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Die Edikte des Kaisers Asoka

DIE FELSEN-EDIKTE
1. Felsen-Edikt: Tierschutz
Dieses moralische Edikt ließ der König Devānampriya Priyadārsin (der
Göttergeliebte, der Humane) einmeißeln: In diesem meinem Reiche darf kein
lebendes Wesen getötet werden, um ein Opfer zu veranstalten. Auch soll man keine
lärmenden religiösen Feste feiern, denn der König Devānampriya Priyadārsin sieht
viel Übles an solchen lärmenden Festen. Es gibt aber auch gewisse religiöse
Festlichkeiten, die der König Devānampriya Priyadārsin für segensreich hält.
Früher wurden in der Küche des Königs Devānampriya Priyadārsin täglich viele
hunderttausend Tiere getötet, um Fleischragout zu bereiten. Jetzt aber zur Zeit
der Abfassung dieses moralischen Ediktes werden nur noch drei Tiere getötet, um
Fleischragout zu bereiten, zwei Pfauen und eine Antilope und auch diese Antilope
nicht regelmäßig. Aber auch diese drei Tiere sollen künftig nicht mehr getötet
werden.
2. Felsen-Edikt: Gesundheitsfürsorge
Überall im Reiche des Königs Devānampriya Priyadārsin sowie auch bei den
angrenzenden Völkern, den Chodas, den Pandyas, den Satiyaputas, den Ketalaputas,
den Ceylonesen, beim lonier-König Antiochos und bei den Nachbarn dieses
Antiochos - überall hat der König Devānampriya Priyadārsin zwei Arten der
medizinischen Fürsorge eingerichtet, nämlich medizinische Fürsorge für Menschen
und medizinische Fürsorge für Tiere. Wo es keine heilkräftigen Kräuter für
Menschen und Tiere gab, da wurde veranlaßt, daß solche eingeführt und
angepflanzt werden. Und wo es keine heilkräftigen Wurzeln und Früchte gab, da
wurde veranlaßt, daß solche eingeführt und angepflanzt werden. An den
Landstraßen aber wurde für den Bau von Brunnen und die Anpflanzung von Bäumen
Sorge getragen zur Erquickung von Menschen und Tieren.
3. Felsen-Edikt: Rundreisen der Beamten
Der König Devānampriya Priyadārsin spricht so: Zwölf Jahre nach meiner
Krönung ordnete ich folgendes an: Überall in meinem Reiche sollen die
Verwaltungsbeamten, die Justizbeamten und die Gouverneure der Provinzen alle
fünf Jahre eine umfassende Rundreise machen, neben anderen Aufgaben vor allem
zum Zwecke der Unterweisung ihrer Untergebenen in den sittlichen Pflichten (dhamma),
und zwar in folgendem Sinne: Gut ist Gehorsam gegen Mutter und Vater. Gut ist
Gabenspenden an Freunde, Bekannte und Verwandte, an Brahmanen und Büßer. Gut ist
es, lebende Wesen nicht zu töten. Auch das Unterlassen von Schmähungen gegen
Andersdenkende und das Meiden von Streit ist gut. Der Ministerrat soll die
Beamten anweisen, diese Vorschriften sinngemäß und wortgetreu aufzuzeichnen.
4. Felsen-Edikt: Die Proklamation des moralischen Gesetzes
Früher wurden viele hundert Jahre lang in zunehmendem Maße Tiere getötet und
lebende Wesen gequält. Auch benahm man sich unhöflich gegen Verwandte, unhöflich
auch gegen Brahmanen und Büßer. Jetzt aber, da der König Devānampriya
Priyadārsin das moralische Gesetz im praktischen Leben betätigt, ist an die
Stelle des kriegerischen Lärms der Trompeten die Proklamation des moralischen
Gesetzes getreten und man zeigt dem Volk Bilder himmlischer Paradiese,
Elefanten, Feuermassen und andere Darstellungen religiösen Inhalts. Wie niemals
zuvor werden jetzt infolge der Belehrung über das moralische Gesetz, die der
König Devānampriya Priyadārsin erteilte, in zunehmendem Maße Tiere nicht mehr
getötet, lebende Wesen nicht mehr gequält. Auch benimmt man sich höflich gegen
Verwandte, höflich gegen Brahmanen und Büßer. Man hört wieder au, Mutter und
Vater und auf die Stimme des Alters.
