhn ich: Für welche Tat ist das die Reife? (738)

Ich plag mich ab und falle auf die Erde nieder,

ich trockne aus, so wie ein Fisch in Hitze,

ich weine so, daß bittre Tränen rollen.

0 zeig mir, Herr, wovon ist das die Reife? (739)

Bin hungrig sehr, erschöpft und schrecklich durstig,

ich zittre, finde weder Glück noch Wohlsein.

Ich frage dich, o Herr, was ist der Sinn da,

wie nur erlang ich, Zuckerrohr zu essen? (740)

Mahāmoggallāno:

Als Mensch du warst, in deinem letzten Leben,

da tatst du eine Tat zu deinen Gunsten.

Den Sinn davon, den werd ich dir erklären,

hör zu mir, und du wirst alsbald verstehen: (741)

Einst wandeltst du, und Zuckerrohr aßt du dabei.

Da hinter dir kam noch ein Mann geschritten.

Er sagte dir, daß er sich was erhoffte,

doch du hast keines Wortes ihn gewürdigt. (742)

Obwohl du dich geweigert, was zu sagen,

hat er gebeten: "Herr, gib Zuckerrohr mir!"

Da gabst du ihm, jedoch gabst du's von hinten.

Entsprechend ist die Reife deines Wirkens. (743)

Schau: greife nur ein Zuckerrohr von hinten.

Hast du's ergriffen, dann kannst du's auch essen,

und dadurch wirst befriedigt du dann werden,

beglückt, erhoben und erfüllt von Freude. (744)

Sprecher:   Er ging und nahm das Zuckerrohr von hinten.

Mit seinen Händen aß er es, zu seinem Nutzen.

So war er denn geworden ganz befriedigt,

beglückt, erhoben und erfüllt von Freude. (745)

Bemerkungen:

Das einzig Schlechte, das von diesem Mann berichtet wird, ist, daß er einem Bettler keine Antwort gab. Darin dürfte Verachtung und Rücksichts­losigkeit liegen. Diese Haltung des Verweigerns scheint aber seine Lebensgewohnheit gewesen zu sein. Solch egoistische Knickerigkeit führt aber direkt zur Gespensterwelt, wo umgekehrt man selber Verweigern er­lebt. Die Welt verweigert sich, und man leidet Hunger und Durst, wie man es anderen bereitete.

Weil er aber schließlich doch etwas gegeben hatte, sich überwunden hatte, Erbarmen gezeigt hatte, zeigt sich ihm eine ganze Plantage von Zuckerrohr, ein Wald an Süßem. Aber: er kann es noch nicht nut­zen, kann nichts davon essen, leidet Tantalusqualen. Erst als er sich selber demütigt und es von hinten nimmt, wie Moggallāno es ihm riet, da kann er sich sättigen und ist beglückt.

Die Rahmengeschichte fügt noch hinzu, daß der Mann Moggallāno ein ganzes Bündel Zuckerrohr schenkte. Der brachte es zum Buddha. Die­ser und die Mönche aßen davon. Infolge dieser guten Tat kam der Mann im nächsten Dasein aus der Petawelt nicht nur zu den Großkönigen, sondern zu den Göttern der Dreiunddreißig.

Vers 738 c: Chinn'ātumo (abgeschnitten von sich selbst), Gehmann: "I am well nigh dead" mit FN: "Lit. (I have) a cut-self". Aber Jayawickrama und die Ausgabe Masefields haben die v.l. chinna-thāmo = "my strength gone" (Wtl.: abge­schnitten die Durchhaltekraft).

Die Rahmenerzählung gibt einen Bericht, der in den Versen keinen Anhalt hat: Der Mann in 742 hätte ein Kind bei sich gehabt, das nach dem Zuckerrohr gierte. Der Mann sprach darauf den anderen an. Der schwieg aber aus bösem Willen. Der Mann zeigte auf das Kind und sagte, daß es heftig weine, weil es kein Zuckerrohr bekomme. Der andere wollte das nicht länger hören und warf verächtlich ein Stück Zuckerrohr hinter sich.

IV,6: Die Prinzen

König Pasenadi von Kosalo hatte zwei Söhne. Im Übermut und Rausch der Jugend gingen sie hemmungslos sexueller Lust nach und verführten Ehefrauen. Diese beiden Don Juans, die ihr Licht an beiden Enden anzündeten, starben dann bald und wurden Petas. In einem Graben wurden sie zerquetscht. Sie schrien erbärmlich. Des Nachts konnte man in der Men­schenwelt in Sāvatthī ihr Jammergeschrei sogar hören. Die Leute waren erschrocken und entsetzt. Sie dachten, dieses böse Omen müsse zum Aufhören gebracht werden. Sie spendeten dem Orden mit dem Buddha an der Spitze großzügig und erzähl­ten die Sache. Der Buddha aber erwiderte, daß es nicht mög­lich sei, das Geschrei zu beenden. Die böse Ernte könne nicht ungeschehen gemacht werden. Er könne nur die ihm ge­spendete Gabe den Prinzen widmen und so etwas die Qual lin­dern, mehr nicht. Dann begründete er den Zusammenhang:

Sprecher:   Sāvatthī war die Stadt genannt

am Abhang des Himālaya.

Es lebten einst zwei Prinzen dort,

des Königs Söhne waren sie. (746)

Berauscht von dem, was reizend ist,

genossen sie der Sinne Lust.

Voll Gier nach gegenwärt'gem Wohl

die Zukunft kümmerte sie nicht. (747)

Als Menschentum verließen sie,

als andre Welt für sie ging auf,

sah man sie nicht, doch schrien sie,

weil übles Werk sie einst getan. (748)

Petas:      Obwohl da überreichlich war,

zum Geben hatten vielerlei,

wir sorgten nicht für unser Heil,

auch nicht einmal für kleinstes Glück. (749)

Was war es denn für böses Werk,

daß, als gestorben wir am Hof,

im Petareich erschienen sind,

von Durst und Hunger arg gequält? (750)

Buddha:     Wer hier gelebt im Herrenstand,

wird drüben nicht auch wieder Herr.

Ob hochgestellt, ob niedrig da,

die Wesen leiden Hunger, Durst. (751)

Wer dieses Elend hat erkannt,

das Herrschaftsrausch da bringt hervor,

der überwindet Herrschaftsrausch,

der Mann, der geht zur Himmelswelt.

Wenn hier der Leib wird abgelegt,

der Weise auf zum Himmel steigt. (752)

Bemerkungen:

Die Prinzen waren blind für die Zukunft und das Karmagesetz. Sie taten nicht das geringste Gute, obwohl sie im Reichtum schwelgten. Sie kannten nur die Lust. So katapultierten sie sich in die Gespensterwelt, aber nicht nur in jene Region, wo Hunger und Durst herrschen, sondern weil sie so ausschweifend in andere Ehen eingebrochen waren, litten sie höl­lennahe Qualen. Am untersten Ende der Gespensterwelt ernteten sie, was sie gesät hatten. Ihre Schreie waren so, daß man sie in der Menschenwelt hören konnte, ein seltener Fall. Die Bürger von Sāvatthī sahen nieman­den, aber nachts hörten sie die Schreie. Am Tage schienen sie nicht durchzudringen. Das war ihnen unheimlich, und so erhofften sie vom Bud­dha Abhilfe. Hier aber war das nicht möglich, so wenig wie in der Hölle. Immerhin aber gibt es für höllennahe Gespenster gewisse Linderung, was es in der Hölle nicht gibt. Näheres ist davon aber hier nicht gesagt.

Das Besondere ist, daß die Prinzen trotz aller Qualen immer noch nicht wußten, warum sie so litten. Sie hielten also ihre Ausschweifung nicht für böse und schienen zu meinen, im Herrenstande sei alles erlaubt. "Für hohe Herren gelten andere Gesetze", so schien ihre Wahnidee zu sein. Daher sagt der Buddha ihnen, daß gerade dieser Hochmut der Grund ihres Leidens sei. Sie hätten als Söhne des religiösen Königs Pasenadi wissen können und müssen, was Karma ist. Sie kümmerten sich aber um nichts, hörten auf nichts und redeten sich noch ein, berechtigt der hemmungs­losen Lust nachgehen zu können. So war ihnen auch im Jenseits nicht zu helfen.

Die Masefield-Ausgabe dagegen interpretiert den Satz, daß kein Ende der Schreie möglich sei, dahin, daß keine Gefahr durch die Schreie drohe, und der Kommentar sagt, daß der Buddha die Gabe den Petas widmete.

IV,7: Der Königssohn

In der Rahmenerzählung zu Pv III,2 werden die hier geschil­derten drei Leben als Sohn König Kitavas, als Höllischer und als Peta schon berichtet. Dort heißt es, der Seher sei ein Einzelerwachter gewesen. In einem vierten Leben, nach dem hier in Pv IV,7 geschilderten Gespensterdasein, wird der Mann Mönch und Heiliger. Die Verse, die hier folgen, wer­den dem Buddha in den Mund gelegt:

Die Taten, die man einst getan,

wenn reif, zerhämmern sie den Geist

mit Form, mit Ton, Geschmack und Duft

und Tastung, die dem Geist genehm. (753)

Gesang und Tanz und Lust und Spiel

genoß er in gar reichem Maß.

Nachdem geritten er im Park,

kam er zur Felsenburg heran. (754)

Den Seher sah, Sunetta, er,

der selbstbezähmt, geeinigt war,

bescheiden, schamhaft-demutsvoll,

genügt ihm Bettelrest im Napf. (755)

Er stieg vom Elefanten ab,

ging hin zu ihm und sagt: "0 Herr!"

Dann griff er seinen Bettelnapf

und hob ihn hoch, der Adlige. (756)

Er warf ihn splitternd hin zur Erd,

ging höhnisch lachend fort und sprach:

"Bin König Kitavatas Sohn,

was kannst du, Mönch, mir tun denn schon?" (757)

Für die beleidigende Tat,

da erntete der Königssohn

die außeror'ntlich bittre Frucht,

daß in die Hölle er gelangt. (758)

Der vierundachtzig Tausende

sechsmal Millionen Jahre er

in Höllen mußte leiden Qual

für das, was frevelnd er getan. (759)

Erhob er sich und legt er sich

auf rechte oder linke Seit,

stand er auf seinen Füßen auch:

Gefoltert ständig ward der Tor. (760)

Für viele tausend Jahre er,

Millionen, unzählbare Zeit,

in Höllen litt er heftige Qual,

für das, was frevelnd er getan. (761)

Für böses Wirken, das man tat

an einem Seher, der gar fromm

und ohne Fehl und ohne Haß,

da erntet dieses Bittre man. (762)

Nachdem so manches Leiden dann

empfinden mußte er dafür,

litt er an Durst und Hunger dort

und ward ein Peta alsobald. (763)

Wer dieses Elend hat erkannt,

das Herrschaftsrausch da bringet ein,

der überwindet Herrschaftsrausch,

der wendet sich der Demut zu. (764)

Im Leben schon ist lobenswert,

wer den Erwachten da verehrt.

Wenn hier der Leib wird abgelegt,

der Weise auf zum Himmel steigt. (765)

Bemerkungen:

Wie schon bei Pv III,2 gesagt, findet sich die Erzählung von Kitavas Sohn auch in J 220. In beiden Berichten ist Kitava König von Benares. Hier in Pv IV,7 ist der Ort Giribajja (Vers 754), was Neumann in Sn 408 mit Fel­senburg wiedergibt und was ein Name für die von Bergen umgebene Stadt Rājagaham ist.

Vers 759 und 761: Vergl. 654 mit ähnlichen Zahlen.

Vers 764 a - c = Vers 752. In beiden Berichten wird der Übermut und Hoch­mut der Prinzen getadelt, der zum Unheil führte.

IV,8: Die Dung-Esser I

In einem Ort unweit von Sāvatthī hatte ein Hausvater einem persönlichen Freund, der Buddhamönch geworden war, ein Kloster gebaut. Als nun andere Mönche aus verschiedenen Gegenden des Landes dorthin kamen und dort wohnten, da ver­sorgten die Laien auch sie reichlich mit allen Gebrauchs­gegenständen. Da aber war der Mönch eifersüchtig und nei­disch und verleumdete die anderen Mönche bei dem Hausner, der ihm glaubte, wie die Verse erzählen. Bald darauf starben der Hausner und der Mönch und wurden beide Petas bei der Latrine des Klosters. Moggalāno sah den Hausner und befragte ihn:

Mahāmoggallāno: Wer bist du, Armer, der du stehst

bei der Kloake also dort?

Du zweifellos hast bös gewirkt,

daß du nunmehr so stöhnen mußt. (766)

Peta:       Ich bin ein Peta ja, o Herr,

ging abwärts, kam in Yamas Welt.

Weil böses Wirken ich gewirkt,

gelangt ich in die Petawelt. (767)

Mahāmoggallāno: Was hast du Böses denn getan

in Werken, Worten und im Geist,

für welches Wirken reift es dir,

daß solches Leiden du erlangst? (768)

Peta:       Ansässig war ja hier ein Mönch,

der eifersüchtig, geizig war.

Er klebt' an meinem Hause an,

war knickerig, schalt andere. (769)

Nachdem ich auf sein Wort gehört,

beschimpft auch ich der Mönche Schar.

Für solches Wirken reift es mir,

daß ich zur Petawelt gelangt. (770)

Mahāmoggallāno: Dein Busenfreund, der war dein Feind,

als Freund verkleidet war er nur.

Nachdem den Leib er abgelegt,

Unweiser, was war sein Geschick? (771)

Peta:       Ich stehe hier zu Häupten ihm,

dem Übeltäter, auf dem Kopf.

Nachdem er kam zur Petawelt,

muß er mir dienen also nun. (772)

Was andre scheiden aus, o Herr,

das ist nun meine Nahrung hier.

