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ARAHAT-BIKKHUNIS
2. DIE LEHRE IN VERSEN
Die Verse der Nonnen bieten eine Vielfalt an Themen. Beinah alle Verse
entstanden, als die Verfasserin erkannt hatte, daß erst die Erlangung
vollkommener Einsicht und Läuterung den Leiden der Wiedergeburt ein Ende setzen.
So enthalten eigentlich alle Gedichte eine Art "Löwenruf", ein Ausdruck dafür,
daß die Sprechende erwacht ist.
Erleuchtung durch alltägliche Ereignisse
In einigen Versen werden Ereignisse beschrieben, durch welche die Frauen zum
Sangha fanden oder die die plötzliche Erwachung herbeiführten. Zuweilen ist es
eine höchst weltliche Begebenheit, die den reifen Geist veranlaßt, die
endgültige Wahrheit zu erkennen. Die Bhikkhuni Dhamma kehrte eines Tages,
erschöpft von Hitze und Anstrengung, von ihrem Almosengang zurück. Sie stolperte
und als sie ausgestreckt auf der Erde lag, erkannte sie klar das auf Grund des
Körpers bestehende Leid und bewirkte so völliges Erlöschen des Begehrens. Dieses
Erlebnis beschreibt sie so:
- Nach einem Almosengang, schwach, mit zitternden Gliedern,
- auf einen Stock gestützt fiel ich zu Boden
- und sah die Notdürftigkeit dieses Körpers.
- Dann war mein Geist vollkommen erlöst.
(Vers 17)
Wenn man durch ein solches Ereignis Erwachung erlangen kann, dann haben wir
alle wahrscheinlich unbewußt unendlich viele ähnliche Erfahrungen gemacht.
Achtsamkeit kann uns die Vergänglichkeit (anicca), die Unzulänglichkeit (dukkha)
und die Wesenlosigkeit (anatta) der Dinge zeigen und uns darin bestärken, unser
Verlangen zu vermindern. Wenn wir uns der Vispassana Meditation gewissenhaft,
unter Leitung eines erfahrenen Lehrers widmen, ist es möglich, die täglichen
Ereignisse mit diesen grundlegenden Merkmalen zum Zwecke der Läuterung zu
nutzen. Das ist so, weil der ursprüngliche Zustand des Geistes auf Unwissenheit
beruht - eben jener Unfähigkeit die Dinge so zu sehen wie sie wirklich sind. Nur
konzentrierte Achtsamkeit bei der In-Schau macht es uns möglich, die
alltäglichen Erfahrungen richtig zu begreifen, denn die methodische und
kultivierte Vispassana Meditation löst die Sinne von ihren alten Neigungen,
indem sie uns die geistige und körperliche Vergänglichkeit unmittelbar empfinden
läßt.
Eintritt in den Sangha nach dem Tod eines Kindes
Etliche Frauen betraten den Sangha nach dem Tod ihrer kleinen Kinder. Wenn
der Kummer uns antreibt, den "Pfad zur Beendigung des Leidens" zu entfalten,
kann er uns nützen. Ubbiri war sehr in Trauer um ihre kleine Tochter bis zu dem
Zeitpunkt, als Buddha ihr offenbarte, daß sie an eben der Begräbnisstätte, an
der sie den Körper dieses Kindes zurückließ, schon von tausenden Kindern, die
sie in früheren Leben geboren hatte, auf ähnliche Weise Abschied genommen hat.
Da sie in der Vergangenheit bereits gut gewirkt hatte, genügte dieses kurze
persönliche Gespräch um die klagende Mutter an Ort und Stelle in eine Arahat zu
verwandeln. Als sie die ungeheure Weite des samsara deutlich wahrnahm, war sie
bereit, ihn hinter sich zu lassen. Sie beschrieb ihre tiefe Dankbarkeit
gegenüber dem Buddha in diesen einfachen Zeilen:
- Er hat die Trauer um meine Tochter geheilt ...
- Jetzt bin ich ohne Lebens-Durst, gestillt.