Auf diesem und vielen anderen Gebieten ist die praktische Betätigung des
moralischen Gesetzes im Wachsen, und der König Devānampriya Priyadārsin will die
praktische Betätigung des moralischen Gesetzes noch weiter fördern. Auch die
Söhne, Enkel und Urenkel des Königs Devānampriya Priyadārsin werden die
praktische Betätigung des moralischen Gesetzes fördern bis an das Ende dieses
Weltalters, sie werden dem moralischen Gesetz und dem rechten Lebenswandel treu
bleiben und werden Belehrung über das moralische Gesetz erteilen. Denn Belehrung
über das moralische Gesetz erteilen, ist das Beste, was man tun kann. Die
praktische Betätigung des moralischen Gesetzes aber kann einem zuchtlosen
Menschen nicht gelingen. Gute Absichten dieser Art zu fördern und sie nicht zu
vernachlässigen, ist verdienstvoll.
Dies wurde geschrieben, damit meine Nachkommen sich für die Förderung dieser
Ziele einsetzen und sie nicht vernachlässigen. Dies ließ der König Devānampriya
Priyadārsin zwölf Jahre nach seiner Krönung schreiben.
5. Felsen-Edikt: Die Hüter des Rechtes und der Moral
Der König Devānampriya Priyadārsin spricht so: Schwer ist es, gute Werke zu
tun. Wer gute Werke vollbringt, der vollbringt etwas Schwieriges. Nun habe ich
viele gute Werke vollbracht. Auch meine Söhne, Enkel und meine Nachkommen bis
zum Ende dieses Weltalters, die mit diesen meinen Zielen übereinstimmen, werden
ein verdienstvolles Werk vollbringen. Wer aber auch nur einen Teil dieser
Aufgaben vernachlässigt, der wird Schuld auf sich laden. Leicht nämlich ist es,
das Schlechte zu tun.
In früheren Zeiten gab es noch keine beamteten Hüter des Rechtes und der
Moral. Solche beamteten Hüter des Rechtes und der Moral habe ich 13 Jahre nach
meiner Krönung eingesetzt. Diese sind bei allen Religionsgemeinschaften damit
beschäftigt, dem moralischen Gesetz Geltung zu verschaffen, den rechten
Lebenswandel zu fördern.. Sie bemühen sich um das Wohlergehen und Heil
derjenigen, die nach den Vorschriften des moralischen Gesetzes leben, sogar bei
den Yonas, Kambojas, Gandharas, bei den Ristikas und Petenikas sowie bei den
anderen westlichen Grenzvölkern. Beim Adel, bei den Brahmanen und den Männern
des einfachen Volkes, bei den Armen und Alten sind sie um das Wohlergehen und
Heil derer bemüht, die nach den Forderungen des moralischen Gesetzes leben und
versuchen, Schwierigkeiten zu beseitigen. Sie setzen sich ein für die Verhütung
ungerechter Freiheitsbeschränkung, für die Beseitigung von Schwierigkeiten, für
die Befreiung aus Gefangenschaft und dies besonders bei Kinderreichen, bei
Kranken und bei alten Leuten. Hier in Pataliputra und auch in den
Provinzstädten, in allen Privatgemächern, auch bei meinen Brüdern und Schwestern
und bei meinen übrigen Verwandten, sind sie tätig. In allen Fragen des Rechtes
und der Moral, bei allem, was mit dem Gabenspenden zusammenhängt, überall sind
in meinem dem Guten ergebenen Reich die beamteten Hüter des Rechtes und der
Moral tätig.
Dieses moralische Edikt ist hier eingemeißelt worden, damit es lange Zeit
überdauere und damit mein Volk sich danach richte.