Und was ich laß an Kot und Harn,

davon muß er ernähren sich. (773)

Bemerkungen:

Der Hausner hatte einst dem Mönch gedient, ihn versorgt, ihm ein Kloster gebaut. Die gute Ernte davon ist, daß jetzt umgekehrt der Mönch sein Diener in der Petawelt wurde. Weil der Mönch der Anstifter zum Bö­sen gewesen war, ist seine Ernte leidiger. Er steht unten, und der ande­re besudelt ihn mit Kot und Urin. Beide aber ernähren sich von den Exkrementen anderer. Beide hatten die Buddhamönche abfällig beschimpft, wie Dreck behandelt, jetzt bekommen sie Dreck zu essen.

Vers 766 d: PTS hat saddahase, dagegen in der Parallelzeile in 806 saddāyase, wie auch PED p. 675. Von sadda (Ton, Geräusch). Offenbar gibt der Peta stöhnende Töne von sich, Klagen.

Vers 767:   wie Pv 27 usw.

Vers 768:   wie Pv 30 a - c usw.

IV,9: Die Dung-Esser II

Identisch mit IV,8, außer daß hier eine Hausfrau es ist, die Petī wird.

IV,10: Die Peta-Schar

In Sāvatthī, dessen meiste Einwohner dem Buddha vertrauten, lebte auch eine Gruppe von Materialisten. Da sie vordergrün­dig an nichts anderes als sinnliches Genießen in diesem Le­ben dachten und alle Ermahnungen in den Wind schlugen, waren sie geizig. Sie gaben nichts ab, sie taten nichts für andere, waren gleichgültig gegenüber den Wünschen und Nöten anderer. Nachdem sie lange gelebt hatten, starben sie kurz nacheinan­der. Sie, die nicht ans Jenseits geglaubt hatten, fanden sich als Gruppe von Gespenstern wieder. In jener Welt lebten sie nahe von Sāvatthī. Als Mahāmoggallāno auf Almosen zur Stadt ging, sah er sie, und er fragte:

Mahāmoggallāno: Nackt seid ihr, unschön anzusehn,

seid abgezehrt, die Adern frei,

o ihr, die ihr die Rippen zeigt,

wer seid ihr denn, ihr Herren da? (782)

Petas:      Gespenster sind wir ja, o Herr,

in Yamas Reich hinabgelangt.

Weil böses Wirken wir gewirkt,

gelangten wir zur Petawelt. (783)

Mahāmoggallāno: Was habt ihr Böses denn getan

in Werken, Worten und im Geist,

für welches Wirken reift es euch,

daß solches Leiden ihr erfahrt? (784)

Petas:      Am öffentlichen Badeplatz

wir heimsten halbe Groschen ein.

Obwohl's genug zum Geben gab,

wir schafften uns kein Eiland draus. (785)

Wir nähern zitternd uns dem Fluß,

doch er ist leer an Wasser uns.

Bei Hitze suchen Schatten wir,

doch wird zur Hitze er für uns. (786)

Ein Wind, der feurig ist und heiß,

der weht uns an, versenget uns.

Doch wir verdienen das, o Herr,

ja, wir verdienen Schlimm'res noch. (787)

Wir wandern viele Meilen weit

nach Nahrung gierig, hungrig sehr.

Wir finden nichts und kehren um,

wir haben, ach, fast kein Verdienst. (788)

Ohnmächtig von dem Hunger dann

zur Erde fallen wir, o Herr.

Da liegen flach wir hingestreckt,

kopfüber sind wir hingefall'n. (789)

Und wenn wir so da liegen nun,

gefallen auf den Boden hin,

wir schlagen uns an Kopf und Brust,

wir haben, ach, fast kein Verdienst. (790)

Doch wir verdienen das, o Herr,

ja, wir verdienen Schlimm'res noch.

Obwohl's genug zum Geben gab,

wir schafften uns kein Eiland draus. (791)

Wenn einst von hier wir scheiden ab,

wenn Menschenschoß erreichen wir,

ansprechbar, tugendhaft bewährt,

viel Heilsames woll'n wir dann tun. (792)

Bemerkungen:

Diese Schar von Materialisten lebte wie die große Menge der Menschen heute. Schon damals sagte der Buddha, daß die meisten Menschen nach dem Tode abwärts gehen. So auch diese. Es ist gar nicht nötig, Böses zu tun, um zur Gespensterwelt durchschnittlicher Art zu kommen. Wer sein Ver­dienst im Menschentum aufzehrt und nichts neues Gutes wirkt, der steht leer da, d.h. er ist hungrig, durstig, nackt. Die Welt verweigert sich ihnen, so wie sie sich einst weigerten, für die Zukunft vorzusorgen durch gute Werke. Sie wissen aber, daß es für sie schon ein kleines Ver­dienst bedeutet, nicht höllennahe Petas geworden zu sein oder gar in die Hölle zu kommen oder zur Tierheit. Eigentlich scheint es ihnen, daß ihre Hartherzigkeit, Nächstenblindheit und Oberflächlichkeit noch schlimmere Ernte verdient hätte. Indem sie so ihr Versagen bereuen, bahnen sie sich den Weg zu künftigem Menschentum, in dem sie dann viel Heilsames wirken wollen.

Vers 782 - 785: Parallelen mit Variationen in 95, 767, 768, 466

Vers 785 wie 466: PTS hat: anāvaţesu titthesu vicinimh'addhamāsakam.

Als v.l. werden beide Male angegeben: anavajjesu und addha. Der Sinn scheint verdorben. An-avajja heißt tadelfrei, was keinen Sinn gibt. An-avata = nicht geschlossen = öffent­lich. Vicinati = unterscheiden, herumsuchen, herumlungern. addha-māsaka = halbe Groschen, wohl populär für "Geld". In Vers 466 ist der Sinn klar (Hure), hier nicht. Ob sie ver­lorene Geldstücke suchten? Die Übersetzung "halber Monat" ist abzulehnen (s. bei Pv III,6).

Vers 790/1: verdienen (arahati = gebühren); Verdienst (puñña)

IV,11: Patna

Eine Reihe von Kaufleuten aus Sāvatthī und Patna (damals Pātaliputta) segelten nach dem Goldland (Suvanna-bhūmi, wohl Niederburma). Unterwegs starb einer von ihnen an ei­ner Krankheit. Er war ein Laienanhänger, der heftig in eine Frau in Patna verliebt war. Trotz seiner guten Werke kam er nicht zur Götterwelt, sondern nur zu einem glücklichen Ge­spensterdasein (vemānika-peta), weil er seiner Geliebten näher sein wollte. Seine Stätte war mitten im Ozean. Dort hegte er weiter seine Sehnsucht nach ihr.

Sie ihrerseits reiste auch per Schiff zum Goldland. Als der Peta das sah, stoppte er mit magischer Macht das Schiff, um sie zu erlangen. Die Kaufleute auf dem Schiff wunderten sich, daß das Schiff ohne äußeren Grund nicht weiterfahren konnte. Sie glaubten, unter ihnen sei ein schwarzes Schaf, das schuld daran sei. Sie warfen daher das Los. Durch die Magie des Peta fiel es dreimal auf die Frau. Da setzten sie sie auf ein Bambusfloß in den Ozean. Im gleichen Augenblick war das Schiff wieder flott.

Der Peta nahm die Frau in seinen Palast und war glücklich mit ihr. Das dauerte ein Jahr. Dann wurde sie unzufrieden, und zwar aus einem guten Grund. Sie sagte zu ihrem Freund: "Solange ich hier weile und nur genieße, kann ich, nichts Sinnvolles für die andere Welt tun. Bitte, bring mich nach Patna zurück." Da er sie wirklich echt liebte, sagte er:

Peta:       Gesehn hast du die Höllen und den Schoß der Tiere,

die Petas, die Asuras, Menschen und auch Götter.

Du selber hast gesehn, wie alle Taten reifen.

Nach Pātaliputta zurück werd ich dich bringen. (793)

die Frau:   Du, Yakkha, hast mein Wohl im Sinn,

du, Gottheit, wünscht mein wahres Heil.

Ich tu nach deinen Worten nun,

der Lehrer bist du ja für mich. (794)

Gesehn hab ich die Höllen und den Schoß der Tiere,

die Petas, die Asuras, Menschen und auch Götter.

Ich selber hab gesehn, wie alle Taten reifen,

Verdienste will ich wirken nunmehr, und nicht wenig. (795)

Der Peta brachte sie durch die Luft nach Patna, setzte sie mitten in der Stadt ab und kehrte zurück. Ihre Freunde und Verwandten freuten sich, weil sie sie schon totgeglaubt hat­ten. Sie fragten sie nach ihrem Erleben, und sie erzählte al­les.

Bemerkungen:

Der Peta lebt wie ein Gott. Er hat kein Leiden, hat magische Fähigkeiten, und ihm wird sein Herzenswunsch erfüllt, mit der Geliebten zusammen zu sein. Das einzige, was ihn von einem Gott unterschied, war die zunächst erlebte Einsamkeit. Die Frau redet ihn daher als Yakkha und Gottheit an. Er verdiente sich sein göttliches Dasein durch seinen Verzicht. Daß er aus höherer Liebe auf begehrliche Liebe verzichtete, das ist ein sehr ver­dienstvolles Wirken. Und daß er seiner Freundin das Gesetz von Saat und Ernte erklärte, ist es ebenfalls. Er konnte also Gutes tun, während sie dazu noch die Rückkehr ins Menschentum benötigte. Wieso sie das gesamte Jenseits mit Himmeln und Höllen gesehen hat, wird nicht erklärt, ebenso­wenig wird begründet, wieso sie in der glücklichen Gespensterwelt nichts Sinnvolles wirken könne.

IV,12: Die Mangos

In Sāvatthī lebte ein Hausner, der verarmte. Seine Frau starb, seine einzige Tochter brachte er bei einem Freund als Dienstmädchen unter. Er selber lieh sich Geld, kaufte Waren für 100 Kahāpana und schloß sich einer Karawane von Kaufleuten an, um Handel in der Ferne zu treiben. In kur­zer Zeit gelang es ihm, nicht nur sein Kapital zurück zu erlangen, sondern noch einen Überschuß von 500 Kahāpanas zu erzielen. So kehrte er mit anderen Kaufleuten wieder nach Sāvatthī zurück. Unterwegs wurden sie von Räubern überfallen. Die anderen Kaufleute flohen sofort in alle Winde. Er warf sein Geld in ein Gebüsch und versteckte sich. Die Räuber fanden ihn aber und brachten ihn um. Er wurde dann als Peta wiedergeboren, und zwar am Ort des Überfalls.

Als die Tochter vom Tod ihres Vaters hörte, spendete sie dem Buddha Reisgrütze in einem Bronzetopf, ein Tuch und schöne Mangos. Sie bat ihn, er möge dies so annehmen, als habe ihr Vater es gespendet. Das tat der Buddha auch. Durch diese Widmung erlangte der Peta ein schönes Vimāna und be­endete sein normales Peta-Dasein damit. Als die Kaufleute später ihre Reise wiederholten, lagerten sie am gleichen Ort, sahen den Peta und befragten ihn:

Händler:    Du lebst an einem lieblich Lotosteiche,

mit gutem Zugang und mit reichlich Wasser,

mit Blumen schön, umsummt von Bienenschwärmen.

Wie hast du dies erlangt, das so entzückend? (796)

Du lebst in einem lieblich Mangohaine,

der Früchte trägt zu allen Jahreszeiten,

mit Blumen schön, umsummt von Bienenschwärmen.

Wie kommt's, daß du erlangt hast dies Vimāna? (797)

Peta:       Weil reife Mangos, Wasser auch,

Reisgrütze meine Tochter gab,

deshalb hab dieses ich erlangt

und leb im kühlen Schatten schön. (798)

Dann gab der Peta den Händlern das in den Busch geworfene Geld und sprach: "Behaltet für euch die Hälfte, die andere übergebt meiner Tochter als mein wohlverdientes Geld. Sie möge davon glücklich leben." Die Händler taten dieses. Die Tochter aber bezahlte mit 100 Kahāpanas die Schulden ihres Vaters und übergab 400 Kahāpanas ihrem Dienstherrn. Er gab es ihr wieder zurück und gestattete, daß sie seinen Sohn hei­ratete. Bald gebar sie einen Sohn und sang ihm folgendes Lied:

Sichtbaren Lohn des Wirkens mögst du sehen,

die Frucht von Geben, von Beherrschung, Züglung.

Ich war nur Dienerin, in gutem Hause zwar,

doch Schwiegertochter bin ich jetzt und Herrin. (799)

Bemerkungen:

Der Kaufmann war ein normaler Mensch, d.h. jemand, der sein Verdienst aufzehrte, ohne für die Zukunft zu sorgen. Daher kam er in die normale Gespensterwelt. Da er nur Geld im Sinne hatte, nichts Höheres, so konnte er keine guten Werke aufweisen und wurde ein Hungergespenst. Erst als seine Tochter ihm ihre Gabe an den Buddha widmete, wurde er ein glück­liches Gespenst mit einem schönen Vimāna. Dort wirkte er aber nun sel­ber auch Gutes und half seiner Tochter aus dem Jenseits, wie geschil­dert, zu ihrem Glück.

In der Ausgabe der PTS von 1888 und dem Kommentar von 1980 steht noch ein Vers, und zwar wörtlich genau derselbe wie in Ud II,8 und J 100. Nach dem Kommentar soll ihn der Buddha gesprochen haben, als er der Toch­ter magisch erschien. Auch Gehmann bringt den Vers, sieht sich aber ge­zwungen, denn Sinn dreifach zu verändern, um ihn passend zu machen. Erstens korrigiert er pamattam (Lässigkeit) in samattam (the right). Dann macht er aus ativattati (überwältigt, verführt) einen positiven Sinn (overcomes), und drittens macht er aus dem Akkusativ (pammattam) den gleichlautenden Nominativ:

"The right overcomes the unpleasant by what seemeth pleasant,

the unloved by what seemeth loved, the ill by what seemeth happy."