(Vers 51, 53)
Nach dem Erlöschen von Unwissen und Verlangen bleibt nur ein reiner Geist
zurück, von Natur aus friedlich. Ubbiri besaß einen geschmeidigen und gut
vorbereiteten Geist und verstand, durch Buddha's Belehrung, daß die Quelle ihres
ganzen Leids ihr Verlangen war. Nachdem sie unzählige Millionen Lebenszeiten im
samsara zugebracht hatte, erkannte Ubbiri, daß ihr die tiefe mütterliche Bindung
zu ihren Kindern immer große Qual verursacht hat; denn Söhne und Töchter sind,
wie alles andere auch, dem Gesetz der Vergänglichkeit unterworfen. Wir können
die Lebenszeit derer, die wir lieben nicht beeinflussen, da sie von ihrem
eigenen Karma bestimmt wird. Da erlangte sie so große Einsicht, daß, in
Anbetracht des alles durchdringenden Leids, nichts mehr ihr Interesse wecken
konnte. So war ihre Neigung zu Bindungen für immer gebrochen.
Die Geschichte von Patacara vor ihrem Leben im Dhamma, in den Anmerkungen zum
Therigatha sehr detailliert beschrieben, ist noch dramatischer. Sie verlor ihre
ganze Familie, ihren Ehemann, zwei kleine Kinder, Eltern und Brüder innerhalb
weniger Tage bei verschiedenen Unfällen. Vor Kummer wurde sie wahnsinnig, doch
Buddha's Mitleid, vereint mit ihrem paranis aus vergangener Zeit, gaben ihr die
Kraft ihren Geist zurückzugewinnen. In seiner Gegenwart erfuhr sie, wie oft sie
sich schon heillos erschöpft hatte, in Trauer um die Toten. Sie wurde eine
"Strom-Eingetretene" (sotapanna), jemand der sich auf der ersten Stufe des
unwiderruflich fortschreitenden Pfades zur Befreiung befindet und erhielt die
Ordination. Als sie eines späteren Tages, damit beschäftigt war, Wasser für das
Fußbad einzugießen, und das fort rinnende Wasser betrachtete und bei sich
dachte, daß so früher oder später das Leben aller Wesen einfach fort rinnt - da
wurde ihr Geist vollkommen von allen Bindungen gelöst. Patacara hatte, wie die
Bhikkhuni Dhamma, die Keime des Verstehens zur vollen Reife gebracht und im
rechten Moment wurde ihr Geist durch ein unbedeutendes weltliches Ereignis von
jeglicher Spur von Unwissen befreit.
Viele andere Frauen fanden unter ähnlichen Umständen, wie Ubbiri oder
Patacara, zum Sangha. Zu Zeiten in denen begrenzte medizinische Kenntnisse nicht
vermochten, die hohe Kindersterblichkeit einzudämmen, war eine den Tod ihres
Kindes beweinende Mutter in Indien eine alltägliche Erscheinung. Theri Patacara
sprach zu solch einer Gruppe leid geplagter Mütter und brachte zum Ausdruck, was
sie aus derselben Erfahrung gelernt hatte:
Weder können wir den Weg kennen auf dem ein Mensch kommt, noch können wir den
Pfad sehen auf dem ergeht.
- Warum also den betrauern, der zu Euch kam,
- Mit Tränen beklagen?
- Weint nicht, denn so ist das Menschenleben.
- Ungefragt kam er und ungebeten ging er.
- Fragt Ihr Euch immer noch, warum Euer Kind kam
- Um diese kurze Zeit auf Erden zu leben?
- Auf dem einen Weg gekommen und auf einem anderen gegangen,
- Um als Mensch zu sterben, um zu anderen Geburten zu eilen
- hierher und von hier fort - warum solltet Ihr da weinen?