6. Felsen-Edikt: Das Ethos des Herrschers
Der König Devānampriya Priyadārsin spricht so: In früherer Zeit gab es noch
keine Kontrolle der Rechtsangelegenheiten und kein Anhören von Berichten. Ich
aber habe folgende Einrichtung getroffen: Stets stehen, während ich esse, in
meinen Privatgemächern, im Schlafzimmer, im Kabinett, bei meiner Sänfte und im
Park überall Berichterstatter bereit, die mir über die Angelegenheiten des
Volkes berichten sollen. Überall kümmere ich mich um die Angelegenheiten des
Volkes. Wenn in einer Angelegenheit, bei der ich selbst befohlen habe,
Unterstützung zu gewähren oder eine bestimmte Anordnung zu befolgen oder in
einer dringenden Sache, die den Ministern anvertraut ist, im Ministerrat
Uneinigkeit entsteht und sich die Notwendigkeit der Vertagung ergibt, dann soll
mir stets unverzüglich davon berichtet werden. So hab ich es angeordnet.
Ich kann mir nämlich nie genug tun in der Anstrengung und in der raschen
Erledigung aller Angelegenheiten. Denn ich halte es für meine Pflicht, für das
Wohl aller Menschen zu arbeiten. Die Voraussetzung hierfür aber ist angestrengte
Arbeit und die rasche Erledigung aller Angelegenheiten. Es gibt aber keine
höhere Aufgabe, als für das Wohl aller zu arbeiten. Wenn ich mich nun anstrenge,
meiner Verpflichtung gegen die lebenden Wesen zu genügen, so geht mein Streben
dahin, sie in dieser Welt glücklich zu machen und dafür zu sorgen, daß sie nach
dem Tode in himmlische Welt gelangen.
Dieses moralische Edikt wurde geschrieben, damit es lange Zeit Geltung
behalte und damit meine Söhne, Enkel und Urenkel in diesem Sinne handeln mögen.
Es ist dies aber nur bei großer Anstrengung zu verwirklichen.
7. Felsen-Edikt: Die Gesamtheit der sittlichen
Pflichten
Der König Devānampriya Priyadārsin wünscht, daß alle religiösen Vereinigungen
überall ihre Niederlassungen haben. Denn sie alle fordern Selbstbeherrschung und
Reinheit des Herzens. Gewöhnlich aber sind die Wünsche und Begierden der
Menschen auf verschiedenartige Ziele gerichtet. Manche Menschen erfüllen ihre
sittlichen Pflichten vollständig, andere dagegen erfüllen sie nur teilweise.
Wenn einer auch große Spenden gibt, es fehlt ihm aber Selbstbeherrschung,
Reinheit des Herzens, Dankbarkeit und feste Neigung zum Guten, dann ist er nur
ein Charakter von niederem Rang.
8. Felsen-Edikt: Reisen zur Förderung der Moral
In früheren Zeiten fuhren die Könige auf Vergnügungsfahrten aus. Da gab es
dann Jagden und andere derartige Vergnügen. Zehn Jahre nach seiner Krönung
besuchte der König Devānampriya Priyadārsin die Stätte der Erleuchtung.* Seitdem
werden nun Reisen zur Förderung der Moral unternommen. Dabei werden Brahmanen
und Büßer besucht, Gaben ausgeteilt und ehrwürdige Greise aufgesucht, es wird
Geld verteilt und die Bevölkerung des Landes besucht, es werden Belehrungen und
Befragungen über die sittlichen Pflichten veranstaltet. Der zweite Abschnitt der
Regierungszeit des Königs Devānampriya Priyadārsin wird auf diese Weise
besonders segensreich.
* Uruvela, das heutige Bodh Gaya, wo der Buddha die Erleuchtung erlangte.
9. Felsen-Edikt: Falscher und rechter Ritus
Der König Devānampriya Priyadārsin spricht so: Die Menschen befolgen
mannigfache Riten bei Krankheiten, Hochzeiten, bei der Geburt eines Sohnes oder
vor Beginn einer Reise. Und noch bei manchen anderen Gelegenheiten befolgen die
Menschen mannigfache Riten. Besonders die Frauen befolgen allzuviele und
mannigfache, verächtliche und unsinnige Riten. Gewiß, Riten sollen wohl befolgt
werden. Jedoch Riten solcher Art bringen wenig Gewinn. Es gibt aber auch einen
Ritus, der großen Gewinn bringt, nämlich der Ritus des rechten Lebenswandels.