Aus Ud II,8 ergibt sich aber der genau umgekehrte Sinn:

Widriges in Form von Schönem,

Unliebes in Form von Liebem,

Leiden in Gestalt von Wohl kommt

über einen, der nicht achtgibt.

(Üb. v. F. Schäfer)

IV,13: Die Achse und der Baum

Ein Laienanhänger des Buddha aus Sāvatthī belud einige Och­senkarren mit Waren, zog ostwärts nach Videha und verkaufte dort alles. Dann belud er seine Wagen mit dortigen Waren und kehrte auf der Straße nach Sāvatthī zurück. In einem Wald brach einem Wagen die Achse. Damals war ein Mann aus seinem Dorf in den Wald gekommen, um einen Baum zu fällen. Mit Axt und Beil versehen, traf er nun den Kaufmann. Aus Mitleid mit ihm fällte er einen Baum, machte aus dem Holz eine starke Achse und baute sie in den Wagen ein. Er berechnete aber nichts für seine Arbeit, sondern tat es aus Freundschaft. Als er bald darauf starb, wurde er im gleichen Wald als ei­ne Erdgottheit wiedergeboren. Als er über seine einstige gute Tat nachdachte, die ihm zu seinem Götterdasein verhol­fen hatte, begab er sich nachts zum Haus des Laienjüngers und sprach, an der Tür stehend, einen Vers zu ihm:

Das, was man gibt, kommt nicht genau zurück.

Doch Geben lohnt in beiden Welten sich,

durch Geben geht zu beiden man:

Drum sei man wachsam, lässig nimmer. (800)

Bemerkungen:

Der Vers deutet an, daß der Mann die Auffassung gehabt hatte, wer eine Achse spende, der bekomme im Jenseits eine Achse, oder wer einen Baum gebe, der werde ein Baumgott. Nun sah er aber, daß die Ernte nicht so buchstäblich ist. Das will er dem Kaufmann sagen. Außerdem tritt er auch der Auffassung entgegen, daß Geben sich n u r im Jenseits oder nur im Diesseits auswirke. Er sagt sehr richtig, daß die Ernte in beiden Wel­ten Segen bringe, sich lohne. Das Geben überwindet (tarati = hinüber­gehen = transzendieren) das Gesetz der Welt.

IV,14: Reichtum raffen

In Rājagaham lebten vier Frauen, die mit Lebensmitteln han­delten, mit Butterschmalz, Honig, Sesamöl und Korn. Dabei verwendeten sie auch falsches Maß und Gewicht, aber so raf­finiert, daß niemand den Betrug merkte. Sie sammelten gro­ßen Reichtum. Als sie kurz nacheinander gestorben waren, fanden sie sich als Petīs wieder vereint. Außerhalb der Stadt waren sie in einen Graben gebannt. Als höllennahe Ge­spenster wurden sie dort nachts von ihrem Elend überwältigt, während sie am Tage nur normale Hungergespenster waren. Vor Schmerzen liefen sie nachts hin und her und schrien laut. Die Leute in Rājagaham konnte sogar die Schreie aus jener Welt hören und bekamen große Angst. Sie gingen daher zum Buddha und fragten ihn nach der Ursache der Laute. Dieser sag­te ihnen, warum die Petīs dorthin gelangt seien. Nun täten sie nachts nichts anderes, als immer den gleichen Vers laut schreiend zu wiederholen:

Zusammen rafften Reichtum wir,

auf geradem und auf schiefem Weg.

Den nun genießen andere,

doch unser Teil ist Leiden nur. (801)

IV,15: Die Söhne des Gildemeisters

König Pasenadi ritt einmal auf seinem prächtigen Staatsele­fanten durch seine Hauptstadt Sāvatthī. Da fiel sein Blick zufällig auf das obere Stockwerk eines vornehmen Hauses. Dort sah er eine Frau, blendend schön wie ein Göttermädchen. Sein Herz war sofort entflammt und gefesselt, denn er war sehr lüstern und konnte sein Herz nur schwer zähmen. Er hat­te zwar seine geliebte Königin Mallikā und dazu einen Harem voll schönster Frauen, aber all das erschien ihm in der Ver­blendung durch die momentane Faszination zu nichts hinweg­zuschmelzen. Seine Gier wollte nur jenes Weib, um jeden Preis. Als er sich erkundigte, wer sie sei, erfuhr er, daß sie verheiratet sei, gut und glücklich verheiratet. Darüber aber setzte er sich im Geiste schnell hinweg. Er war doch der allmächtige große König. So schmiedete er Pläne, um den Ehemann aus dem Weg zu räumen und verfuhr wie in IV,1 mit dem einzigen Unterschied, daß der Ehemann jener Frau ins Siegerwaldkloster ging, um dort zu über­nachten.

In der Nacht aber, als im Palast alles totenstill war, wachte er plötzlich auf. Ganz deutlich hörte er Stimmen, ohne jemanden zu sehen. Es waren vier verschiedene Stim­men, deutlich voneinander zu unterscheiden. Die erste Stimme sagte immer: "sa", die zweite Stimme wiederholte ständig die Silbe "na", die dritte sprach "du", und die letzte äußerte immer "so". Er war entsetzt über diese un­heimlichen Geisterstimmen, die Haare sträubten sich ihm, und er konnte nicht wieder einschlafen, als die Stimmen schwiegen. Von Todesangst befallen, setzte sich der König auf und erwartete zitternd den Sonnenaufgang. Um diese Zeit pflegten die Brahmanen seines Hofes ihm aufzuwarten. Auf ihre Frage, ob Seine Majestät wohl gut geruht habe, er­widerte er: "Wie sollte ich, ihr Lehrer! Heute Nacht habe ich schreckliche Laute gehört." Und er berichtete alles. Er wollte nun wissen, was jene dämonischen Stimmen zu be­deuten hätten, welches Unheil sie wohl ankündigten. Der Oberhofpriester, der sehr ehrgeizig und habsüchtig war, er­widerte mit bedenklichem Gesicht: "Es sind gewaltige Töne, o Majestät." "Sind sie wirkungslos zu machen oder nicht?" fragte Pasenadi. Der Oberpriester antwortete: "Von selber ist ihre Wirkung nicht aufzuhalten, aber wir verstehen viel." "Was ist denn zu tun, um die Wirkung aufzuheben?" "0 großer König, man kann das Unheil abwenden, wenn man das vierfache Opfer veranstaltet und den Göttern viel Fleisch und viel Geld opfert." Das vierfache Opfer aber bestand darin, daß von allen Wesen je vier geschlachtet wurden, angefangen vom Menschen über Elefanten, Stiere, Pferde bis zur Wachtel. Dieses vierfache Opfer der heruntergekommenen brahmanischen Tradition ließ der König dann vorbereiten. Viele Lebewesen wurden an Pfosten beim Opferaltar angebunden. Geschäftig eilten die Brahmanen hin und her und waren frohen Sinnes in Erwartung von viel gutem Essen und Geld.

Als Königin Mallikā, die weitblickender und weiser als der König war, dieses sah, fragte sie ihren Gemahl nach dem Grund. Er aber erwiderte ungehalten: "Fürstin, was geht dich das an? Du bist nur auf deinen Ruhm versessen, mein Leid aber kennst du nicht." Und er berichtete alles, was sich seit jener Nacht abgespielt hatte. Seine Verliebtheit aber, die ihm vor Angst vergangen war, erwähnte er nicht. Mallikā aber stellte nun eine Frage: "Großer König, hast du auch den Ersten der Brahmanen in der Welt der Götter und Menschen nach der Bedeutung der Töne gefragt?" Der König wollte wissen, wen sie denn mit dieser Bezeichnung meine. Sie antwortete, das sei der Erhabene, der Erwachte, der Wis­sens- und Wandelsbewährte.

Der König stimmte zu, daß er den Erhabenen fragen wolle, und bestieg nach dem Frühstück seinen Wagen und fuhr zum Siegerwaldkloster, berichtete dem Buddha ausführlich die Er­eignisse und endete mit der Frage: "Was wird mir geschehen, weil ich diese Töne hörte?" - "Gar nichts, großer König", erwiderte der Erwachte, "sei beruhigt, dir droht keinerlei Gefahr von dort." Und dann erzählte er ihm die wahre Ursachen­verkettung:

Vor langen, langen Zeiten lebten in Benares vier junge Kauf­leute, Söhne des Gildemeisters, die im Jugendrausch Frauen verführten, in andere Ehen einbrachen und nichts weiter im Sinn hatten, als ihre Sinnenlust zu befriedigen. Als ihr Leben zu Ende war, kamen sie gemeinsam in die Hölle und fan­den sich in vier großen glühenden Eisenkesseln wiedergeboren. Nachdem sie dort 60.000 Jahre in der eigenen Glut gekocht hatten, näherte sich ihre selbstgewirkte äußerste Leidens­zeit dem Ende. Sie kamen langsam und gleichzeitig in den Kesseln empor und sahen schon den Rand, konnten die Köpfe herausstrecken und waren an der Grenze zum Bereich der höllennahen Gespenster. Bisher waren sie stumm vor Lei­den gewesen. Jetzt konnten sie sich wenigstens erstmals wieder äußern, und das war in der Menschenwelt dem König hörbar gewesen. Ihre Freiheit reichte aber nur soweit, daß sie je nur eine Silbe von dem sagen konnten, was sie auf dem Herzen hatten, dann sanken sie wieder unter. Sie waren nicht fähig, ihren Vers zu Ende zu sagen. Der Bud­dha aber, der die Herzen im Herzen erkennen konnte, wuß­te, was sie sagen wollten:

1. Peta:    Sagt einer mir, wann's Ende nah?

Gar sechzigtausend Jahre voll,

ununterbrochen lange wird

gequält in dieser Hölle man. (802)

2. Peta:    Nah ist kein End! Ach, wär's zu End!

Es zeiget sich kein Ende an

für uns, die taten Böses einst,

für mich, für dich, für unser zwei. (803)

3. Peta:    Du, schlecht'stes Leben lebten wir,

da wir bereit zum Geben nicht.

Obwohl's genug zum Geben gab,

wir schafften uns kein Eiland draus. (804)

4. Peta:    So ich verlasse diesen Ort

und komm zum Menschenschoß empor,

ansprechbar, tugendhaft bewährt

viel Heilsames würd ich dann tun. (805)

Nachdem der König dies vernommen, erkannte er das Wesen der Leidenschaft, die ihn immer wieder in ihren Strudel zu reißen drohte. Er sah deutlich das Gesetz von Schuld und Sühne, Saat und Ernte. So gab er seine lüsternen Pläne ebenso auf wie die blutigen Tieropfer und wandte sein Herz dem Buddha zu. Der Ehemann der schönen Frau aber, der einer anschließenden Belehrung des Buddha ge­lauscht hatte, erlangte die Frucht des Stromeintritts, den der König nicht erlangte. In IV,1 wird nichts Näheres über das Schicksal des Ehemanns berichtet.

Bemerkungen:

Diese Geschichte wird noch an drei weiteren Stellen berichtet, einmal in der Einleitung zum 314. Jātaka, und in Kommentaren. Die drei Erzäh­lungen weichen nur geringfügig voneinander ab:

1. J 314:   Vierfaches Opfer; Königssöhne aus Sāvatthī, Reihenfolge der Töne: Du, Sa, Na, So

2. S 3,9:   Opfer von je 500 Wesen, Kaufleute aus Benares (ebenso im Kommentar zu Dh 60)

3. Pv IV,6: Hier wird von zwei Söhnen Pasenadis berichtet, die aus­schweifend lebten und Petas wurden.

Die Geschichte zeigt gut die Verkettung der Laster: Aus der Idee des Ehebruchs (Verstoß gegen das 3. Sīla) entsprang die Idee des Tötens des Ehemannes (1. Sīla) und dafür ein Gewebe aus Täuschung und Hinterlist (4. Sīla). Und aus Todesangst des Königs entstand wiederum die Idee des Tötens vieler Wesen.

König Pasenadi war ein Mensch mit sehr widerstreitenden Eigenschaften und wegen seiner auch vorhandenen dunklen Triebe konnte er den Stromeintritt nicht erlangen. Seine Lebensgeschichte: WISSEN UND WANDEL 1969, S. 336 ­ 359.

IV,16: Die 60.000 Hämmer

Vor langen Zeiten lebte in Benares ein Mann, der war wegen sei­nes schlechten Wirkens als Krüppel geboren. Das einzige, was er konnte, das war, mit einer Schleuder Scherben und Kiesel ge­schickt zu schleudern. Mit seinem Katapult schleuderte er Kie­sel in die Blätter eines Feigenbaums, und die Löcher hatten die verschiedensten Gestalten. Mit dieser Kunst verdiente er sich ein paar Groschen. Als er dem König einen Dienst erwie­sen hatte, indem er den geschwätzigen Hofpriester durch ge­schickte Würfe von Dünger mundtot gemacht hatte, schenkte der König ihm vierzehn Dörfer. Mit seinem so gewonnenen Reichtum machte er sich selber glücklich und alle seine Untergebenen. Er lebte im Reichtum, aber er vergaß nicht die nächste Welt. So unterstützte er alle Bittenden, die zu ihm kamen, spendete an Asketen und Brahmanen. Und die, die von ihm seine Kunst lernen wollten, denen gab er Nahrung und Lohn.