(S.78)
Aufgrund ihrer Physiologie sowie ihrer familiären und gesellschaftlichen
Stellungen neigen Frauen dazu, stärkere Bindungen zu ihren Nachkommen aufzubauen
als Männer und leiden deshalb um so mehr an ihrem Verlust. Wenn Frauen ihren
Geist jedoch darin üben, zu verstehen, daß es heftiges Leiden verursacht sich an
etwas zu klammern, daß Geburt und Tod natürliche Vorgänge und Wirkungen
bestimmter Ursachen sind und, daß der Werdegang dieses Jammers endlos ist, dann
können sie sich ihr weibliches Leiden bei ihrem Streben nach Erleuchtung zunutze
machen. In den "Kindred Sayings" (Bd. IV, S. 62-163), verweist der Buddha auf
fünf Leidensarten, die für Frauen typisch sind. Drei davon sind körperlich
Menstruation, Schwangerschaft und Niederkunft. Die beiden anderen sind
gesellschaftlichen Ursprungs und vielleicht heutzutage nicht mehr so verbreitet
wie im einstigen Indien: die eigene Familie verlassen zu müssen um mit dem
Ehemann und den angeheirateten Verwandten zusammenzuleben und "einem Mann dienen
zu müssen". Alle gemeinsam müssen Ergebnisse früherer, unheilsamer Taten sein,
doch jedes für sich kann wiederum als Grundlage zur Einsicht dienen. Frauen
können ihren Geist trainieren, diese scheinbaren Nachteile in Vorteile
umzuwandeln. Dann können sie vollen Nutzen aus ihren drastischen Erfahrungen mit
der Vielfalt und Allgegenwart des Leidens ziehen, und sich allmählich daran
gewöhnen in unserer Weh der Bedingtheit alles loszulassen.
Einige Menschen müssen erst tiefes Leid erleben, ehe ihr Geist von falschen
Ansichten und Begierden befreit wird. Patacara ist ein Beispiel hierfür; Kisa
Gotami ein zweites. Letztere wehrte sich so sehr dagegen, den Tod ihres Kindes
zu akzeptieren, daß sie das tote Kind im Arm umher trug in der Hoffnung jemanden
zu finden, der ihr Medizin zu seiner Heilung geben könne. Der Buddha führte sie
zur Erkenntnis der Allgegenwärtigkeit des Todes, indem er sie mit der Suche nach
ein paar Senfkörnern beauftragte. Senfkörner sind eine gebräuchliche Zutat der
indischen Küche, doch der Buddha verlangte, daß diese Senfkörner aus einem
Haushalt stammen sollten, in dem sich noch nie ein Todesfall ereignet hatte.
Kisa Gotami machte sich auf die Suche nach der "Medizin" für ihr Kind, doch
wegen der Sitte, daß drei oder mehr Generationen gemeinsam unter einem Dach
lebten, war man in jedem Haus, zu dem sie kam schon dem Tod begegnet. Auf ihrer
Wanderung durch das Dorf begriff sie allmählich, daß jeder der geboren wird
sterben muß. Ihr beträchtliches paranis befähigte sie, die Unbeständigkeit so
vollkommen zu durchdringen, daß Buddha ihr bald darauf den Strom-Eintritt
bestätigte. Da verkündete sie diese Zeilen:
- Dies ist kein Gesetz für Dörfer oder Städte,
- Kein Gesetz für diese oder jene Sippe nur;
- Für die ganze Welt - auch für die Götter
- gilt dies Gesetz: Alles ist Vergänglich.
(S.108)
Auf diese Weise überwand Kisa Gotami die von weiblicher Trauer gesetzten
Hemmnisse und erkannte eines der grundlegenden Merkmale allen Daseins.
Kisa Gotami wurde später eine Arahat. Die Verse, die sie bei dieser
Gelegenheit vortrug, erteilen allen Nachfolgern auf dem Edlen achtfachen Pfad
wertvolle Inspiration:
- In Gesellschaft edler Freunde würde selbst ein Narr klug.
- Tugendhafte Menschen soll man oft aufsuchen;
- so wächst die Weisheit derer, die bei ihnen Zuflucht nehmen.
- Umgibt man sich mit guten Menschen, wird man von allem Leid erlöst.