Hierin aber liegt beschlossen Freundlichkeit gegen Diener und Sklaven, Achtung
vor Personen, die Ehrfurcht verdienen, liebevolle Gesinnung gegen Tiere,
Selbstbeherrschung, Freigebigkeit gegen Brahmanen und Büßer. Solches und
ähnliches Verhalten nennt man den Ritus des rechten Lebenswandels.
Daher sollte ein Vater, Sohn, Bruder oder Lehrer also sprechen: Dies ist gut,
dieser Ritus sollte befolgt werden, wenn man dieses Ziel erreichen will. Es
heißt nun wohl: Gabenspenden ist gut. Es gibt aber keine Gabe oder Wohltat, die
zu vergleichen wäre mit der Gabe der moralischen Belehrung oder mit der Wohltat
der moralischen Belehrung. Daher sollte uns ein Freund, ein Wohlmeinender, ein
Verwandter oder ein Gefährte bei passender Gelegenheit ermahnen: Das soll man
tun, das ist gut, auf diesem Wege ist es möglich, in himmlische Welt zu
gelangen. Welches andere Ziel verdiente aber wohl mit größerem Eifer angestrebt
zu werden, als das Erreichen einer Wiedergeburt in himmlischer Welt?
10. Felsen-Edikt: Der rechte Ruhm
Der König Devānampriya Priyadārsin glaubt nicht, daß Ruhm und Nachruhm großen
Wert haben, es sei denn, daß die Menschen durch seine Bemühungen in der
Gegenwart und Zukunft veranlaßt würden, auf die Forderungen des moralischen
Gesetzes zu hören und den Forderungen des moralischen Gesetzes entsprechend zu
handeln. Nur solchen Ruhm und Nachruhm wünscht sich der König Devānampriya
Priyadārsin. Alle Anstrengungen, die der König Devānampriya Priyadārsin macht,
nimmt er nur auf sich im Hinblick auf die Folgen in der anderen Welt, auf daß
die Menschen nicht in Gefährdung geraten. Gefährdung aber bedeutet unter diesem
Gesichtspunkt alles schuldhafte Verhalten. Das ist aber für den kleinen Mann und
auch für den Mann in gehobener Stellung schwer durchzusetzen, es sei denn, daß
er sich sehr anstrengt und alles andere beiseite läßt. Für den Mann in gehobener
Stellung aber ist es sicher am schwersten durchzusetzen.
11. Felsen-Edikt: Die Gabe des moralischen Gesetzes
Der König Devānampriya Priyadārsin spricht so: Es gibt keine Gabe, die sich
vergleichen ließe mit der Gabe des moralischen Gesetzes, mit der Freundschaft
aufgrund des moralischen Gesetzes, der Mitteilung des moralischen Gesetzes, mit
dem Verbundensein aufgrund des moralischen Gesetzes.
Hierin aber liegt beschlossen Freundlichkeit gegen Diener und Sklaven,
Gehorsam gegen Mutter und Vater, Freigebigkeit gegen Freunde, Bekannte,
Verwandte, gegen Brahmanen und Büßer, sowie das Meiden des Tötens. Daher sollte
ein Vater, ein Sohn, ein Bruder, ein Freund, ein Bekannter, ein Verwandter oder
auch nur ein Nachbar also sprechen: Das ist gut, das soll man tun. Wenn man so
handelt, dann entwickeln sich aus dieser Gabe des moralischen Gesetzes Erfolge
schon in dieser Welt und Verdienste ohne Ende für die nächste Welt.
12. Felsen-Edikt: Toleranz
Der König Devānampriya Priyadārsin ehrt alle religiösen Vereinigungen, sowohl
Büßer wie Laienanhänger mit Spenden und bedenkt sie auch sonst mit allerlei
Ehrungen. Aber äußeren Reichtum und Ansehen hält Devānampriya bei allen
religiösen Vereinigungen nicht für so wichtig wie das Wachstum der inneren
Werte. Dieses Wachstum der inneren Werte ist auf vielfache Weise möglich.