Eines Tages kam wieder ein Mann zu ihm, der seine Schleuder­kunst lernen wollte. Das tat er auch. Nachdem er genug gelernt hatte, zog er wieder fort. Jetzt wollte er seine neu gelernte Kunst auch praktisch erproben. Da sah er einen Mann am Ganges­ufer sitzen, und aus Übermut schoß er auf ihn. Der Kiesel war so durchschlagskräftig, daß er dem Mann den Kopf zersplitterte und dessen Tod herbeiführte. Der Tote aber war der Einzeler­wachte Sunetta. Als die Leute von dieser Untat hörten, kamen sie mit Erdklumpen und Stöcken herbei und schlugen ihn auf der Stelle tot. Er kam dann in die Erzhölle, wo er Tausende von Jahren Qual erlitt. Zur Zeit unseres Buddha wurde er als Folge des Restes jener Übeltat ein Gespenst bei Rājagaham, ein höllennaher Peta.

Am Morgen, am Mittag und am Abend wurde sein unmäßig großer Kopf von 60.000 Hämmern geschlagen. Dadurch wurde der Kopf in tausend Stücke zersplittert. Vor unerträglichem Schmerz fiel er zu Boden, aber im gleichen Augenblick war sein Kopf wieder da, und er konnte aufstehen.

Als Mahāmoggallāno eines Tages vom Geierkulm herabstieg, sah er den Peta und sprach ihn an:

Mahāmoggallāno: Warum wie ein Verrückter rennst

gleich einem Tiere du herum?

Du zweifellos hast bös gewirkt,

daß du nunmehr so stöhnen mußt. (806)

Peta:       Ich bin ein Peta ja, o Herr,

ging abwärts, kam in Yamas Welt.

Weil böses Wirken ich gewirkt,

gelangt ich in die Petawelt. (807)

Der Hämmer sechzigtausend sind's,

die schlagen mir auf meinen Kopf

mit aller Wucht und voller Kraft,

zersplittern mir den Schädel ganz. (808)

Mahāmoggallāno: Was hast du Böses denn getan

in Werken, Worten und im Geist,

für welches Wirken reift es dir,

daß solches Leiden du erlangt? (809)

Der Hämmer sechzigtausend sind's,

die schlagen dir auf deinen Kopf

mit aller Wucht und voller Kraft,

zersplittern dir den Schädel ganz. (810)

Peta:       Ich sah einst Buddha Sunetta,

der seine Sinn entfaltet hatt',

wie unter einem Baum er saß.

In Schauung, frei von jeder Furcht. (811)

Tonscherben schleudert ich auf ihn,

so daß der Schädel ihm zerbrach.

Für dieses Wirken reift es mir,

daß solches Leiden ich erlangt. (812)

Volle Sechzigtausend waren's,

die als Hämmer voller Kraft

sausten nieder dann auf mich,

spalteten mir gar das Haupt. (813)

Mahāmoggallāno: Durch das Gesetz ist's, Elender,

daß sechzigtausend Hämmer nun

dir schlagen wohl auf deinen Kopf

mit aller Wucht und aller Kraft

zersplittern dir den Schädel ganz. (814)

Bemerkungen:

Dieser letzte Bericht des Peta-vatthu wirft manche Fragen auf: Die Vor­geschichte vom kieselwerfenden Krüppel, den der König belohnt, ist im 107. Jātaka ausführlich erzählt. In der Einleitung zu diesem Jātaka aber wird berichtet, daß auch der Krüppel zur Zeit des Buddha wiederge­boren und ein Mönch wurde, der die Lust am Kieselwerfen noch nicht ver­loren hatte und einen Schwan tötete. Im Pv wird über das Schicksal des Krüppels nichts weiter gesagt. Wegen seiner guten Werke dürfte er zu­nächst in den Himmel gekommen sein. Und während der andere Tausende von Jahren in der Hölle schmorte, lebte er ebensolange in himmlischem Glück. Beide wurden dann aber zur Zeit des Buddha wiedergeboren, und beide hat­ten noch Folgen des Kieselwerfens zu tragen, der Mann noch das Leiden der Hämmer, der einstige Krüppel noch die Fähigkeit, die er dann zu Un­heilsamem verwendete. Nach J 107 tadelte der Buddha ihn dafür, und er dürfte von dieser Kunst nicht wieder schlechten Gebrauch gemacht haben. Überhaupt ist dieses für einen Mönch unziemlich.

Der Einzelerwachte Sunetta ("Schön-Auge") kommt noch zweimal vor, und zwar nur im Peta-vatthu: So wird ihm in III,2 und IV,7 seine Schale zer­brochen. Dafür kommt der Übeltäter in die Hölle, ebenso wie er hier in die Erzhölle kommt.

Karmisch muß der Einzelerwachte Sunetta früher sehr schlecht gewirkt ha­ben, daß ihn nicht weniger als drei solcher bösen Angriffe treffen. Kar­misch muß auch der Krüppel schlecht gewirkt haben, daß er als verkrüp­pelter Mensch wiedergeboren wurde.

Die Frage, wieso 60.000 Hämmer den Kopf treffen können, versucht der Kom­mentar dadurch zu beantworten, daß er sagt, der Kopf des Mannes sei groß wie ein Bergstock gewesen. In der astralen Dimension ist in der Tat vie­les möglich, was uns unmöglich scheint, z.B. daß Tausende von Wesen auf einer Nadelspitze Platz haben.

Nachwort

1. Das Petareich

Ebenso wie es innerhalb des Menschentums die größten Unter­schiede zwischen Glück und Unglück gibt - vom Slum-Bewohner bis zum Mahārāja -, so gibt es auch innerhalb des Gespenster­reichs eine außerordentlich große Variationsbreite von qual­vollstem Elend bis zu paradiesischem Wohl. Und so wie die Menschenklassen der Bedauernswerten oder der Beneidenswerten ausschließlich durch eigenes Wirken bestimmt sind, so sind auch die Gespensterklassen selber gewirkt und verdient.

In grober Einteilung grenzen die Gespenster einerseits an die Hölle und andererseits an den Himmel. Zwischen Dunkel und Licht, innerer und äußerer Finsternis bis zu innerer und äuße­rer Helle, spannt sich der weite Bogen der existentiellen Empfindungsmöglichkeiten. Ebenso wie bei den Menschen mei­stens Dunkel und Licht gemischt sind, so ist es auch bei den Petas: Die extremen Formen der Höllen- oder Himmelsnähe sind die Ausnahmen. Die breite Mitte zwischen Schwarz und Weiß aber ist das Grau.

In der dunkelsten und trübsten Jahreszeit unserer Breiten, im November, gedenkt die Katholische Kirche seit bald tausend Jahren am Allerseelentag der Armen Seelen im Fegefeuer und regt an zu Mitleid mit ihnen, zu Fürbitte und Seelenmessen. Es ist kein Zufall, daß auch das säkularisierte Denken der Moderne Totensonntag, Volkstrauertag und Bußtag auf den No­vember gelegt hat. Grau, fahl, trüb, wolkenverhangen, son­nenlos, kühl, öde - dieses Bild des Novembers ist ein passen­des Abbild der Stimmung und des Klimas der Gespensterwelt. Während in der Hölle nicht das geringste natürliche Himmels­licht leuchtet und künstliches Licht von peinigendem Feuer herrscht, während die Götterwelten dagegen völlig hell und sonnig im milden Licht eines Maitags glänzen, während die Menschenwelt den ewigen Wechsel zwischen Tag und Nacht, Son­ne und Dunkel hat, liegt die Gespensterwelt in fahler Dämme­rung und düsterem Grau. Zwischen stockdunkler Nacht und eitel Sonnenschein liegt die Dimension ewiger Bewölkung, die Region der Petas.

Was bei den alten Juden das Totenreich (Scheol), was in der griechischen Mythologie das Schattenreich (Hades), was bei den Germanen Nebelheim (Niflheim) war, und was das Christentum Fegefeuer oder Bereich der Armen Seelen nannte, das ist in Indien die Gespensterwelt (peta-loka).

Die Peta-Welt als Grauzone läßt sich vielleicht an einem Bei­spiel aus der Mitte unseres Jahrhunderts und Kontinents ver­deutlichen und in ihrer Vielfalt verständlicher machen, näm­lich an den Besatzungszonen nach 1945:

Die Gespensterhölle der höllennahen Petas ähnelt der russi­schen Zone mit ihrem systematischen Terror, mit den geplan­ten Vergewaltigungen am Anfang, den Verschleppungen nach Osten, der Vernichtung durch Arbeit, dem Spitzelsystem und der Unter­drückung jedes selbständigen Gedankens. Das Grau in Grau die­ser mürrischen Öde war durch ständige Furcht vor der Willkür der Machthaber gekennzeichnet.

Die normale Mitte der Gespensterwelt ähnelt den Westzonen, wo es keine Folterungen und keinen Terror gab, dafür aber wie im Osten denselben Mangel an Lebensmitteln, verbunden mit et­was Demokratie und mit blühendem Schwarzmarkt.

Der Gespensterhimmel ist vergleichbar der neutralen Schweiz, die Freiheit und Wohlstand besaß und nur durch gewisse Ratio­nierung einen Reflex des mitteleuropäischen Mangels erlebte.

Kurz: Ostzone = Hunger plus Terror; Westzonen = Hunger ohne Terror; Schweiz = weder Hunger noch Terror. Ebenso weit, wie hier die Unterschiede im Wohlbefinden waren, ebenso weit sind sie in der Petawelt mit ihren drei Klassen oder Zonen.

2. Normalgespenster

Bei den durchschnittlichen Gespenstern gibt es drei Gruppen, wie in Mil 294 begrifflich unterschieden:

1.   Die normalsten Normalen sind die, die in erster Linie Hunger und Durst leiden. Sie können nicht einmal Aus­wurf verzehren, bleiben absolut ungesättigt. Das wich­tigste Lebensbedürfnis bleibt unbefriedigt, aber ohne daß sie verhungern oder verdursten können, ja auch ohne Möglichkeit des Selbstmords. Sie sind dazu verurteilt, beständig und unveränderlich diesen Nahrungsmangel zu erleiden. Sie suchen nach Nahrung, aber sie finden keine, oder wenn sie welche finden, dann verweigert sie sich ih­nen und weicht zurück wie bei Tantalos. Sie werden als solche wie folgt erblickt und von Menschen angeredet:

"Nackt bist du, unschön anzusehn,

bist abgezehrt, die Adern frei,

o du, von der man Rippen sieht,

du Magre, sag, wer bist du wohl?"

(Pv 26, 35, 95/116, 134, 156, 237, 463, 782 mit kleinen Varianten)

Weil sie keine Nahrung bekommen, sind sie abgezehrt, ma­ger, mit herausstehenden Rippen, freien Adern, also häß­lich. Und dieses "Gerippe mit Haut" ist auch nicht von Kleidung bedeckt, sondern nackt. So ist die Unschönheit dieses Elends offenbar. Sie sind ein wandelndes Symbol des Mangels, des Verweigerns, der Rücksichtslosigkeit. "Hungergespenster" werden sie mit Recht genannt, oder "Arme Seelen". Nichts gehört ihnen, von dem sie sich er­nähren können. Nicht einmal ein Kleid gehört ihnen. Sie sind ärmer als eine Kirchenmaus. Trotzdem sind sie gegen­über den höllennahen Petas in großem Vorteil, denn sie werden nicht auch noch zusätzlich verfolgt oder gejagt.

2.   Abfallfresser sind solche Petas, die sich immerhin von Abfall ernähren können. Das ist relativ zum "ewigen" Man­gel immer noch etwas besser, auch wenn es die ekligsten Dinge sind. Da ernähren sie sich von Kot (III,4 u. IV,8, S 19,11 - 12), von Kot, Urin und Blut (I,9), von Kotze, Rotz, Blut der Menstruation oder Blut Hingerichteter oder von Ölresten (II,2), also von "Derelinquiertem", von etwas, das aufgegeben ist, was herrenlos ist. Oder Petas schlagen sich untereinander blutig und trinken dann Blut und Eiter (I,11). Oder als Gegenteil zu Unge­liebtem wird gerade Geliebtes (eigene Kinder} verzehrt (I, 6 - 7), ja Fleisch vom eigenen Rücken (III, 4 u. 9), was schon höllennah ist. So bizarr uns diese Fälle er­scheinen mögen, im Dreißigjährigen Krieg hat es bei uns auf Erden sehr Ähnliches gegeben, als der Hunger die Menschen trieb.

3.   Dann gibt es aber auch normale Gespenster, die das Privi­leg haben, zeitweise gesättigt zu werden, wenn Verwandte ihnen etwas widmen. Das setzt Verdienst voraus als Mög­lichkeit, und zweitens setzt es weiter voraus, daß Ver­wandte auf Erden vorhanden sind und an die Petas denken und ihnen etwas widmen, was nur möglich ist, wenn sie dar­an glauben. Näheres bei Verdienst.

3. Höllennahe Gespenster

Die erste Gruppe unterscheidet sich von den normalen Hunger­gespenstern nur dadurch, daß außerdem noch Zusatzleiden vor­handen sind:

Einer hat ein häßliches Schweinemaul (I,2), oder der Mund stinkt und wird von Würmern zerfressen (I,3; III,10), oder eine Petī stinkt und wird von Fliegen belästigt (I,6). Einer hat krumme Finger, einen verzogenen Mund und Triefaugen (II,9).

Noch näher an die Hölle kommen die, denen Kleider, die sie berühren, zu glühendem Kupfer werden (I,9) oder deren Füße von Schneidegras aufgerissen werden (III,2).

Die zweite Gruppe wird direkt gefoltert und schmerzhaft ge­peinigt: Da mißhandeln Petas sich gegenseitig mit Hämmern den Körper (I,11), oder Hämmer zerschlagen ihnen den Kopf (III,4 u. IV,16), auf dem Kopf brennt Stroh (III,4), Schwer­ter sausen herab, und Ätzlauge betropft sie (III,10). Petas werden in einem Graben zerquetscht (IV,6). Am höllischsten sind die Petas, die eben den Kopf über einen Glühkessel der Hölle erheben und klagen (IV,15).