- Man soll das Leid, seine Ursache, sein Ende
- und den Edlen Achtfachen Pfad kennen;
- (dies sind) die Vier Edlen Wahrheiten.
(Vers 213 - 214)
Im Umgang mit weisen Menschen, besonders aber in der Unterweisung eines
Lehrers, erhalten wir eine unbezahlbare Unterstützung darin, auf dem Pfad festen
Fuß zu fassen. Die Gesellschaft von Menschen hingegen, die nicht mit dem Dhamma
verbunden sind, wird uns eher ablenken. In der Regel leiten uns diejenigen, die
nicht bemüht sind die Lehre Buddha's auszuüben, in die weltliche Richtung ihrer
eigenen Gesinnung. Daher wäre es das Beste, wir suchten unsere Freunde, wenn
möglich, unter Meditierenden.
Meditation verlangt ständiges Geistestraining um uns zur Erkenntnis der Vier
Edlen Wahrheiten, mit all ihren Feinheiten, zu führen; das hat auch Kisa Gotami
in den letzten Zeilen des oben zitierten Gedichtes eindringlich beschrieben.
Dies wiederum bedeutet Gewinnung von Weisheit, pañña, der Arznei gegen Unwissen
und Selbsttäuschung, den Wurzeln allen Leidens; das besagt auch der Wortlaut der
Bedingten Entstehung. Man muß sich immer wieder in diese Vier Wahrheiten
vertiefen, um Weisheit zu entfalten:
(1) die Edle Wahrheit vom Leiden (dukkha), sie umfaßt alle Leidensformen, von
heftigem Schmerz bis zur feinen Unzulänglichkeit und der dem Dasein des
Einzelnen in allen Werdensstufen innewohnenden Unbeständigkeit;
(2) die Edle Wahrheit von der Ursache des Leidens - der Begierde (tanha), die
den Geist oberflächlich macht und ihn, auf der Jagd nach sinnlichen Dingen, in
einen Zustand andauernder Unruhe versetzt;
(3) die Edle Wahrheit von der Aufhebung des Leidens - Nibbana, man erreicht
sie, wenn alle Ursachen des Leidens, der Unwissenheit und des Verlangens
vollständig beseitigt sind; und
(4) die Edle Wahrheit vom Weg, der zur Aufhebung des Leidens führt - der
Achtfache Pfad, der vom Buddha erkannt und gelehrt wurde und folgendes
beinhaltet: achtsame Ausübung sittlichen Verhaltens (sila), Sammlung (samadhi)
und Weisheit (panna). Die Vier Edlen Wahrheiten finden prägnanten Ausdruck in
einem Vers von Maha Pajapati, Buddha's Tante mütterlicherseits, die ihn großzog,
als seine Mutter, Königin Mahamaya, eine Woche nach seiner Geburt starb.
Es geschah auf Maha Pajapati's Drängen, daß Buddha den Orden der Nonnen
gründete. In ihrem Gedicht dankt sie als erstes Buddha für die große Hilfe, die
er so vielen Menschen erteilte, indem er sie lehrte, Befreiung zu erlangen; dann
folgt eine kurze Zusammenfassung der Vier Edlen Wahrheiten, die sie selbst so
durch und durch als endgültige Wahrheit erfahren hat. Für den heutigen
Meditationsschüler ist es förderlich, diese Zeilen gründlich zu erwägen:
- Nun habe ich verstanden wie Leid entsteht,
- Das Begehren, die Ursache dafür, ist in mir versiegt.
- Ich bin ihn gegangen und habe das Ende des Leidens erreicht –
- den Ariyan, den Edlen Achtfachen Pf ad.
(S.89)
Anhänger der buddhistischen Meditation sollten sich üben, diese Wahrheiten so
gründlich wie möglich kennenzulernen, damit sie sie in jedem Aspekt des Daseins
erkennen. Wir folgen der weltlichen Stufe des Edlen Achtfachen Pfades, um den
überweltlichen (lokuttara) Pfad, den Stromeintritt zu erreichen. Dann sind die
drei Teile des Pfades - Sittlichkeit, Sammlung und Weisheit - im höchsten Grad
entwickelt und das Ende des Leidens, Nibbana, wurde verwirklicht.