Voraussetzung aber dafür ist die Zurückhaltung im Reden, auf daß man nicht bei
unpassender Gelegenheit die eigene religiöse Vereinigung herausstreiche und über
andere religiöse Vereinigungen abfällig urteile. Auf jeden Fall aber muß man
sich bei Lob und Tadel Mässigung auferlegen. Bei passender Gelegenheit aber soll
man auch den anderen religiösen Vereinigungen seine Achtung bezeugen. Wenn man
sich so verhält, dann fördert man die eigene religiöse Vereinigung und benimmt
sich richtig gegen die anderen religiösen Vereinigungen. Verhält man sich
anders, so schädigt man die eigene religiöse Vereinigung und verletzt die
anderen religiösen Vereinigungen. Wer aber die eigene religiöse Vereinigung
herausstreicht und über die anderen religiösen Vereinigungen abfällig urteilt
und dies alles in der Absicht, der eigenen religiösen Vereinigung einen Dienst
zu erweisen und die Interessen der eigenen religiösen Vereinigung zu fördern,
der fügt durch solches Verhalten der eigenen religiösen Vereinigung nur
beträchtlichen Schaden zu.
So ist denn nur das Zusammengehen gut, auf daß ein jeder der Sittenlehre des
anderen Gehör und Aufmerksamkeit schenke. Denn es ist der Wunsch des
Devānampriya, alle religiösen Vereinigungen möchten begierig sein, noch etwas
hinzuzulernen, und möchten sich nur das Gute zum Ziele setzen. Daher sollte man
zu allen, die einer oder der anderen religiösen Vereinigung anhängen, so
sprechen:
Devānampriya hält bei allen religiösen Vereinigungen Reichtum und Ansehen
nicht für so wichtig wie das Wachstum der inneren Werte. Viele Beamte aber sind
in diesem Sinne tätig, nämlich die Hüter des Rechtes und der Moral, die Aufseher
über die Frauen, die Inspektoren und andere Gruppen von Beamten. Die Frucht
solcher Bemühungen aber ist das Wachstum der eigenen religiösen Vereinigung und
die Förderung der Sache der Moral.
13. Felsen-Edikt. Der Sieg des moralischen
Gesetzes
Acht Jahre nach seiner Krönung eroberte der König Devānampriya Priyadārsin
das Land der Kalinga. 150'000 Menschen wurden damals verschleppt, 100'000
Menschen wurden erschlagen und eine vielfache Anzahl starb. Danach aber, nach
der Eroberung des Landes der Kalinga ergab sich Devānampriya dem Studium des
moralischen Gesetzes, der Liebe zum moralischen Gesetz und widmete sich der
Belehrung über die Forderungen des moralischen Gesetzes. Darin zeigt sich das
Bedauern des Devānampriya über die Eroberung des Landes der Kalinga. Denn
Devānampriya betrachtet es als schmerzlich und beklagenswert, daß die Eroberung
eines fremden Landes von Gemetzel, Tod und Verschleppung begleitet ist.
Aber folgendes hält Devānampriya noch mehr für beklagenswert: Dort leben
Brahmanen und Büßer, andere religiöse Vereinigungen und Laienanhänger und üben
Gehorsam gegenüber ehrwürdigen Personen, Gehorsam gegen Mutter und Vater,
Gehorsam gegen die Alten, Höflichkeit gegen Freunde und Bekannte, Gefährten und
Verwandte, gegen Sklaven und Diener und entwickeln gläubiges Vertrauen. Alle die
erleiden dann Belästigung, Tod oder Trennung von ihren Lieben. Bleiben sie aber
selbst dabei unbehelligt, so ist es für sie doch schmerzlich, wenn sie sehen,
wie ihre Freunde, Bekannten, Gefährten und Verwandten, denen ihre ganze Liebe
gehört, ins Unglück geraten. Denn alle Menschen haben an einem solchen Unglück
zu tragen. Das erscheint aber dem Devānampriya beklagenswert. Gibt es doch kein
Land, wo es die beiden Menschenklassen der Priester und Büßer nicht gibt, außer
bei den Ioniern, und existiert doch kein Ort auf der Erde, wo die Menschen nicht
irgendeiner Religionsgemeinschaft angehören.