Die dritte Gruppe sind in S 19 genannte Fälle, bei denen die Petas Flüchtlinge sind, die durch die Luft gejagt werden. Während die götternahen Petas daran leiden, daß sie an einen Ort gebannt sind, leiden die höllengleichen Petas daran, daß sie nirgend verweilen können und immer verfolgt, aufgescheucht und gejagt werden, meist durch Raubvögel oder durch scharfe Waffen oder einfach durch Feuer.

Die Übergänge sind überall fließend, auch die Übergänge von höllennaher Petawelt zur Hölle. Der Unterschied zeigt sich daran, daß in der Hölle ausschließlich und pausenlos Leiden ist, während die Petas manchmal dem Leid entfliehen können und manchmal eine Pause eintritt und vor allem ihnen Verdienst gewidmet werden kann, was für Höllenwesen nicht möglich ist. Insofern ist der dürre Baum, der etwas Schatten gibt, relativ doch besser als die glühende Kohlengrube, die dauernd Leiden bedeutet. So wird in M 12 Petawelt und Hölle klar unterschie­den.

4. Teilzeit-Gespenster

Es gibt eine Art von Petas, die in gemischten Verhältnissen und mit gemischten Gefühlen leben. Zeitweise haben sie das­selbe Wohl wie die erdnahen Götter und überragen insofern die Petawelt völlig; zeitweise aber werden sie wie höllenna­he Gespenster gepeinigt und sinken unterhalb des Niveaus der durchschnittlichen Petas. Schneidet man aber diese Ober- und Unterlängen ab, dann bleibt als Plus-Minus-Null ein normales Gespensterdasein übrig. Was sie an zusätzlichem Wohl erleben, das müssen sie genau mit zusätzlichem Leiden erkaufen. Und der Grund für diese Phasenverschiebung ist, daß sie als Men­schen ebenfalls zeitweise recht gut und zeitweise recht schlecht wirkten. Als Lohn des guten Wirkens sind sie Teil­zeitbeschäftigte im Paradies, als Ernte des schlechten Wir­kens leiden sie in der übrigen Zeit Mangel.

Meist verteilen sich Glück und Leid auf Tag und Nacht. Eine Petī lebt tags im Glück und wird nachts vom Höllenhund ge­fressen, weil sie nachts Ehebruch betrieb und es abstritt (II,12). Häufiger ist der umgekehrte Fall: Ein Peta lebt nachts im Glück und wird tags auf einem Leichenfeld von Hun­den angefallen, weil er am Tage der Jagdleidenschaft frönte, sich aber nachts davon zurückhielt (III,8). Ein Jäger von Beruf enthielt sich nachts und jagte nur tags. Er wird am Tage von Hunden gejagt, nachts aber kann er frei lustwandeln (III,7). Ein bestechlicher Richter, der aber einmal einen halben Feiertag eingehalten hatte, erlebte nachts strahlen­des Glück, tags riß er sich sein eigenes Fleisch vom Rücken und fraß es (J 511 = Pv III,9).

Eine andere Verteilung findet sich in J 41 und 439. Dort wird von 4, 8, 16, 32 Petīs berichtet, die jeweils auf einer Insel leben. Sieben Tage leben sie im Glück, dann aber erfolgt der Schichtwechsel, und sie müssen sich entfernen, um sieben Tage Leid zu erleben, das aber nicht näher beschrieben wird. Auch fehlt jede Angabe, wofür sie diese Art von Doppelexistenz erlebten (J 41 = J 439).

5. Glückliche Gespenster

Abgesehen von den Teilzeitgespenstern, die nur zum Teil glück­lich leben, es aber mit Leiden zu anderer Zeit erkaufen müs­sen, kommen im Peta-vatthu acht Fälle rein glücklicher Gespen­ster vor, die ein götternahes Dasein genießen. Sie heißen vemānika-peta, d.h. Gespenster, die eine Art Schloß oder An­wesen besitzen (Näheres über Vimāna im Vimāna-vatthu), und sind von unserem Begriff "Gespenster" überhaupt nicht mehr ge­deckt. Sie sind auf den ersten Blick überhaupt nicht von den nächsthöheren Göttern der Vier Großkönige zu unterscheiden.

Bei näherem Zusehen zeigt sich aber, wieso sie unterhalb der Götter, ja sogar glücklicher Menschen stehen:

1.   Götter und Menschen können geistigen Austausch pflegen und sich läutern. Sie können im Verbund nach Höherem streben, können sich von guten Freunden beeinflussen las­sen. So gibt es im Menschentum religiöse Orden, und selbst bei niederen Göttern gibt es Ariyas. All das fehlt bei den Glücks-Petas. Kein Ariya kann Peta werden, und kein Peta kann als Peta Ariya werden.

2.   Götter und Menschen leben überhaupt in Gemeinschaft, im Verbund einer ihnen sinnvoll erscheinenden Tätigkeit, und sei es Hobby oder Spiel. So erleben sie im Austausch mit dem Du Anerkennung und Beachtung, spielen eine Rolle. Die Glücks-Petas aber sind vereinsamt, genießen sozusagen ein Paradies in Einzelhaft und sehen nicht einmal andere. Bestenfalls leben sie mit Untergebenen (Dienerinnen) zusam­men (PV II,12), also nicht auf gleicher Ebene.

3.   Götter und Menschen leben in geschlechtlicher Dualität, sie erleben die Ergänzung durch das andere Geschlecht. Gerade das aber fehlt jenen Petas in ihrem goldenen Käfig. Sie verzehren sich nach einem Partner vor Sehnsucht. Das könnte mit den "durstverzehrten Petas" (Mil p. 294) ge­meint sein. Wenn sie sich ein besonderes Verdienst erwirkt haben, können sie sich zeitweise einen menschlichen Part­ner in ihr Vimāna holen, sind aber später um so einsamer und trauern dem nach.

4.   Götter und Menschen können reisen, sind nicht an einen Ort festgebunden. Die Götter können sogar in andere Da­seinsbereiche gehen, zu Menschen, zu Petas, zu Höllenwe­sen, zu Göttern eine Stufe über ihnen. Die glücklichen Ge­spenster haben nun zwar ebenso das Abwechslungsbedürfnis wie Götter und Menschen, aber sie können es nicht erfüllen. Sie sind z.B. auf eine Insel gebannt (IV,11) oder an einen See (I,10, III,3 u. 12) oder in eine Einöde (IV,3). Die Götter dagegen können ihr Vimana wie ein Raumschiff be­wegen.

Kurzum: All der Glitterglanz eines Vemanika-Peta ist doch nur, im Gleichnis von M 12 gesprochen, spärlicher Schatten, voller Mängel, Göttern und normalen Menschen unterlegen. Manchmal sind diese "glücklichen" Petas sogar auch nackt. (I,10 u. IV,1)

6. Sonstige Arten

Eine ganze Reihe von Wesenheiten aus dem Bereich der Gespen­sterwelt kommt im Peta-vatthu nicht vor. Diese Fehlliste ist hier nun noch zu erörtern:

1.   Manussa-peta (Menschengespenst): Dieser Ausdruck kommt nur in den Jātakas vor (J 41, 321 E, 516 p. 68), und zwar stets für einen schlechten Mönch, der schon auf Erden gespenstisch herumirrt, dann krank wird und zur Hölle kommt. Der Name scheint zu bedeuten: "Elend wie ein Ge­spenst" oder "Ein Gespenst in Menschengestalt".

2.   peta-rāja (Gespensterkönig): Er heißt in Indien Yama und vereinigt in sich die Funktionen eines Herrschers über das Schattenreich (gr. Hades, lat. Pluto) und eines Totenrich­ters (gr. drei Söhne des Zeus: Minos, Rhadamantys, Aeakos). Yama wird treffend als Vemānika-peta-rāja bezeichnet (MA II p. 953): Er existiert als göttergleicher Peta, und sein Leiden besteht vor allem darin, daß er verurteilt ist, im­mer nur zu richten. Seine Sehnsucht aber geht dahin, ein­mal auf Erden ein Jünger des Buddha zu werden (M 130). Im Peta-vatthu wird nun sehr oft von Yamas Reich (Yama-loka, Yama-visaya; in J: Yama-sādana) gesprochen oder von Yamas Dienern (Yama-purisa; Vv: Yamassa dūta), aber niemals taucht er selber auf. Das Buch über die Petawelt sagt al­so nichts über den "Richter der Schatten" aus. Ebensowenig kommt er in S 19 vor. Warum er fehlt, bleibt eine offene Frage.

3.   Vierergruppe: In Mil p. 294 werden vier Arten Petas ge­nannt:

a) Vant'āsikā: Auswurfesser. Sie verzehren Abfall, wie Kot (III,4 u. 8) oder Blut und anderes (I,9 u. 11, II,2) .

b) Khup'pipāsano: Hunger-Dürstende. Sie bekommen überhaupt nichts zu essen, nicht einmal Abfall. Der Name kommt in Vers 763 vor.

c) Nijjhāma-tanhikā: Durstverzehrte. Im Gegensatz zum Trinkdurst (pipāsa) könnte hier der Lebensdurst (tanhā) gemeint sein, den auch die göttergleichen Petas noch haben.

d) Para-datt'upajīvino: Von Gaben anderer Lebende, wie in A V/39 u. 41 u. X/177 erwähnt. Entweder sind diese Petas als solche geboren, oder sie sind solche unter a/b, die nach Ablauf ihrer Mangelzeit Spenden von Men­schen genießen können (s. unter Verdienst).

Obwohl diese Vierergruppe als solche im Pv nicht vorkommt, sind die einzelnen Arten doch existent.

4.   Zwischenweltler (lok'antarikā sattā), von denen es bei der Geburt eines Buddha heißt:

"Selbst in den Zwischenwelten, den schrecklichen, abgründigen, in Nacht und Finsternis gehüllten, wo gar die Strahlen der Sonne und des Mondes, der so mächtigen, so gewaltigen, nicht hindringen, auch da erscheint ein unermeßliches, gewaltiges Licht, das selbst die Leuchtkraft der Götter übertrifft. Und die Wesen, die dort geboren wurden, nehmen in jenem Lichte einander wahr und rufen aus: '0, auch noch andere Wesen gibt es, die hier geboren wurden!'" (M 123 = D 14 = A IV/127; kürzer S 56,46)

In der Scholastik werden diese Bereiche zur Hölle gezählt, jedoch fehlt jeder Hinweis auf eine Qual. Es dürften eher Petas in Dunkelhaft sein.

5.   Nadelmund: Im Tibetischen Lebensrad werden die Petas als solche beschrieben, die einen nadeldünnen Mund und eine nadeldünne Speiseröhre haben, so daß sie fast nichts ge­nießen können. Diese Beschreibung kommt erst im nachklas­sischen Avadāna-śataka V vor und dürfte mehr symbolisch für die Hungergespenster stehen.

6.   Besessenheit. In esoterischer Literatur, besonders bei Wickland (Dreißig Jahre unter den Toten, Remagen 1957) wird geschildert, wie gelangweilte und herumirrende Ge­spenster in die Aura von Menschen eindringen und sie be­setzen und dadurch zu "Verrückten" stempeln. Sehr viele Geisteskranke dürften derart Besessene sein. Im Peta-vat­thu kommt dergleichen aber nicht vor, auch nicht in S 19. Dagegen wird im Kanon oft geschildert, wie Māro Menschen besetzt oder gar Brahmas oder Ariyas. Oder es heißt, daß Schreckgespenster (pisāca) Menschen besetzen und Od sau­gen (MV III,9). Überhaupt scheint das Dämonische zu Māro, den Asuras und pisācas zu gehören, nicht zu den Petas, die doch ohnmächtig sind. Wie dieser Widerspruch zu lösen ist, mag offen bleiben. Jedenfalls kommen auch Schreckge­spenster, Poltergeister und Kobolde in Pv und S 19 nicht vor, sondern gehören zu den pisāca, von denen wiederum das Verhältnis zu Petas unklar ist.

7. Lakkhana-Samyutta

S 19, 1 - 21 = Pj IV,9 1 - 3

Es ist sinnvoll, daß im Pv die Peta-Schilderungen aus S 19 nicht noch einmal wiederholt werden. Bei der Beschreibung der Petas sind sie aber unerläßlich. Der Inhalt ist:

Moggallāno ging mit seinem Ordensbruder Lakkhano vom Geier­kulm nach Rājagaham um Almosen. Beim Abstieg zeigte Moggal­lāno ein Lächeln. Lakkhano fragte nach dem Grund. Jener er­widerte, er möge ihm diese Frage vor dem Buddha stellen, zu dem sie anschließend gingen. Dort antwortete Moggallāno, er habe 21 verschiedene Petas leiden sehen. Der Buddha erklärt dann jedesmal, aus welchem Grund die Petas noch leiden, nach­dem sie zunächst in der Hölle gelitten hatten. Nyānaponika übersetzt nur die Nr. 1 und sagt:

"Die folgenden Sutten 2 - 16 enthalten, genau im Aufbau des vorhergehen­den Textes andere, dem Ehrwürdigen Mahā-Moggallāna zugeschriebene Visio­nen, die jedoch meist so grotesk und abstoßend sind, daß auf ihre Wieder­gabe verzichtet wurde."