Erreichung des Ziels nach einem langen Kampf
Wenn wir die Geschichten dieser bedeutenden Bhikkhunis lesen sehen wir, daß
viele von ihnen die höchsten Früchte entweder unverzüglich, oder bald nachdem
sie mit Buddha oder seiner Lehre in Berührung kamen, erlangten. Dies könnte
geschehen sein, weil sie in vielen vorhergehenden Leben durch heilsames Wirken
in Taten, Worten und Gedanken paramis erzeugt haben, während sie gleichzeitig
die Wirkungen früheren Karmas austrugen.
Doch nicht alle Menschen, deren paramis ihnen erlaubte Buddha tatsächlich
predigen zu hören, waren imstande in ihrem letzten Leben so rasch Arahats zu
werden. Wenn wir uns selbst mit einem widerspenstigen Geist konfrontiert sehen,
können wir Mut fassen aus den Erzählungen der Nonnen, die viele Jahre
intensiver, beharrlicher Anstrengung bedurften ehe sie alle Unzulänglichkeiten
beseitigt hatten.
Die junge Citta ordinierte in ihrer Heimatstadt Rajagaha und verbrachte ihr
ganzes Leben als eine, nach Erleuchtung strebende Nonne. Als alte schwache Frau
erreichte sie schließlich ihr Ziel. Als sie mühsam eine Anhöhe erklommen hatte,
sagte sie:
- Als ich meinen Umhang abgelegt
- und meine Schale umgedreht hatte,
- lehnte ich mich gegen einen Felsen,
- und die Masse der Dunkelheit
- (des Unwissens) teilte sich.
(Vers 27)
Wenn wir den Edlen Achtfachen Pfad gewissenhaft, genau und tatkräftig
befolgen und so vermehrt Einsicht in das wahre Wesen des Daseins erlangen, wird
die Selbsttäuschung durch Weisheit geklärt und schließlich die wahre
Beschaffenheit des Seins vollkommen klarwerden. Es mag viele arbeitsame Jahre
oder Lebenszeiten dauern, doch dann ist Geduld eine der Eigenschaften, die wir
entfalten müssen, von dem Zeitpunkt an, da wir den Pfad das erste Mal betreten
haben.
Mittakali war eine weitere Bhikkhuni, die erst nach Jahren Erleuchtung
erlangte. Sie legte die Robe an, nachdem sie das Satipatthāna Sutta gehört
hatte. In ihrem "Löwenruf" beschreibt sie ihre Fehler, durch die sie Nibbāna
erst nach sieben Jahren erreichte. Ihr Vers kann für Meditierende lehrreich
sein, sowohl für Angehörige als auch für Nichtangehörige des Sangha:
- Als ich voll Vertrauen das Hausleben verließ, wanderte ich hin und her,
- nach Gewinn und Ehre strebend.
- Das höchste Ziel verfehlend,
- verfolgte ich das niedrigste Ziel.
- Vom Begehren beherrscht,
- kannte ich nicht den Lohn des Asketentums.
(Verse 92-93)
Buddha betonte oft, daß es für Mönche und Nonnen gefährlich sei, nach Gewinn
oder der Gunst des Laienstandes zu streben, da derartige Taten all ihre
Bemühungen um einen reinen Geist zunichte machten. Der Laie bereitet Bhikkhus
und Bhikkhunis Geschenke, um sich Verdienste zu erwerben. Ist der Geist des
Empfängers rein, frei von Gier und anderen üblen Zuständen, so ist der Verdienst
des Laienanhängers weit größer, als wenn der Geist des Empfängers von Begehren
erfüllt ist. Einer der Beinamen der Arahats, deren Reinheit beständig makellos
ist, lautet "selbst größter Gaben würdig .