Daher erscheint jetzt dem Devānampriya schon der hundertste oder tausendste
Teil aller dieser Menschen, die bei der Eroberung des Landes der Kalinga
erschlagen wurden, starben oder verschleppt wurden, sehr beklagenswert.
Devānampriya ist auch der Ansicht, man solle vergeben, was nur irgend vergeben
werden kann. Sogar die wilden Völker der Wälder, die im Reiche Devānampriyas
leben, besänftigt er und gewinnt sie für sich. Er läßt sie wissen, daß
Devānampriya die Macht hat, sie zu strafen, damit sie sich in acht nehmen und
nicht mit dem Tode bestraft werden müssen. Devānampriya erstrebt nämlich im
Interesse aller Wesen Verzicht auf Gewalt, Selbstbeherrschung, Gerechtigkeit und
Milde.
Diesen Sieg aber hält Devānampriya für den größten, nämlich den Sieg des
moralischen Gesetzes. Dieser Sieg ist dem Devānampriya wiederholt zugefallen,
sowohl hier wie bei allen seinen Nachbarn, sogar auf eine Entfernung von 600
Yojanas, wo der Ionier-König Antiochos regiert, und noch über das Reich dieses
Antiochos hinaus, wo vier andere Könige regieren, nämlich König Ptolemaios,
König Antigonos, König Magas und König Alexander, ebenso nach Süden, wo die
Chodas und Pandyas wohnen, ja bis nach Ceylon. Ebenso hier in des Königs eigenem
Reich, bei den loniern und Kambojas, bei den Nabhakas und Nabhapanktis, bei den
Bhojas und Pitinikyas, bei den Andhras und Paladas. Alle diese Völkerstämme
befolgen aufgrund der von Devānampriya gegebenen Belehrung das moralische
Gesetz. Sogar solche Herrscher, zu denen die Gesandten Devānampriyas nicht
kommen, haben gehört von den moralischen Pflichten, die Devānampriya auf sich
genommen hat, von den Verordnungen, von den Belehrungen über das moralische
Gesetz, und sie folgen dem moralischen Gesetz oder werden es tun.
Der Sieg aber, der hierdurch überall errungen wird, ist eine Quelle tiefer
Befriedigung. Diese Befriedigung - nämlich die Befriedigung über den Sieg des
moralischen Gesetzes - ist auch von Bestand. Und doch ist diese Befriedigung von
geringer Bedeutung, denn Devānampriya ist der Ansicht, daß allein die Folgen in
der anderen Welt von großer Bedeutung sind.
Dieses moralische Edikt wurde hier eingemeißelt, damit meine Söhne und noch
die Urenkel, die ich vielleicht haben werde, nicht auf neue Eroberungen sinnen
sollen. Werden sie aber wieder in kriegerische Handlungen verwickelt, so sollen
sie Freude an milder Sinnesart und leichter Bestrafung haben. Sie sollen den
Sieg des moralischen Gesetzes als den einzig wahren Sieg ansehen. Dieser Sieg
trägt gute Frucht in dieser Welt und in der anderen Welt. Ihre einzige Freude
sei die Freude an der rechten Anstrengung.
Denn ein solches Verhalten trägt gute Frucht in dieser Welt und in der
anderen Welt.
14. Felsen-Edikt: Nachwort
Diese moralischen Edikte ließ der König Devānampriya Priyadārsin einmeißeln,
und zwar in abgekürzter Form, in mittlerer und in voller Länge. Denn alles war
nicht überall passend. Mein Reich hat nämlich weite Ausdehnung, und es sind
schon viele Edikte eingemeißelt worden, und es sollen noch mehr eingemeißelt
werden. Einiges aber wurde wieder und wieder gesagt wegen der Schönheit
bestimmter Themen und damit die Menschen dementsprechend handeln sollen. In
einigen Fällen aber wurden die Edikte unvollständig eingemeißelt, sei es mit
Rücksicht auf den zur Verfügung stehenden Platz oder weil der Sinn nicht
verstanden wurde oder durch einen Fehler des Schreibers.

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