Den Berichten, außer Nr. 11 u. 12, ist gemeinsam, daß die Petas durch die Luft fliegen und ihrem Leiden zu entfliehen suchen (vergeblich). Sie geben, außer Nr. 11 u. 12, Schmer­zensschreie von sich, sind höllennahe Petas. Vier Arten von Leidenssituationen werden geschildert:

1.   Weitaus die meisten Petas werden von Raubvögeln (Geiern, Krähen, Adler) gejagt, die sie anfallen, picken, zerren und auseinanderreißen. Außer diesem gemeinsamen und all­gemeinen Leiden haben sie noch spezielle Leiden zu er­dulden, die zu ihrem bösen Wirken passen:

Mord und Totschlag ist in sechs Fällen die Ursache für die Wiedergeburt als Peta: Als Gerippe erscheint ein Kuh­schlachter (1) oder als Fleischklumpen (2). Als Fleisch­berg erscheint ein Vogelsteller (3). Mit abgezogener Haut fliegt ein Mann, der Schafen das Fell über die Ohren zog (4). Ein "Räubertöter" (Scharfrichter), der als Beamter den Delinquenten den Kopf abschlug, erscheint kopflos, mit Augen und Mund auf der Brust (16). Eine Königin, die aus Neid eine Mitfrau mit einem Topf glühender Kohlen versengte, erscheint als ausgedörrtes rußiges Gespenst (15). In einem Fall ist eine Ehebrecherin hautlos (13). Eine betrügerische Wahrsagerin ist gelblich und übelrie­chend (14). Ein bestechlicher Richter trägt seine Hoden auf der Schulter (10).

2.   Nicht von Wesen, sondern von haarfeinen Waffen gejagt und gepeinigt werden die Petas in fünf Fällen: Schwerter verfolgen einen Schweineschlachter, Messer einen Jäger, Pfeile einen Blutrichter, Nadeln einen grausamen Tier­bändiger (5 - 8). Ein Denunziant (Informant) erlebt, daß die Nadeln ihm in den Kopf eindringen, dann in Mund, Brust, Bauch, Fuß, also durch und durch, so gründlich, wie er Übles anderer anzeigte (9).

3.   Von Feuer gepeinigt werden böse Ordensangehörige, ihnen brennt die Robe, die Schale, der Körper, nämlich Mönch, Nonne, Übende, Novize, Novizin (17 - 21).

4.   Die letzte Gruppe ist die einzige, die nicht durch die Luft fliegt und keine Schmerzensschreie ausstößt, und zwar weil sie anders, sprachlos, leiden: Ein Mann, der die Ehefrauen anderer verführte, steckt kopfüber in einer Jauchegrube, daher stumm (11). Ein Brahmane, der den Orden verhöhnte, indem er Kot in die Almosenschale füllte, muß mit beiden Händen in Kot wühlen und ihn es­sen, weshalb sein Mund voll ist (12).

Die meisten Fälle sind solche des Tötens (1 - 8, 15 - 16). Ausschweifung (11, 13) dürfte auch bei den Ordensmitgliedern der Grund sein (17 - 21). Redeweisen sind: Hintertragen (9), Lügen (10, 14) und die Verhöhnung beim Kotgeben (12).

Der Grund, warum diese Wesen zunächst lange in die Hölle ka­men, dürfte in der Intensität ihres üblen Wirkens liegen, denn die Untugend war bei ihnen meist ihr Beruf. Sie voll­führten böse Taten oder Worte nicht nur einmal oder gelegent­lich, sondern ununterbrochen und lebten auch noch davon in den meisten Fällen. Nur die Fälle 12 (Kot geben) und 15 (Glüh­kohlen) dürften Einzelfälle sein, die aber so übel waren, daß sie ein entsprechendes Gewicht hatten. Die "schlechten" Or­densangehörigen frevelten im Gewand der Reinen, und das hat niederziehendes Gewicht.

In den Vinaya sind diese 21 Berichte deshalb aufgenommen, weil dort mißtrauische Mönche argwöhnten, daß Moggallāno behauptet hätte, dergleichen gesehen zu haben. Der Buddha aber bestätigt, daß Moggallāno wirklich diese Erscheinungen des Jenseits ge­sehen habe.

8. Die Kulisse der Petawelt

Im Erdenleben erscheint nur die anorganische Materie (insb. die Mineralwelt) "tot". Pflanzen dagegen hält man für "leben­dig", obwohl sie in Wirklichkeit - als Verdienstfrüchte - nur astral gesteuerte Außenposten von Naturgeistern sind. Vor al­lem aber glaubt der Mensch, daß alles objektiv, an sich, be­stehe, daß es Eigensubstanz hätte und unabhängig vom Betrach­ter existiere.

In allen Astralwelten, d.h. der Normalwelt, der gegenüber die Welt der Menschen und Tiere auf Erden nur ein winziger Sonderfall ist, ist die geistig bedingte Weise der Existenz viel offenbarer. Nicht nur die "Materie" ist eine geistig gewirkte Kulisse oder Attrappe, ist Ernte der Saat, sondern auch Pflanzen und Tiere sind bloße Requisiten, Ausstattungs­gegenstände der jeweiligen Erlebnisebene. In der Astralwelt gibt es keine Elfen, die die dortigen Pflanzen lenken, und es gibt keine Seelen, die dort als Tiere wiedergeboren wer­den. Vielmehr wird alles in der Umwelt der Astralwesen al­lein vom Verdienst bzw. Mangel an Verdienst gelenkt und be­stimmt.

Das Gras, das die Füße schneidend verletzt (III,2), der Blu­menschmuck (III,1) oder der Wald von Zuckerrohr (IV,5) oder die Lilien, Lotusse und Obstbäume eines Vimāna (II,12, IV,12) sind bloße Requisiten, karmisches Zubehör, sozusagen "Mobiliar", ebenso wie bei den Göttern der Korallenbaum usw. Für die nor­malen Petas gibt es überhaupt keine Pflanzen, besonders nicht als Nahrung. Sie leben in kahler Öde, wie in einer Steinwüste oder Geröllhalde.

Die Würmer, die da wimmeln (I,3, III,4 u. 10), die Fliegen (I,6), die wilden Höllenhunde (II,12, III,7 - 8), die Reit­tiere (I,11) oder die Paradiesvögel, Enten, Schwäne, Reiher eines Vimāna (II,12) oder dessen Bienen (IV,12), oder was sonst noch an "Tieren" die Petawelt bevölkert, sind wirklich, sind wirklich gewirkt, ausgesponnen, projiziert, eben Requisi­ten.

Nur die Mitwesen, die Mitgespenster, haben eine Seele, besit­zen ein Seelenleben, haben Gefühle und sind treffbar. Wie es sich dagegen mit den zweimal fünf oder zweimal sieben Kindern verhält, die die Petī täglich gebiert und auffrißt (I,6 - 7), mag dahingestellt bleiben.

Auch die anorganische Natur ist bloßes Symbol, Spiegel des Herzens, ohne Hülle und Verkleidung. Das Wasser eines Flusses weicht zurück, wenn Petas es trinken wollen, oder es wird zu Blut (III,6, IV,10, II,10), Schatten wird heiß bei Annäherung (III,6, IV,10). Es ist wie bei Tantalos: die Dinge verwei­gern sich.

9. Lebensende der Petas

Wenn ein Peta "stirbt" - manchmal erst nach Jahrhunderten -, dann ist das überhaupt nicht mit unseren Vorstellungen von Tod vergleichbar. Der Tod eines Wesens mit grobem Fleisch­leib (Menschen und Tiere) ist dessen Vernichtung und Verwe­sung. Die Petas haben aber keinen Fleischleib, der derart ablegbar ist. Die Petas haben einen Astralleib, und der ist nicht vernichtbar, sondern nur etwas wandelbar. Der Tod der Petas ist im Wesentlichen nur eine Veränderung der Umwelt, ein Kulissenwechsel.

Ein Peta kann erstens in die Tiefe sinken, wo er sich verdun­kelt, wo das Leiden noch zunimmt und der Leib noch mehr ge­quält wird. Das nennt man dann "Wiedergeburt" in der Hölle. Manche Petas wissen voraus, daß sie in einigen Wochen oder Monaten in die Hölle abstürzen werden, als Folge irdischer Übeltaten. Derselbe Astralleib geht dann übergangslos in ei­ne "andere" Welt, d.h. in eine beschwerlichere Umwelt, so wie ein Mensch in ein Zuchthaus oder eine Folterkammer geworfen wird.

Ein Peta kann zweitens zu göttlichem Dasein aufsteigen. Er fühlt sich dann wie neugeboren. Derselbe Astralleib ist dann nicht mehr nackt, häßlich, hungrig/durstig, sondern ist schön, bekleidet und gesättigt. Und die Umwelt ist licht und hell und wohltuend, und er trifft dort göttliche Gestalten. Das geschieht am "selben" Ort. Das Leidige an Ich und Welt ver­schwindet, und alles ist angenehm. So ist es in den vielen Fällen, in denen ein Peta durch Verdienstübertragung von al­len seinen Leiden erlöst wird und ein Vimāna bekommt.

Das gleiche Prinzip gilt drittens auch bei "Wiedergeburt" innerhalb der Gespensterwelt. So wie auf Erden derselbe Mensch in eine Traumvilla oder in Konzentrationslager kom­men kann, so kommt ein normal leidender Peta in seiner näch­sten Peta-Existenz entweder in höllennähere oder himmels­nähere Dimensionen.

Ein entscheidender Unterschied zu den bisher genannten Mög­lichkeiten der Wiedergeburt besteht aber dann, wenn ein Peta Mensch oder Tier wird. Dann wird der Astralleib unsichtbar und mit dem Fleischleib umkleidet; der in der embryonalen Entwicklung aufgebaut wird. Der Astralleib des Peta "stirbt" nur insofern, als er dem Bewußtsein unsichtbar wird. Damit entschwindet aber auch die Erinnerung: Der Peta vergißt sein Peta-Dasein, er scheint ganz neu zu beginnen. Abschneiden der Leibes-Kontinuität und Abschneiden des Erinnerungsvermögens, das sind die Merkmale beim Tod eines Peta, der auf Erden in­karniert.

Im umgekehrten Fall - wenn ein Mensch Peta wird -, bleibt da­gegen die Erinnerung erhalten, während der Fleischleib zer­fällt. Auch wenn ein Höllenwesen zur Gespensterwelt aufsteigt, scheint die Erinnerung bestehen zu bleiben (I,2, 3, 5, IV,7, 15, 16).

10. Was führt zur Peta-Welt?

"Nur wenige der Menschen sind es, die, wenn sie als Menschen abscheiden, unter Menschen wiedergeboren werden; viel mehr aber sind es der Menschen, die, wenn sie als Menschen abscheiden, in der Hölle, im tierischen Schoß, in der Gespensterwelt wiedergeboren werden." (S 56, 102 - 104)

Das bedeutet ganz klar: Die meisten Menschen gehen nach dem Tode abwärts in die drei niederen Bereiche. Da aber eine Wie­dergeburt unter Tieren und in der Hölle besonders tierische oder teuflische Eigenschaften voraussetzt, die nicht so häufig vorkommen, so ergibt sich, daß unter der Mehrheit der Men­schen, die abwärts gehen, wiederum die Mehrheit auf die Ge­spensterwelt zuschreitet. Was schon vor 2.500 Jahren vom Bud­dha gesagt wurde, das gilt heute noch mehr, da die Moral der Menschen seitdem erheblich abgenommen hat. Über diese weitaus häufigste Art der Wiedergeburt der Menschen sagt nun der Buddha:

"Ich durchschau und erkenne Herz und Gemüt eines Menschen also: 'Der­art handelt dieser Mensch, darauf arbeitet er hin, einen solchen Weg hat er genommen, daß er bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, ins Gespensterreich geraten wird'; und ich seh ihn dann später mit dem himmlischen Auge, dem geläuterten, über menschliche Grenzen hinausrei­chenden, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, ins Gespenster­reich geraten, von manchem Schmerzgefühle erfüllt. Gleichwie etwa, wenn da auf schlechtem Erdreich ein Baum gewachsen wäre, mit verkümmertem Laube, spärlichem Grün, gesprenkeltem Schatten; und es käme einer her­an, vom Sonnenbrande gebraten, vom Sonnenbrande verzehrt, erschöpft, zitternd, dürstend, und schritte geraden Weges auf eben diesen Baum zu; den habe ein scharfsehender Mann erblickt und spräche nun: 'Derart han­delt jener liebe Mann, darauf arbeitet er hin, einen solchen Weg hat er genommen, daß er gerade zu diesem Baum gelangen wird.'; und er sähe ihn dann später im Schatten dieses Baumes sitzen oder liegen, von manchem Schmerzgefühle erfüllt." (M 12)

Das schlechte Erdreich, das ist das dürftige Wirken der mei­sten Menschen. Das durchschnittliche Wirken der Menschen ist dürftig und armselig an Gutem, und die Gespensterwelt ist der Bereich dieses Durchschnitts. Sie ist ein Spiegel der durchschnittlichen Sünden, der Tatsünden, und nicht zu ver­gessen: der Unterlassungssünden. Das heißt, die Gespenster­welt ist ein Spiegelbild des durchschnittlichen Seelenzustan­des der Menschen, aus welchem das durchschnittliche Wirken mit durchschnittlichen Sünden erfolgt.

Was aber ist solche Durchschnittlichkeit beim Menschen? Sie sehen sich hell und im Mittelpunkt und nehmen sich ungeheuer wichtig. Alle anderen aber nehmen sie nur blaß und am Rande wahr. Dementsprechend behandeln sie den Nächsten: Sie setzen sich leicht über ihn hinweg, lassen ihn zu kurz kommen, be­handeln ihn wie eine gefühllose Sache, wie eine Nummer, wie "Menschenmaterial", ganz zu schweigen von der Rücksichtslosig­keit gegenüber Tieren.

Weil der normale Mensch innerlich leer und dunkel ist, d.h. voller Triebe, die Hunger leiden und auf Futter aus sind, des­halb fühlt er sich unwohl in der eigenen Haut. Er hat inner­lich keine Heimat, keinen Frieden, kein Wohl, keine Geborgen­heit. Darum sucht er von außen Ablenkung und will heranreißen, was ihn lockt und wegstoßen, was ihn dabei stört. Jeder ande­re ist ihm dabei im Wege. Und so behandelt er die anderen, verdunkelt ihr Leben, entreißt und verweigert, streitet und rauft.