Im Gleichnis von der giftigen Schlange aus den "Lehrreden der Mittleren
Sammlung", weist der Buddha darauf hin, daß seine Lehre nur das eine Ziel
verfolgt: Freiheit vom Leid. Eine falsche Haftung, durch die der Dhamma
mißbraucht wird, führt zu noch größerem Leiden, so als ob man versucht eine
Schlange am Körper oder Schwanz zu packen und so gebissen wird. Die selbe
giftige Schlange wird ihr Gift, ohne Gefahr, für medizinische Zwecke überlassen,
wenn man sie mit Hilfe eines gegabelten Stocks direkt hinter ihrem Kopf am
Nacken greift. Der Buddha verkündet, daß dementsprechend nur diejenigen, welche
die Absicht seiner Lehre weise prüfen auch fähig sein werden, Einsicht zu
gewinnen und deren Zweck wirklich erfahren werden - die Aufhebung der Ursachen
jeglichen Leides.
Als Mittakali ihr fortgeschrittenes Alter spürte und der Tod rasch näher kam,
erkannte sie, nach den verschwendeten Jahren, der Jagd nach Gewinn und Ehre,
schließlich doch die Notwendigkeit geistiger Übung. Da wir nie sicher sein
können wie lange wir leben werden, ist es ein Wagnis, die Meditation aufzugeben.
Jetzt wo wir mit dem Dhamma in Berührung kommen, sind die Umstände wie
geschaffen, um der Lehre des Buddha zu folgen. Förderliche Umstände wie Jugend
und menschliche Geburt haben eine Ende entweder allmählich oder plötzlich - und
wir haben nie Gewissheit, daß die Umstände zur Ausübung des Dhamma ideal
bleiben. Mittakali brauchte Jahre um das im fortgeschrittenen Alter zu
verstehen. Der Weg zur Läuterung wurde durch ihren starren Geist und ihre
körperlichen Gebrechen noch erschwert. Doch plötzlich begriff sie und war
imstande zum Ziel zu gelangen. Das Studium ihrer Verse mag uns helfen, wertvolle
Zeit nicht zu vergeuden:
- Ich spürte ein drängendes Gefühl, als
- ich in meiner kleinen Zelle saß; (und dachte)
- „Ich bin auf den falschen Weg geraten;
- ich werde vom Begehren beherrscht.
- Mein Leben ist kurz. Alter und Krankheit zerstören es.
- Ich habe keine Zeit mehr schlaff zu sein,
- da schon bald ja dieser Körper zerbricht."
- Als ich das Werden und Vergehen der Dinge sah, so wie sie wirklich sind,
- stand ich auf und mein Geist war haftlos erlöst.
- Des Buddha's Lehre war vollendet.
(Vers 94-95)
Indem sie das rastlose Entstehen und Vergehen der 5 Khanda (Körper, Gefühle,
Wahrnehmung, Geistformationen und Bewußtsein) beobachtete, wurde Mittakali's
Geist von der falschen Vorstellung eines dauerhaften "ich" oder Selbst befreit.
Nach diesen langen sieben Jahren des Verstricktseins im Verlangen, durchschaute
sie ihr dummes und gefährliches Interesse an weltlichen Dingen. Sodann war es
ihr möglich, die Elemente oder Daseinsgruppen so zu sehen, wie sie wirklich
sind:
1) absolut vergänglich (anicca), und
2) folglich unfähig irgendeine dauernde Befriedigung zu geben (also dukkha),
funktionieren sie
3) ohne dauerhaftes Wesen (anatta).
Als sie eine Arahat wurde, schwanden all ihre weltlichen Bindungen und sie
lebte ab da jenseits von Sorge und Leid.
Die vielleicht bewegendste Geschichte einer Nonne, die einen langen Kampf
durchstehen mußte, von dem Zeitpunkt ihrer Ordination bis hin zur völligen
Erleuchtung, ist die Geschichte von Punna.