Die tiefere Ursache für diese Haltung aber ist der Glaube, daß man nur einmal lebe, daß im Tode alles aus sei. Wer so denkt, der muß notwendigerweise in diesem einen Leben so viele Genüsse wie möglich herausquetschen und so viel Lei­den wie möglich vermeiden. Dieser verkürzte und verengte Blick, der die Fülle der Existenz vergessen hat, ist die herrschende Weltanschauung der meisten Menschen. Es ist die Materiegläubigkeit, der Aberglaube, daß alles Geistig-See­lische vom Körper abhänge und daher mit dem Tode des Körpers vernichtet werde. Aus diesem Materialismus folgt der Egois­mus des Ellbogen-Menschen, der sich durchboxt nach dem Motto: "Jeder ist sich selbst der Nächste; Gutheit ist Dummheit; wer hat, der hat" usw. Dieser Egoismus will festhalten, was er hat: den eigenen Körper, andere Körper, vor allem Besitz. Er will nichts abgeben, nichts teilen, gönnt keinem etwas vom Seinigen. Und er mißgönnt anderen, was sie haben, nei­det es ihnen und sucht es ihnen zu entreißen.

Dementsprechend ist das normale Wirken, das zur normalen Ge­spensterwelt führt, der aus dem Materieglauben folgende Geiz, das Verweigern und andere am Geben Hindern. Das stellte sich damals in Indien als Religionsverachtung in der Form der Miß­achtung von Asketen und Mönchen dar, denen man keinen Unter­halt gab und auf deren Tugendlehren man vor allem nicht hör­te. Weil man nicht an die Fortexistenz und das Karmagesetz glaubte, deshalb hielt man es nicht für wert, ihnen zuzuhören. Und weil man sie nicht für hörenswert hielt, deshalb unter­stützte man sie nicht. Und wo jemand Asketen unterstützte, da tadelte man ihn und versuchte, ihn davon abzuhalten.

So ist die häufigste Ursache der Wiedergeburt in der Gespen­sterwelt diese materialistische, religionsfeindliche Grund­haltung, die oft mit Scheltworten verbunden ist, aber nicht sein muß. Besonders wird immer wieder betont, daß diejenigen, die Reichtum in Hülle und Fülle hatten (aus früherem Ver­dienst, aus früherem Geben), völlig dessen Herkunft vergaßen und ihn jetzt festhielten, eifersüchtig darüber wachten und geizig nichts davon abgaben. In nicht weniger als 16 von 40 Berichten des Peta-vatthu wird diese materialistische Grund­haltung des Verweigerns als Ursache der Wiedergeburt bei den Petas genannt (I,1, 9, 11; II,1 - 3, 7 - 10; III,1, 5, 6; IV,3, 6, 10). Diese unwissenden Menschen zehrten ihr Ver­dienst völlig auf und wirkten kaum etwas Neues an Gutem. Von dem Wenigen und Armseligen, was sie gelegentlich an Rücksicht und Zurückhaltung, an Verständnis und Freundlich­keit aufbrachten, ernten sie das dürftige Erdreich, welches ihren Lebensbaum in der durchschnittlichen Gespensterwelt ernährt. Weil sie nichts gegeben haben, wird ihnen nichts gegeben, sie leiden Mangel.

Außer dieser grundsätzlichen Unterlassungssünde des Nicht­gebens, des Geizes und Verweigerns, gibt es keine spezielle Untugend, die immer und ausnahmslos zur Petawelt führen wür­de. Alle nur möglichen Untaten und Untugenden können je nach ihrer Schwere und im Verhältnis zur Anschauung und Gesinnung des Täters zur Tierheit, zur Hölle oder zur Petawelt oder gar zu leidigem Menschentum führen.

11. Das schlechte Wirken (Untugend) im einzelnen

I.   Betrachtet man zunächst die Taten, dann kommen vor: Töten, Entreißen, Ausschweifen.

1. Töten

Vor allem das Töten von Tieren führt zur Gespen­sterwelt, nämlich Schlachter und Jäger (Pv III,1, 2, 7, 8; S 19, 1 - 6), auch bloßes Insektentöten (II,1), auch Tierquälerei als Tierbändiger oder Kutscher (S 19,8).

Das Umbringen von Menschen kommt vor als Abtrei­bung (I,6 - 7), als Tun des Scharfrichters (S 19, 16) oder Blutrichters (S 19, 7). Ein regelrechter Mord kommt nur einmal vor, nämlich an einem Einzelerwach­ten (IV,16). Das führte sogar zunächst zur Erzhölle und erst danach als Überrest von Unheil zu höllen­nahen Gespenstern. So läßt sich sagen, daß Mord, wenn wiederholt und gemein, eher zur Hölle als zur Petawelt führt.

2. Entreißen

Als Stehlen im engeren Sinne kommt vor allem das Wegnehmen von Kleidern vor (I,10, II,3, IV,1), das Stehlen von Fleisch (III,4), das Unterschlagen von Gaben (I,5), die Beteiligung an Einbruch (I,1). Ein Berufsräuber wird zum Tode verurteilt, und ihm steht die Hölle bevor, aber er wird begnadigt und dann sogar ein Heiliger (IV,1).

Entreißen als Sachbeschädigung kommt vor als Brand­stiftung (I,5) oder Zerbrechen der Almosenschale eines Einzelerwachten (IV,7) oder als Wegschütten von guter Salbe in die Latrine (II,3). Auch die Körperverletzung, die jemandem sein Wohl entreißt, gehört hierher: Schlagen der Mutter als Strafe (III,4), Überschütten einer Rivalin mit glühender Kohle aus Eifersucht (S 19, 15), Verabreichung ei­nes Mittels für Haarausfall aus Neid (I,10), Über­schütten mit Schmutz und Schütten von Stacheln ins Bett (II,3).

3. Ausschweifung

Eine Ehefrau verkehrt mit anderen Männern (II,12; S 19, 13). Männer verführen Ehefrauen (IV,6 u. 15; S 19, 11). Frauen versuchen, Mönche zur Aufgabe der Keuschheit zu veranlassen (I,11; II,11). Auch die "schlechten" Ordensangehörigen (S 19, 17 - 21) dürf­ten sich gegen das Keuschheitsgebot vergangen haben.

Sexuelle Gedanken in der Todesstunde verhindern für Gute eine Wiedergeburt in der Götterwelt und füh­ren nur zu götternahen Gespenstern (II,11; IV,11).

II. Bezogen auf Vergehen in Worten kommen vor: Lug und Trug, Denunzieren und vor allem Schelten, dagegen nicht Plap­pern und Plaudern:

1. Lug und Trug

Die Unwahrheit meineidig beschwören, kommt öfter vor, um Untaten nicht zugeben zu müssen (I,6 - 7, II,12). Etwas Gutes fälschlich vorgeben, nämlich Uposatha hal­ten, kommt einmal vor (III,9). Öfter ist das Verleum­den guter Mönche, die schlecht gemacht werden (I,3, IV,8 - 9). Eine betrügerische Wahrsagerin kommt vor (S 19, 14), bestechliche Richter, die falsche Urteile fällen (III,9; S 19, 10), Betrug beim Verkauf (III,4; IV,14).

     2. Hintertragen

Nur ein Fall von echtem Hintertragen kommt vor als De­nunziant (S 19, 9), dagegen mischen sich manchmal Ver­leumden (Falsches sagen) und Hintertragen (Wahres ver­breiten, das anderen unangenehm ist).

3. Schelten

In vielen der oben genannten Fälle von geizigem Materia­lismus wurden Asketen, Bettler und Gebende auch be­schimpft: Der Orden wurde beschimpft oder verflucht (I,9 u. 11; II,3) oder durch höhnisches Anbieten von Kot verhöhnt (S 19, 12). Bettler wurden beschimpft (III,1), Gebende wurden beschimpft oder verflucht (II,2 u. 7 u.l0; IV,3). Allgemeines Schimpfen mit ungezügelter Rede (I,2) oder speziell gegenüber dem Ehepartner (II,4).

III. Im übrigen kommen folgende unheilsame Handlungen vor:

Alkohol verkaufen (I,10), andere am Besuch von Stupas hin­dern wollen (III,10), verdrehte Irrlehren der Unmoral ver­breiten (IV,3), nicht näher bezeichneter übler Wandel (du­carita: III,3). Besonders bezeichnend ist ein Kaufmann, der nichts Ungutes tat, aber eben auch nichts Gutes, der in den Tag hinein lebte und dadurch ein gutes Peta-Dasein erlangte (IV,12).

12. Wie kann man den Gespenstern helfen?

Das Christentum unterschied genau zwischen Hölle (gr. tarta­ros, lat. inferno) und Fegefeuer (gr. hades, lat. purgatorio) und sagte, daß den Wesen in der Hölle nicht zu helfen sei, während man den Armen Seelen im Fegefeuer durch Seelenmessen Erleichterung verschaffen könne. Jeder kann danach einen ka­tholischen Pfarrer beauftragen, gegen ein kleines Entgelt ei­ne Messe für einen Verstorbenen zu lesen. Außerdem wurde die Lehre entwickelt, daß durch die überschüssigen Verdienste Christi und der Heiligen die Kirche einen Gnadenschatz ange­sammelt habe, der den Armen Seelen zugänglich gemacht werden könne. Der Weg dazu wurde Ablaß (indulgentia = Nachsicht, Güte, Gnade) genannt. Gegen bestimmte Geldsummen versprach die Kirche eine Fürbitte um Straferlaß der Verstorbenen im Fege­feuer. Daraus entwickelte sich bald der Mißbrauch eines schwung­haften Ablaßhandels im ausgehenden Mittelalter. Berüchtigt wur­de der Werbespot des Mönches Tetzel:

"Sobald das Geld im Kasten klingt,

die Seele aus dem Fegefeuer in den Himmel springt."

Diese Vergröberung war einer der Anlässe für die Reformation. Aber Luther schüttete hier, wie auch sonst, das Kind mit dem Bade aus und erklärte das Fegefeuer für nicht vorhanden. Das führte nicht nur zu einer Verkürzung des Existenzverständnis­ses, sondern hatte auch praktisch unbarmherzige Folgen. Prote­stanten, die starben, kamen wie die meisten Toten natürlich weiterhin in das Schattenreich des Hades (Gespensterwelt). Da die Katholiken nach ihrem Dogma aber alle Protestanten für Ket­zer erklärten, und da alle Ketzer der Hölle verfallen seien, und da es für Höllenbewohner keine Hilfe von der Erde aus gäbe, so hielten es die Katholiken folgerichtig für nutzlos und sinn­los, für einen protestantischen Verstorbenen Seelenmessen zu lesen. Da andererseits die Protestanten die Existenz dieses Hades leugneten, gab es bei ihnen überhaupt keine Seelenmessen, denn den Höllenwesen war ja nach ihrer Auffassung nicht zu hel­fen. So mußten also Protestanten im Jenseits jede Hilfe durch irdische Fürbitte und Seelenmessen entbehren.

Im Pālikanon wird über die Hilfe für Petas auffällig wenig gesagt, wenn man vom Peta-vatthu absieht. In der Angereihten Sammlung wird beiläufig erwähnt, daß die Menschen sich einen Sohn wünschen, damit er für die Verstorbenen (Peta) die Opfer darbringen könne (A V/39, ebenso D 31). Es wird ferner von fünf Arten von solchen Opferspenden gesprochen, u.a. für die Petas und für Devas (A IV/41 u. 61). Ausführlicher wird einzig in A X/177 von Hilfe für die Petas gesprochen. Da kommt der berühmte Brahmane Janussoni, der viele Gespräche mit dem Buddha führte, eines Tages zu diesem und sagt:

"Wir Brahmanen, Herr Gotamo, spenden Gaben, bringen Totenopfer dar, da­bei sprechend: 'Möge diese Gabe unseren abgeschiedenen Angehörigen und Blutsverwandten zugute kommen. Mögen unsere abgeschiedenen Angehörigen und Blutsverwandten diese Gabe genießen.' Kommt denn nun wirklich, Herr Gotamo, jene Gabe den abgeschiedenen Angehörigen und Blutsverwandten zu­gute? Genießen sie wirklich diese Gaben?"

Der Buddha erwidert, daß Höllenwesen, Tiere, als Menschen Wie­dergeborene und Götter jeweils von der Nahrung ihres Bereichs leben und daß man als Mensch diesen Verstorbenen nichts wid­men könne. Dann aber fährt er fort: Wenn einer die zehn fal­schen Tatengänge (Wirkensfährten) praktiziere und deswegen nicht Tier oder Höllenwesen werde, sondern im Petareich wieder­erscheine, dann gelte:

"Dort lebt er von der Nahrung der Wesen des Gespensterreichs, und davon er­hält er sich. Und was ihm hier seine Freunde und Gefährten, Angehörigen und Blutsverwandten spenden, davon zehrt er dort und dadurch erhält er sich. Das nun, Brahmane, ist der geeignete Ort, wo dem dort Weilenden jene Gabe zugute kommt."

Jeder Mensch aber habe aus diesem oder früheren Leben Angehö­rige, die in der Petawelt davon zehren. Überdies aber erwirke der Spender sich selber auf jeden Fall Verdienst. Wer als Mensch die zehn rechten Tatengänge pflegte und außerdem Aske­ten und Brahmanen versorgte, der wird bei Wiedergeburt als Mensch oder Gott Erfüllung der Sinne finden. Und selbst wer die zehn falschen Tatengänge pflegte, aber Asketen und Brahmanen gab, wird als Tier dann leichter Nahrung finden.

Und so findet man in buddhistischen Ländern noch heute den Brauch, daß Schälchen mit Essen für die Petas beiseitegestellt werden. Die Petas können davon nur die unsichtbare Od-Substanz verzehren, und zwar aufgrund der Widmung an sie.

Nach der Vierteilung in Milindapanha (s.o.) kommt das Spen­den aber drei dieser Arten nicht zugute, nämlich den von Abfall Lebenden, den Hunger-Durstigen und den Durst-Verzehr­ten. Letztere sind, wie gesagt, wohl die glücklichen Gespen­ster, die nur Durst nach Gesellschaft haben, aber genügend paradiesische Nahrung vorfinden: Die brauchen keine mensch­lichen Spenden. Die von Abfall Lebenden aber ernten karmisch, daß sie sich von nichts anderem ernähren können, und die ewig Hungrigen ernten, daß sie überhaupt nichts zu essen finden. Man wird aber sagen können, daß irgendwann dieser Status zu Ende ist und daß dann auch sie von Menschengaben profitieren können. Die vierte Art Petas sind nach Mil. diejenigen, die es sich erwirkt haben, daß Menschen ihnen etwas widmen, das sie dann genießen können.

Solche bisher erwähnten Spenden an Petas sind aber nur spora­dische Hilfen und ändern nichts an dem Elend des Petadaseins. Im Peta-vatthu wird nun aber darüber hinaus berichtet, wie durch Verdienstübertragung (s. dazu WW 1978, S. 13 - 20 und 1980, S. 159 - 161) die Petas ihren Mangel besei­tigen können und götterähnliches oder gar göttliches Dasein genießen.

Nur einmal wird im Pv berichtet, wie ein Mensch direkt einem Peta etwas gibt, das diesem zugute kommt (III,1), im übrigen aber muß ein Mensch (in I,9 ein Gott) dem Buddha oder heili­gen Mönchen oder mindestens sehr tugendhaften Mönchen etwas spenden und das ihm entstehende Verdienst dann einem Peta übertragen. Ja, in einem Falle genügt es, wenn jemand an ei­nen gläubigen Laienanhänger gibt und dies dem Peta widmet (I,10). In vielen Fällen sind es Verwandte oder Ehepartner, die dem Peta etwas widmen, aber auch - in 8 von 19 Fällen - Nichtverwandte. Die 19 Fälle von Verdienstübertragung sind zum größeren Teil in den Versen selbst enthalten (II,1 - 4, 8; III,1, 2, 6; IV,1, 2, 12), sonst in der Rahmenerzählung (I,5 - 7, 9, 10; II,7, 10; IV,5).

Die mindeste Wirkung der Verdienstübertragung ist, daß ein Peta nicht in die Hölle kommt (II,7) oder daß er als Peta nun zu essen hat (IV,3), in den meisten Fällen aber wird er ein Vemanika Peta oder kommt zu den Vier Großen Königen oder gar zu den Dreiunddreißig (I,10; IV,5).

Wie ist diese Verdienstübertragung nun mit dem Karmagesetz zu vereinbaren? Ein Peta muß es sich erwirkt haben, daß er sich überhaupt bei Menschen bemerkbar machen kann und daß tugendhafte oder heilige Mönche da sind, denen man spenden kann. Man kann drei Stadien unterscheiden:

1.   Die oben beschriebenen Totenopfer sind auch dem unge­läuterten Menschen möglich. Er kann durch Opferspeisen das Leid der Petas ein wenig lindern. Wegen seines Man­gels an Tugend kann er aber nicht weiter helfen.

2.   Will jemand Petas grundsätzlicher helfen und sie aus ih­rem Leiden herausholen, dann braucht er aus seinem barm­herzigen Willen dafür Mittler, d.h. Geläuterte. Nur die­se können sozusagen in astral konvertierter Währung aus­zahlen. Ihre Tugend materialisiert sich astral als Er­füllung der Wünsche des Peta. Es ist dieselbe Erfahrung, die auch ins Christentum Eingang gefunden hat: Der lau­tere Priester, der höhere Kräfte angesammelt hat und für sich wenig braucht, läßt das ihm Gegebene sozusagen wei­terfließen und kanalisiert es zu einer Armen Seele.

3.   Am wirksamsten aber hilft man den Petas, wenn man selber immer tugendhafter wird, wenn man selber innerlich sich dem Status der Mönche annähert. Dann strahlt man es auf die Petas aus. So heißt es in M 6: Wünscht man den Petas, den verstorbenen Verwandten große Früchte an Verdienst, dann soll man nur vollkommene Tugend üben, innige Gei­stesruhe erkämpfen, der Schauung nicht widerstreben, durchdringenden Blick gewinnen, ein Freund leerer Klausen sein.

13. Arme Seelen im Katholizismus

Was in Indien Peta (Skr. Preta) genannt wird, das sind im Christentum die "Armen Seelen", deren Existenz von Luther und den Reformatoren wegdiskutiert wurde. Alles, was über das untermenschliche Dasein in der Bibel und der christli­chen Literatur gesagt wurde, wurde mit dem Etikett "Hölle" versehen, ohne daß noch zwischen Tartaros (Inferno = Hölle) und dem Schattenreich des Purgatoriums (Hades) unterschie­den wurde.

Über die Erscheinung von Armen Seelen gibt es bei den Heili­gen und Mystikern unzählige Berichte, vom Altertum bis ins zwanzigste Jahrhundert. Hier seien als Beispiel nur drei deutsche Frauen genannt, die in unserem Jahrhundert Helfer der Armen Seelen waren und sie nicht mitleidslos ihrem Schicksal überließen:

1.   Margarete Schäffner (1863 - 1949), Bäuerin aus Gerlachs­heim in Nordbaden. Von 18 Jahren bis zu ihrem Tode mit 86 Jahren hatte sie nahezu täglich Visionen Armer Seelen. Unzählige Verstorbene erschienen ihr und empfahlen sich ihrer Fürbitte, und sie hatte die Freude, viele von ih­nen durch ihre Gebete und Messen in den Himmel gehen zu sehen. Die Armen Seelen wußten, warum sie litten, und Margarete wußte, wie lange sie noch zu leiden hatten.

Margarete Schäffners Biograph erwähnt auch, daß die hei­lige Birgitta von Schweden drei Stufen im Fegefeuer un­terschied, die auch den oben im Buddhismus geschilderten Stufen entsprechen:

"In der untersten Stufe herrsche die große Pein, die dem Höllenfeuer ähnlich sei. Tiefe Finsternis und Feuerpein seien hier; je nach dem Maße der Schuld litten die Seelen mehr oder weniger.

Darüber sei die zweite Stufe, wo die Leiden weniger groß seien und mehr in einem Mangel an Kraft und Schönheit bestünden, wie bei ei­nem Menschen, der nach schwerer Krankheit noch im Zustande der Schwä­che und Erschöpfung sei und erst nach und nach wieder zu Kraft komme.

Darüber liege die dritte Region, gewissermaßen die Vorhalle des Him­mels. Dort gäbe es keine Strafe der Empfindung mehr; die Seelen lit­ten nur an einer unaussprechlichen, unwiderstehlichen Sehnsucht nach der Anschauung Gottes." (Grabinski, 4. Aufl., S. 22)

Lit.: Bruno Grabinski/Leo Oster: Fegfeuer-Visionen der Begna­deten Margarete Schäffner von Gerlachsheim (Baden), 6. Aufl. Eupen 1974 (oben 4. Aufl., 103 S.)

2.   Ursula Hibbeln (1869 - 1940) aus Bochum. Schon als Kind hatte sie Mitleid mit den Armen Seelen und betete für sie. Bald sah sie sie auch und konnte vielen helfen. Ihr Pater erklärte zehn Jahre lang alles für Halluzinationen, bis er überzeugt war, daß es doch ein Jenseits gibt. Sie hörte auch Engelsgesang, hatte Herzenskunde und sah vor­aus, z.B. den Zweiten Weltkrieg. Sie sah, wie die meisten Gefallenen in Angst und Fluchen zur Hölle fuhren, für lange.

Lit.: R. Ernst, Die Seherin aus dem Ruhrgebiet. Mutter Ursula, die gotterleuchtete Seherin und Freundin der Armen Seelen, 8. Aufl. Eupen 1958

3.  Eugenie von der Leyen (1867 - 1929), geboren in München. Sie wollte Nonne werden, wurde aber wegen ihres Gesund­heitszustandes nicht aufgenommen. Am 9. 8. 1921 öffnete sich für sie das Jenseits, und sie hatte seitdem unzäh­lige Erscheinungen Armer Seelen. Zuerst erschienen sie ihr in menschlicher Gestalt, später konnte sie auch Wesen in tierischer und dämonischer Form wahrnehmen, denen sie half, allmählich wieder "Mensch zu werden". Sie erlebte böse Geister, häßliche Geister, trostlose Geister, ruhe­lose, nur selten zufriedene, wie z.B. ihren Großvater. Sobald die Geister zu sprechen gelernt hatten, besserte sich auch ihr Zustand. Meist kamen die Seelen allein, manchmal auch in Gruppen. Es waren Bekannte und Unbekann­te. Viele gingen im Schloß um, wo sie einst gesündigt hat­ten, sehr oft durch Verleumden. Außer ihrem Großneffen, der 1945 fiel, bemerkten nur Tiere die Anwesenheit der Geister. Auf ihre Frage, wodurch sie den Seelen am besten helfen könne, erhielt sie immer die Antwort: durch Selbstaufgabe und Nichtsündigen. Im Umgang mit alltäglichen Menschen verlor sie Kraft, beim Beten für Arme Seelen gewann sie Kraft, obwohl es sie zuerst oft übermäßig anstrengte und sie viel Überwindung brauchte, besonders, wenn die Geister in ekliger Gestalt erschienen. Darüber wurde sie zur Mystikerin.

Lit.: Bruno Grabinski, Zwischen Himmel und Hölle, Tagebuchaufzeich­nungen über Armeseelenerscheinungen, 3. Aufl., Eupen 1959

Quellen-Nachweis

Die "List of Issues" der PTS führt die Ausgaben von Pāli­texten (A) und von Übersetzungen (B) nach dem Titel auf, so daß bei jeder neuen Ausgabe sich die Nummern verschie­ben. Daher ist es sinnlos, diese Nummern hier anzugeben.

Der Text des Peta-vatthu

A.   in Pāli (latinisiert)

1. Ausgabe: J. Minayeff, Petavatthu, London 1888, 100 S.

2. Ausgabe: N.A. Jayawickrama, Vimānavatthu und Peta­vatthu. New Edition London 1977, darin Petavatthu, IX, 114 S.

Preface S. III - IV; Editions consulted... S. V - VI; Contents S. VII - IX; Indices S. 96 -114

B.   in englischer Übersetzung von Henry S. Gehman:

1. Vorabdruck (Auszüge):

Buddhist Ghost Stories, in: The Open Court (Chicago) Bd. 38, Juni 1924, S. 370 - 384

The Peta-Vatthu (Translation of Book I), in: The Re­formed Church Review Bd. 25, April 1921, S. 117 - 126 = The Ceylon Antiquary and Literary Register VI - X

2. The Minor Anthologies of the Pali Canon Part IV:

Vimāna-vatthu: Stories of the Mansions, and Peta­vatthu: Stories of the Departed. Translated by Jean Kennedy and Henry S. Gehman respectively. Edited with Introduction by Mrs. Rhys Davids, London 1942

darin: Part II: Stories of the Departed (Peta-Vatthu) together with Excerpts from the Frame Stories from Dhammapāla's Commentary. Translated from Pali into English by Henry Snyder Gehman, S. 129 - 250

Editor's Preface S. 131 f.; Preface S. 133 f.; Intro­duction S. 135 - 138. Im Text gelegentlich Fußnoten.

3. The Minor Anthologies of the Pali Canon Part IV:

Vimānavatthu: Stories of the Mansions. New Translation of the Verses and Commentarial Excerpts by I.B. Horner, assisted by N.A. Jayawickrama; Petavatthu: Stories of the Departed, translated by H.S. Gehman, London 1974

darin: Stories of the Departed (Peta-Vatthu) together with excerpts from the frame stories from Dhammapala's commentary. Translated from Pali into English by Henry Snyder Gehman, XII, 110 S. Foreword by I.B. Horner S. III - V; Preface S. VII f.; Introduction S. IX -XII

C. Deutsche Übersetzung (teilweise)

Wilhelm Stede, Die Gespenstergeschichten des Peta Vatthu. Untersuchungen, Übersetzung und Pāli-Glossar, Leipzig 1914, Teil I: Prinzipielle Untersuchungen S. 8 -56; Teil II: Übersetzung von P.V. I und II S. 59 -116; Teil III: Lexi­kalischer Index S. 111 -122.

Auch als Diss.phil. Leipzig "Über das Peta Vatthu"

Der Kommentar zum Peta-vatthu

A.   in Pāli (latinisiert)

E. Hardy, Dhammapala's Paramattha-Dīpanī Part IV. Being the Commentary of the Peta-vatthu, London 1894, 303 S.

B.   in englischer Übersetzung

Eludidation of the intrinsic meaning so named the commenta­ry on the Peta-Stories (Paramatthadīpani nāma Petavatthu­atthakathā) by Dhammapāla. Translated by U Ba Kyaw, edited and annotated by Peter Masefield, London 1980, XVII, 318 S., Introduction S. VII - XI (Masefield, 1978), Abbreviations S. XII - XIV

Sekundärliteratur

Leider, Kurt: Buddha, Hamburg 1968, S. 177 - 178

Norman, K.R.: Pāli Literature, Wiesbaden 1983, S. 71 - 72 (History of Indian Literature Bd. VII/2)

Winternitz, Moritz: Geschichte der indischen Literatur, Bd. II, 1920 (Repr. 1968), S. 77 - 78