Unter sechs früheren Buddhas, in den unermeßlichen Äonen vor Buddha Gotamas
Wirken, war Punna eine Bhikkhuni. Sie war vollkommen tugendhaft und da sie den
"Dreikorb" studiert hatte (Lehren des Buddha), wurde sie darin sehr bewandert
und begann zu lehren. Es gelang ihr trotzdem aufgrund ihres Stolzes nicht, die
üblen Gedanken zu beseitigen. Sie mußte sogar noch in der Zeit Buddha Gotama's
schlechtes Karma abbauen und wurde als Sklavin geboren. Als sie eine von
Buddha's Reden hörte, wurde sie eine "Strom-Eingetretene". Nachdem sie daraufhin
ihrem Herrn geholfen hatte seine irrigen Ansicht zu überwinden, ließ er sie aus
Dankbarkeit frei und sie konnte in den Orden eintreten. Nach so vielen mühsamen
Lebenszeiten reifte das paramis, das sie als Nonne unter früheren Buddhas
geschaffen hatte. Der Stolz oder Dünkel, ein Übel das immer als letztes
schwindet, löste sich schließlich auf und sie wurde eine Arahat.
Wenn wir über die Erzählungen der Frauen nachdenken, die mit viel Eifer und
Anstrengung vollkommene Erwachung erlangten, so können wir verstärkt mit unseren
eigenen Bemühungen fortfahren, gleichgültig wie langsam uns der Fortschritt zu
einer bestimmten Zeit auch erscheinen möge. In den "Gradual Sayings" (Band IV,
S. 83-84) zeigt uns der Buddha anhand eines Gleichnisses, daß geistige
Unreinheiten allmählich abgetragen werden müssen, so wie der Griff einer
Zimmermannsaxt langsam abgenutzt wird. Obwohl der Holzfäller nicht sagen kann
"dieser Teil des Griffs wurde heute abgenützt, dieser Teil letzte Woche", so
weiß er doch, daß der Griff mit der Zeit kaputt geht. Dementsprechend wird ein
Meditierender, der mit Hilfe eines guten Lehrers beständig versucht, die Vier
Edlen Wahrheiten zu verstehen und in Einklang mit dem Edlen Achtfachen Pfad zu
leben, seine Befleckungen allmählich beseitigen, auch wenn die dabei
unternommenen Schritte verschwindend klein sind. Auch lehnte der Buddha es ab,
die Zeit vorauszusagen, die vergehen würde, ehe das letzte Ziel erreicht ist.
Dies hängt von vielen sich gegenseitig beeinflussenden Faktoren ab, wie z.B. vom
guten und schlechten Karma aus der Vergangenheit und von der Summe an
Bemühungen, die jetzt und in Zukunft aufgebracht werden. Ob es nun Millionen
weiterer Lebenszeiten oder eine Woche dauert, unsere Mühen werden von dem
Vertrauen unterstützt, daß Vervollkommnung von Sittlichkeit, Sammlung und
Weisheit völlige Loslösung und Befreiung von allem Leid bringt. Befreiung
bedeutet Verzicht auf Bindungen zu sich selbst und der Welt. Wir können den
Prozess des Loslösen nicht beschleunigen; nur Einsicht in das durch Anhaften
verursachte Leid kann ihn langsam vorantreiben. Wir müssen unsere geistigen
Unvollkommenheiten geduldig annehmen, während wir versuchen sie zu beseitigen.
Wir wären ja gar nicht hier, hätten nicht Unwissen und andere unheilsame
Neigungen unsere Geburt verursacht. Wir müssen lernen in Gelassenheit mit diesen
Neigungen des Geistes zu leben, während wir beharrlich an ihrer Ausrottung
arbeiten. Läuterung unterliegt, wie alle anderen geistigen Vorgänge dem Gesetz
von Ursache und Wirkung. Bei wiederholter Erwägung der restlosen Vergänglichkeit
alles Seins, stellt sich langsam ein größerer Klarblick ein. Wenn wir in
Momenten der Rückfälligkeit oder Dummheit geduldig sind und liebevoll mit uns
Nachsicht üben, wenn wir unsere Arbeit energisch und mit Bestimmtheit
weiterführen und nicht vom Weg abweichen, dann werden Ergebnisse schon hier und
jetzt sichtbar. Und zur ihrer Zeit werden sie zur vollen Reife gelangen.

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